Tagungen > Tagungsausschreibung

31.10.2013

CFP: "Ein Antiheld? Gegenentwürfe zum Heroischen in Vormoderne und Moderne"

  • Ort: Freiburg
  • Beginn: 15.05.14
  • Ende: 17.05.14
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft, Weitere Teilbereiche
  • Sprachen: Sprachenübergreifend
  • Frist: 15.12.13

Summer School des SFB 948 "Helden – Heroisierungen – Heroismen", 15.-17. Mai 2014

 

In Literatur und Populärkultur scheint der Antiheld eine vertraute, wenn auch schwer zu fassende Figur. Lassen sich Shakespeares Bösewichte ebenso wie Don Quijote, der tapfere Streiter gegen die Windmühlenflügel, der sich in exzessiver Selbstjustiz übende Michael Kohlhaas ebenso wie der Eichendorff’sche Taugenichts, und schließlich auch der sympathisch scheiternde Donald Duck gleichermaßen mit dem Titel ‚Antiheld‘ bezeichnen? Sind Outlaws, Schurken, Pechvögel und Nichtsnutze allesamt Gegenentwürfe zur heroischen Figur? Die wissenschaftliche Untersuchung dieses Phänomens trug bisher vor allem in der Literatur- und Kulturwissenschaft erste Früchte, vermag das Phänomen aber über den eigenen Horizont hinaus nur wenig zu präzisieren.

 

Denn die Frage, was genau einen Antihelden ausmacht, ist bisher nicht beantwortet worden. Wen bezeichnet man zu welchen Zeiten als Antihelden? Welche Merkmale werden ihm zugeschrieben? Braucht ein Antiheld, um als solcher benannt zu werden, immer den Helden als Gegenfigur oder wird in ihm gleichzeitig mehr als nur der Antagonist eines literarischen oder filmischen Protagonisten gesehen? Geht es bei dieser Zuschreibung um die bloße Verneinung des Heldischen oder darüber hinaus? Werden auch historisch verbürgte Personen als Antihelden begriffen oder handelt es sich allein um ein literarisches und filmisches Phänomen? In welchem konkreten historischen Moment zeigt sich dann ein solcher Antiheld der Geschichte?

 

Die Summer School des Freiburger DFG-Sonderforschungsbereichs 948 "Helden – Heroisierungen – Heroismen" geht davon aus, dass im Anti-Heroischen mehr steckt als nur das Un-Heroische, also die Negation des Helden oder schlicht seine Gegenfigur. Mit dieser Annahme wird die Untersuchung des Phänomens ‚Antiheld‘ aufschlussreich für eine Fülle von Disziplinen. Wenn unter einem Antihelden eine Figur verstanden wird, die zwar in einem komplementären Verhältnis zum Helden steht, mit diesem jedoch eine Fülle von Eigenschaften teilt (‚Teilhabe am Heroischen‘), kann ihre Untersuchung im Umkehrschluss auch Einsichten in Formen und Funktionen des Heroischen bieten. Im Zentrum der Summer School soll daher neben dem Versuch einer Differenzierung des Phänomens auch die Frage nach einer Teilhabe des Antihelden am Heroischen stehen. Ist er wie der Held ein Störenfried der Ordnung, jemand, der Normen überschreitet und agonal handelt? Ist er wie der Held eine Figur, die vor allem über ihre Rezeption gesteuert und geformt wird, das heißt durch ihre narrative und mediale Konstruktion und Vermittlung? Benötigt der Antiheld wie der Held eine Gefolgschaft oder gar Verehrergemeinde? Wo hingegen werden diese für den Helden konstitutiven Elemente abgewandelt und bilden sich spezifisch antiheroische Habitusmuster heraus? Kurz: Was unterscheidet Held und Antiheld?

 

Das Ziel der Summer School ist es, das Phänomen des Antihelden in seiner Vielfalt grundlegend zu diskutieren und ein praxistaugliches Konzept für die Analyse und Erforschung dieser Figuren zu entwickeln. Anhand dreier Schwerpunkte sollen die oben genannten Fragen in einer offenen Form, die kurze Vorträge und freie Diskussionsphasen kombiniert, behandelt werden.

 

I. Figuren (Keynote: N.N.)

Zunächst muss der Blick über Figuren der Literatur- und Filmgeschichte hinaus erweitert werden und sich auf historische Personen der Vormoderne und Moderne richten. Als Beispiele können die Ordnung sprengende Figuren wie der fanatisch zündelnde Kaiser Nero, der widerspenstige Räuber Schinderhannes oder gewaltbereite und terroristische Personen wie Charles Manson oder Andreas Baader, aber auch in ihrer historischen (und literarischen) Wahrnehmung gebrochene Figuren wie der englische Monarch Richard III. und die schottische Königin Maria Stuart dienen. Lässt sich die Figur des Antihelden anhand solcher Fallbeispiele typologisieren? Und in welchem Verhältnis stehen in historischen Untersuchungsfällen Heroisierungs- und Anti-Heroisierungsprozesse, da des einen Antiheld zumeist des anderen Held war, so zum Beispiel kontrovers verhandelte Figuren wie Napoleon Bonaparte? Ein besonderes Augenmerk soll in diesem Bereich auch auf die Konstruktion von Gender – in extensivem Sinne, also bezogen auf jegliche Formen geschlechts- oder gruppenspezifischer Merkmale – gerichtet werden. Gibt es geschlechtsspezifische, gesellschaftsspezifische, physische, psychologische oder ethnische Charakteristika für die Zuschreibung als ‚Antiheld/in‘?

 

II. Formen (Keynote: PD Dr. phil. Dietmar Voss, Berlin)

Eine antiheroische Figur kann sich in verschiedenen Formen zeigen. Unter der Hypothese, dass der Antiheld ebenso wie der Held medial vermittelt und von sozialen, politischen, literarischen etc. Gemeinschaften als solcher konstruiert und wahrgenommen werden muss, befasst sich dieser Schwerpunktbereich mit den Artikulationsformen und möglichen Modellen des Anti-Heroischen. Als derartige Modelle können in der Literatur beispielweise die europäische Tradition des Schelmenromans – z.B. Lazarillo de Tormes oder Simplicius Simplicissimus – herangezogen werden, aber auch historische Beispiele, so etwa politische Attentäter des 19. Jahrhunderts wie der Lincoln-Attentäter John Wilkes Booth.

 

III. Funktionen (Keynote: Prof. Dr. Ulrich Bröckling, Freiburg)

Im dritten Schwerpunktbereich soll nach den Interessen und Intentionen gefragt werden, mit denen sich eine Figur entweder selbst zum Antihelden stilisiert oder von anderen dazu gemacht wird: Wer fällt das Urteil ‚Antiheld‘? Untersucht wird die Funktion dieser Figur für bestimmte Gruppen oder Gesellschaften, in denen sie agiert. Zu fragen ist weiterhin nach der Konstitution von Anhängergruppen und ihren spezifischen Motivationen, sich einem Antihelden anzuschließen. In historischer Perspektive wäre außerdem zu klären, ob das Sprechen über Antihelden in bestimmten Zeiten verstärkt auftritt und ob sich daraus Rückschlüsse auf historische Lebenswelten, Gesellschaftsformen und Denkstrukturen ziehen lassen.

 

Die Summer School verbindet mit diesem Vorhaben ein interdisziplinäres Anliegen und richtet sich damit über die im SFB vertretenen Disziplinen (Geschichte, Alte Geschichte, Archäologie, Germanistik, Anglistik, Romanistik, Lateinische Philologie des Mittelalters, Kunstgeschichte, Soziologie, Musikwissenschaft) hinaus an weitere Fachbereiche, wie z.B. die Rechtswissenschaften, Religionswissenschaften, Theologie, Medien- und Kulturwissenschaften.

 

Wir bitten um Vorschläge für Beiträge in Form eines Abstracts (max. 4000 Zeichen) und einer Kurzvita bis zum 15. Dezember 2013 an summerschool@sfb948.uni-freiburg.de. Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Weitere Informationen zur Summer School finden Sie in Zukunft unter: www.sfb948.uni-freiburg.de/summerschool2014

 

Von:  Jakob Willis

Publiziert von: cf