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21.03.2008

CFP: Monster - forum junge wissenschaft IV

  • Ort: Dresden
  • Beginn: 19.11.08
  • Ende: 23.11.08
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Sprachenübergreifend
  • Frist: 01.07.08

Call for papers

forum junge wissenschaft IV

 

Monster

19.11. bis 23.11.2008 in Dresden

 

Mit der Behauptung, daß Monster, Ungeheuer oder mißgebildete Kreaturen die Menschen schon immer beschäftigt und fasziniert haben, wird man wohl kaum zu weit gehen. Woraus aber genau speist sich diese Faszination? Gibt es eigentlich noch Monster, oder sind sie möglicherweise mit Aufklärung, Rationalisierung und Verwissenschaftlichung des Lebens aus eben diesem verschwunden? Wo findet man das oder die Monster, zumal heutzutage; wo wäre ihr spezifischer Ort? Wie realisiert sich das Monster in der Gesellschaft – oder außerhalb derselben? Welches sind die spezifischen semantischen oder visuellen Strategien, in denen das Monster zum Einsatz von Selbst- und Weltdeutungen wird?

Es sind solche und ähnliche Fragen, die das forum junge wissenschaft thematisieren will. Das Monster, so die allgemeine Überlegung, ist immer eine Grenzfigur. Als eine solche, in der sich das Eigene und das Andere überschneidet oder trennt, stellt das Monster eine Möglichkeit dar, Bestimmungen des Selbst vorzunehmen: So könnte das Monster als Medium der Fest-Stellung von Gegen-, Eigen- und Zerrbildern des Menschen gefasst werden.

Diese Perspektive eröffnet die Fragestellung nach den verschiedenen Figuren des Anderen bzw. der Andersartigkeit, die das Monster bereitstellt, und damit implizit nach den unterschiedlichen Bildern des Menschen, die damit transportiert werden. Über allgemeine und abstrakte Bestimmungen des Monsters und der ›Monsterisierung‹ hinaus sollen somit zum einen die je konkreten Erscheinungen des Monsters aus einer kultur- und sozialgeschichtlichen Perspektive in den Blick genommen werden: Wie wird die Grenze, die das Monster herstellt, historisch fixiert, wie verschoben und wie wandelt sich der Maßstab im Laufe der Zeit. Hier stellt sich also die Frage nach der historischen Kontingenz der Fixierung der Grenze zwischen Menschlichem und Nicht-Mehr- bzw. Nicht-Menschlichem. Denn neben den das Reich der Phantasie bewohnenden Fabelwesen finden sich schon seit langer Zeit die nicht vollkommen jenseits der Grenze verortbaren Wesen, deren Monstrosität in ihrer körperlichen Abweichung besteht: Mißgeburten, Zwerge oder Haarmenschen bevölkern beispielsweise die Kunst des Mittelalters (und freilich nicht nur die, man denke beispielsweise an Velázquez oder Odilon Redon) ebenso wie den medizinischen Diskurs des 19. Jahrhunderts. Mit solchen Hybriden rückt das Monster näher an den Menschen heran. Und die modernen Zeiten bringen Sonderfälle des Hybriden hervor – Wesen vom Homunkulus bis zum Cyborg zeigen eine weitere Art von Monstern an: diejenigen, die nicht nur der Phantasie des Menschen entspringen, sondern im ganz konkreten, materialen Sinne menschengemachte Monster sind. Daß man beispielsweise die Bürokratie oder die Technik (man denke nur an die technikkritischen Debatten der 1950er Jahre, die sich vor dem Hintergrund der Atombombe abspielen) mit dem Prädikat des Monströsen ausstatten kann, verweist auf Dimensionen des vom Menschen Produzierten, das sich seiner Kontrolle entzieht.

Kann man also einerseits davon ausgehen, daß die Strategien des Einsatzes des Monsters als Medium der Bestimmung des Eigenen und des Anderen sowohl historisch als auch sozial bedingt differieren, läßt sich andererseits danach fragen, wie sie – sowohl die Monster wie die Strategien – je feldspezifisch (z.B. politisch, ästhetisch-künstlerisch, wissenschaftlich) verschiedene Ausprägungen annehmen. Insofern stellt sich die Frage nach den jeweiligen Verfahren der Dar- und Herstellung des Monsters und deren Besonderheit. Als grenzziehendes wie -subvertierendes Faszinosum sind Monster nicht nur Bedrohung, sondern fungieren als Wunschmaschine und Möglichkeit, Formen des Exzesses und der Entgrenzung literarisch und künstlerisch durchzuspielen: ein ästhetisches Ausagieren des Monströsen (wie beispielsweise bei den Libertins um de Sade), das immer auch auf Grenzverletzungen und -verschiebungen im gesellschaftlich-politischen Feld zielt.

 

Im Rahmen des forum junge wissenschaft interessieren insbesondere die Momente der Absonderlichkeit oder gar der absoluten Andersartigkeit des Monsters sowie die der Instrumentalisierung dieser Absonderlichkeit für eine Stabilisierung der je historischen Ordnung der Wahrnehmung und Erfahrung. Welche Verbindungen bestehen zwischen diesen beiden Momenten? Ist das Monster notwendig jenseits der Grenze der Ordnung der Erfahrung zu verorten oder werden mit der Bezeichnung von etwas als ›Monster‹ auch Exklusionsprozesse legitimiert, ließe sich also die jeweils angelegte Semantik als Konstruktionsakt fassen? Besonders brisant sind diese Fragen, wenn sie auf die Unterscheidung von Menschlichem und Nicht-mehr-Menschlichem zielen. Hier offenbart sich die jeweils historisch zu beobachtende Konzeptualisierung des Menschlichen, die durch Monster, Monstrositäten, sogenannte ›Mißgeburten‹ sowohl verunsichert als auch stabilisiert wird. Gerade das Monster fordert dazu heraus, die Grenzen des Menschlichen besonders straff zu ziehen. Daran schließt sich die Frage an, was mit Gesellschaften und Kulturen passiert, wenn sie keine Monster mehr kennen oder im Zuge von Aufklärung und Rationalisierung keine mehr kennen wollen? Ist die Semantik des Monströsen heutzutage womöglich nur noch eine instrumentelle, mit der mißliebige Erscheinungen belegt werden können – zu denken ist hier u.a. an ›Diktatoren‹, die gern in Termini des Monströsen gefaßt werden. Und was bedeutet eine solche Instrumentalisierung der Semantik für eine normativ aufgeladenes, quasi-rechtliches Konzept, wie das der Menschenrechte: Können diese entzogen werden, wenn jemand oder etwas mit einer Semantik des Monströsen überzogen wird? Ist dieses Konzept mithin nicht so universal, wie es den Anschein hat, sondern ist es ein ideologisches Instrument, das unter Beachtung und Einhaltung bestimmter Regeln – welcher? – variabel ist und Ausschlüsse nach sich ziehen kann, die durchaus existentielle Folgen haben können?

In diesem Sinne will das forum junge wissenschaft mit einem interdisziplinären Ansatz zu einer geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen wie -geschichtlichen Aufklärung der Figur des Monsters beitragen.

 

Zum forum junge wissenschaft

Das forum junge wissenschaft IV: Monster, das vom 19.11. bis 23.11.2008 stattfinden wird, richtet sich an Studierende, Promovierende und Postgraduierte der geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten. Mit dem forum verfolgen wir langfristig – einem inhaltlich offenen forum im ersten Jahr folgten in den letzten beiden Jahren thematisch fokussierte Veranstaltungen; 2006 wurde das Phänomen Heimat einer Bestandsaufnahme unterzogen und 2007 widmete sich das forum Streitkulturen in Geschichte und Gegenwart – das Projekt, eine Schnittstelle zwischen spezialisierter Wissenschaft und interessierter Öffentlichkeit innerhalb eines nicht-akademischen Rahmens sowie an einem ungewöhnlichen Ort (www.motorenhalle.de) zu schaffen. Das forum findet im Dresdner Kulturverein riesa efau statt, dessen Interesse seit Jahren den verschiedenen kulturellen Aspekten von Kommunikation und Kommunikationskulturen gilt.

Junge Geistes-, Kultur- und SozialwissenschaftlerInnen aus Deutschland und Europa sollen die Möglichkeit erhalten, an vier Tagen in Workshoprunden ihre aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten oder laufende Projekte vorzustellen und miteinander zu diskutieren. Zum anderen besteht der Anspruch des forums darin, die Inhalte der Forschungen einem Nicht-Fachpublikum vorzustellen und nahe zu bringen. In öffentlichen Abendvorträgen erhalten die ReferentInnen die Möglichkeit, ihre Themen und Fachgebiete ›publikumswirksam‹ zu präsentieren. Wir wollen die Offenheit eines Kulturvereins, der außerhalb etablierter akademischer Strukturen arbeitet, auch dazu nutzen, innerhalb des forum junge wissenschaft über Alternativen der Wissens- und Wissenschaftsvermittlung nachzudenken. Dies bedeutet für eine Teilnahme, dass die Abendvorträge dezidiert auf ein Nicht-Fachpublikum ausgerichtet sein sollen. Es geht also in der Vorbereitung um die Gratwanderung zwischen Wissenschaftlichkeit und Popularisierung, die eine besondere Herausforderung des forums ausmacht.

Mit einem kulturellen Rahmenprogramm mit Filmvorführungen, Konzerten und Party, das integraler Bestandteil unseres forums ist, wollen wir nicht nur einen Raum der Entspannung, sondern vor allem einen der Möglichkeiten von Kommunikation zwischen Fachwissenschaft und nicht-fachwissenschaftlichem Publikum schaffen.

 

Formalia

Für die Bewerbung senden Sie bitte sowohl ein Abstract für einen Abendvortrag (max. 5000 Zeichen) als auch für einen Diskussionsbeitrag für die internen Workshoprunden (max. 2500 Zeichen) ein. Die Beiträge für die Workshoprunden und die Abendvorträge können durchaus thematisch identisch seien, aber wir bitten darum, dass jeweils unterschiedliche Problemhorizonte avisiert werden. Beiträge und Bewerbungen ausländischer Interessenten sind ausdrücklich willkommen. Die Reise- und Übernachtungskosten werden bei Genehmigung der beantragten Förderung übernommen. Eine Publikation ist geplant, kann aber nicht zugesagt werden.

Bitte senden Sie die Bewerbungen und eine kurze Information zur Person per email bis zum 01.07.2008 an unten stehende Adressen.

 

Gunther Gebhard, Oliver Geisler, Steffen Schröter

 

mail@forumjungewissenschaft.de

www.forumjungewissenschaft.de

 

 

Von:  Oliver Geisler

Publiziert von: jd