Tagungsbericht d. int. Symposiums: "Metareferenz in den Künsten und Medien"
- Ort: Institut für Anglistik, Graz
- Beginn: 22.05.08
- Ende: 24.05.08
- Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
- Sprachen: Sprachenübergreifend
Metareference in the Arts and Media / Metareferenz in den Künsten und Medien – ein internationales Symposium, veranstaltet im Rahmen des Intermedialitätsprogramms der Karl-Franzens-Universität Graz
Der Begriff ‘Metareferenz’ bezeichnet jegliche Form medialer Selbstreferenz bei der ein Ebenensprung von einer ersten kognitiven oder kommunikativen zu einer höheren Ebene erfolgt, auf der Gedanken, Äußerungen und Elemente der ersten Ebene ihrerseits Objekt von Reflexion und Kommunikation werden. In der Literaturwissenschaft wird dieses Phänomen bereits seit längerem erforscht, jedoch sind die Bestrebungen, Metareferenz auch in anderen Medien und Künsten theoretisch zu erschließen, bislang spärlich geblieben. So kommt es, dass das Grazer Symposium “Metareference in the Arts and Media” nach Kassel (2005), Gießen (2005) und Edinburgh (2007) erst die vierte Veranstaltung ist, die sich explizit zum Ziel gesetzt hat, die Einseitigkeit der bisherigen ‘Meta-Forschung’ durch einen transmedialen Ansatz zu beheben und so zu einer adäquaten Erforschung von Metaphänomenen in den Künsten und Medien beizutragen. Hierzu hatten die Anglisten Werner Wolf und Walter Bernhart internationale Vortragende aus den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen für drei Tage nach Graz geladen. Gleichzeitig bildete die Tagung den Auftakt zum Forschungsprojekt “Metareference – A Transmedial Phenomenon”, das durch mehrere Dissertationsprojekte sowie eine weitere Konferenz (zur bemerkenswerten, in dieser Breite noch nie dagewesenen Vermehrung der Metaphänomene in der Postmoderne) über die nächsten drei Jahre fortgesetzt wird.
Eröffnet wurde das Symposium durch eine Reihe von Vorträgen, die allgemeinen theoretischen Aspekten von Metareferenz gewidmet waren. Werner WOLF (Graz) steckte zu Beginn noch einmal den Rahmen des Forschungsgebiets ab, verortete Metareferenz als Sonderfall von Selbstreferenz und schlug Parameter vor, mit denen sich das Phänomen näher differenzieren lässt. Mit den Fragen, ob Metareferenz werk- und/oder rezipientenbasiert sei und ob die Kategorien expliziter und impliziter Metareferenz deutlich voneinander geschieden werden können, sprach Wolf zugleich zwei Aspekte an, die in den folgenden Tagen noch ausgiebig diskutiert wurden. Der Kasseler Semiotiker Winfried NÖTH erläuterte anschließend seinen Begriff der ‘performativen Metareferenz’ und ging ausführlich auf die Spezifika der Sprache im Gegensatz zu den nonverbalen Medien ein. Irina RAJEWSKY (Berlin/Köln) analysierte Formen impliziter Metanarration, die das Prinzip narrativer Vermittlung in Frage stellen, und kritisierte die Praxis, narratologische Konzepte in andere Medien zu ‘exportieren’, ohne auf deren Besonderheiten zu achten. Wie ein angemessener ‘Export’ aussehen könnte, führte anschließend Sonja KLIMEK (Neuchâtel) anhand der Metalepse vor, die sie mit einer Reihe von Beispielen aus Literatur, Theater, Film und Malerei illustrierte. Andreas BÖHN (Karlsruhe) führte den Terminus des ‘Formzitats’ in die Diskussion ein und legte dar, unter welchen Umständen dieses in intra- und intermedialen Kontexten als Metareferenz gelten kann. Für eine Unterscheidung zwischen rationalen und emotionalen Komponenten von Metaphänomenen plädierte Hans Ulrich SEEBER (Stuttgart), der erörtete, wie die englische Literatur um 1900 mit einem metareferentiellen Impetus auf neue Medien wie Film oder Fotografie reagierte. Claus CLÜVER (Bloomington, IN) argumentierte, dass konkrete Poesie einerseits stets auf ihre eigenen Produktionsmittel verweist und andererseits auch auf andere Medien Bezug nehmen kann. Abgeschlossen wurde der erste Teil der Tagung durch Karin KUKKONEN (Mainz/Tampere), die mit Hilfe der Kategorien ‘Textworld’ und ‘Storyworld’ Formen versteckter Metareferenz im rezenten Comic Fables aufdeckte.
Sektion 2 der Konferenz befasste sich mit der intrikaten Frage nach Metareferenz in der Musik, deren Existenz die Vortragenden allesamt bejahten, wenn auch von unterschiedlichen Standpunkten aus. Tobias JANZ (Hamburg) legte dar, wie Beethovens “Prometheus-Variationen” ihre eigenen Entstehungsbedingungen reflektieren und von Ironie und Parodie Gebrauch machen. Anschließend betonte Hartmut MÖLLER (Rostock) die Wichtigkeit des Kontexts, um Metareferenz in der Musik als solche zu erkennen. Sein Konzept einer Art expliziter Metareferenz in der Musik sorgte für viel Diskussionsstoff, war diese Möglichkeit doch von Wolf und Nöth ausgeschlossen worden. Jörg-Peter MITTMANN (Detmold) kam auf das Zitat zurück und erläuterte anhand des Unterschieds zwischen ‘Gebrauch’ und ‘Erwähnung’ dessen metareferentielles Potential in der zeitgenössischen Musik: Nur im Fall von ‘Erwähnung’ kann man von Metareferenz sprechen. Von einer anderen Seite näherte sich Hermann DANUSER (Berlin) dem Thema, der Werktitel als ein vielseitiges Instrument identifizierte, um Metaisierungen in der Musik kenntlich zu machen. Mit der Oper befasste sich Harald FRICKE (Fribourg), der sein überarbeitetes Modell von ‘itération’ präsentierte, um die verschiedenen Spielformen von Metareferenz in der Oper (und anderswo) zu klassifizieren. Ähnlich wie Janz machte René MICHAELSEN (Köln) Ironie und Parodie als wesentliche Strategien von Metareferenz in der Musik aus, was er anhand von Robert Schumanns Instrumentalmusik im Kontext der literarischen Romantik illustrierte. Nachdem bislang die klassische Musik im Vordergrund gestanden hatte, bewiesen die folgenden beiden Sprecher, dass Metareferenz auch in der populären Musik ihren Platz hat. David Francis URROWS (Hong Kong) beleuchtete Andrew Lloyd Webbers teils affirmativen, teils kritischen Umgang mit der Musikgeschichte in seinem Musical The Phantom of the Opera und prägte hierfür unter anderem den Begriff der ‘destruktiven Hommage’. Schließlich setzte sich Martin BUTLER (Duisburg-Essen) mit Popmusik auseinander, insbesondere der politisch motivierten, und zeigte auf, inwiefern hier Text, Musik und Performance zu Metareferenz beitragen.
Metareferenz in den bildenden Künsten war das Thema der nächsten Sektion. Andreas MAHLER (München) stützte seine im transmedialen Vergleich anhand von Shakespeare, Magritte (“Ceci n'est pas une pipe”) und Ashbery entwickelten Überlegungen zur Metareferenz auf den Nachweis einer offenen Verweisfunktionalität des Deiktikums ‘this’. Mit dem Lyrik, Malerei, Theater und Film umfassenden Oeuvre von Vladimir Mayakowsky stellte Erika GREBER (Erlangen-Nürnberg) ein anschauliches Beispiel einer intermedialen Summierung von Metareferenzen bei ein und demselben Künstler des russischen Futurismus vor. In der Auseinandersetzung mit Thomas Struths fotografischem Zyklus ‘Museum Pictures’ verwiesen Katharina BANTLEON und Jasmin HASELSTEINER-SCHARNER (Graz) auf die historische Tradition des ‘Galerienbildes’ als inhärent metareferentielle Gattung der bildenden Kunst und betonten die Bedeutung des ‘Kunstraums’ als Referenzobjekt bildkünstlerischer Metaisierung.
Film und Fernsehen standen im Mittelpunkt des nächsten Teils der Konferenz. Jean-Marc LIMOGES (Québec) sprach über die unterschiedlichen Grade von Illusionsdurchbrechung, die sich im Film durch Kriterien wie Zufälligkeit oder diegetische Motivierung ergeben. Mit der Frage, welche Möglichkeiten es gibt, aus einem Metadrama einen Metafilm zu machen, befasste sich Janine HAUTHAL (Wuppertal), wobei sie zwischen transgenerischen und medienspezifischen Transformationsprozessen unterschied. Film und Roman standen im Mittelpunkt von Barbara PFEIFERS (Wien) Beitrag, die Marc Forsters Stranger Than Fiction als Beispiel eines neuen, intermedialen Typus des Metafilms verstand. Joan K. BLEICHER (Hamburg) legte zum Abschluss eine Übersicht über die Geschichte von Metareferenz im deutschen Fernsehen vor. Besondere Beachtung schenkte sie hierbei der Tatsache, dass Metaphänomene oftmals nicht als solche vom Publikum erkannt werden.
Die letzten beiden Sektionen waren jenen Medien gewidmet, die anderswo noch nicht thematisiert wurden. Fani PARAFOROU (München) sprach von ‘performativer Metarepresentation’ in Bezug auf ein Video von Eve Sussman, das sowohl auf Velázques “Las Meninas” sowie auf Foucaults Lesart dieses Bildes referiert. Die Beziehungen zwischen Lyrik und Malerei im Werk William Carlos Williams’ behandelte Daniella JANCSÓ (München), die darlegte, wie Williams den Kontrast zur Malerei gleichzeitig zur Erhöhung und Selbstkritik der Dichtung benutzt. Am Beispiel der ‘Jacobean Masque’ erörterten Ingrid PFANDL-BUCHEGGER und Gudrun ROTTENSTEINER (Graz) Metareferentialität im Tanz, die sich in der ‘Anti-Masque’ primär als gezielte Normbrüche und Abweichungen von systemischen Konventionen manifestiert. In ihrem Beitrag zu Formen und Funktionen von Metareferenz in Werken der Audioliteratur machte Doris MADER (Graz) anschaulich, wie Radiokunst als intermediales Komposit¬medium metareferentiell seine eigene Entwicklung als Genre thematisiert bzw. auf seine spezifischen technischen Voraussetzungen und Bedingungen verweist. Henry KEAZOR (Frankfurt) beschäftigte sich mit Meta-Architektur, wobei er den offenen, ironischen Metareferenzen der amerikanischen Postmodernisten die versteckten, subtileren des Franzosen Jean Nouvel entgegenstellte. Abschließend redete Fotis JANNIDIS (Darmstadt) über Computerspiele, die, wie er argumentierte, von versteckten Botschaften über Spiele im Spiel bis hin zu impliziter Selbstkritik auf vielfätlige Weise Metaisierungen erfahren können.
In der Abschlussdiskussion bemühte sich Werner Wolf noch einmal, ein gemeinsames Konzept und eine einheitliche Typologie für Metareferenz aus allen Vorträgen herauszuarbeiten. Kritisch diskutiert wurde hier unter anderem die Frage, ob Metareferenz stets ein ‘mediales Bewusstsein’ beim Rezipienten hervorruft und ob man statt von ‘Bewusstsein’ nicht besser von ‘Fokussierung’ sprechen sollte. Es wurde daran erinnert, die Vielfalt der Effekte und Funktionen, die Metareferenz bewirken oder hervorrufen kann, nicht zu unterschätzen. Mit einem Ausblick auf das Thema der nächsten Konferenz, die den erklärungsbedürftigen ‘metareferential turn’ der Postmoderne ins Auge fassen wird, endete die Diskussion.
Insgesamt kann die Tagung als voller Erfolg gewertet werden. Die Vorträge und Diskussionen waren durchgängig lebhaft und auf hohem Niveau, und die Möglichkeit, über den eigenen fachlichen Tellerrand zu schauen, erwies sich als äußerst fruchtbar. Eine Publikation der Konferenzbeiträge ist für Sommer 2009 geplant (Werner Wolf, Hrsg. Metareference in the Arts and Media: Theory and Case Studies. Amsterdam/New York: Rodopi), die Folge-Konferenz (“Metareference in the Arts and Media: Forms and Functions in Contemporary Culture”) für 1.–3. Oktober 2009 ebenfalls in Graz.
Publiziert von: Kai Nonnenmacher