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03.04.2011

CfP: Repenser le conflit / Den Konflikt überdenken. Dossier thématique / Themenheft trajectoires

  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Französisch, Sprachenübergreifend
  • Frist: 27.04.11

trajectoires. Revue électronique des jeunes chercheurs du Centre Interdisciplinaire d’Etudes et de Recherches sur l’Allemagne (CIERA)

 

"Conflict is the gadfly of thought. It stirs us to observation and memory. It instigates invention. It shocks us out of sheep-like passivity, and sets us at noting and contriving… conflict is a sine qua non of reflection and ingenuity." John Dewey

 

Steht der Konflikt heute – nach einer kurzzeitigen Ausklammerung während der letzten zwanzig Jahre – wieder im Brennpunkt des Interesses in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Debatten? In den 1960er Jahren war der Konflikt dort allgegenwärtig. Eng mit Konzepten wie „Klassenkampf“, „Mikromacht“, „Kräftefeld“ verbunden, wurde er insbesondere in seiner politischen und sozialen Dimension behandelt. Der Blick verschob sich in den 1980er Jahren, der letzten Phase des Kalten Krieges, von sozialen und politischen Antagonismen auf kulturelle Ausprägungen, auf juristische Normen, ethische Imperative und kognitive Prozesse. Neue Thematiken wie Métissage, Hybridität, Netzwerk, Kommunikation, Mediation etc. haben den Konflikt seitdem in den Hintergrund gerückt. Zahlreiche Konfliktlagen (Attentate des 11. September, Aufstände in den französischen Vorstädten, Polemiken im Zuge der Sozialreformen, Bürgerrechtsinitiativen wie Stuttgart 21, Revolten in Nordafrika etc.) zwingen die Geistes- und Sozialwissenschaftler jedoch heute wieder, soziale und politische Konflikte neu zu reflektieren.

 

Zu allererst drängt sich die Frage auf, warum der Konflikt als Thematik und analytischer Zugang phasenweise die Geistes- und Sozialwissenschaften beschäftigt, während er zwischenzeitlich von ihnen völlig ausgeklammert wird?

 

Allgemein können Konflikte auf unterschiedlichen Ebenen untersucht werden:

 

1. Auf einer makrosozialen Ebene, ob es sich nun um einen inner- oder zwischenstaatlichen Konflikt handelt, um einen Konflikt zwischen Gruppen, Kulturen, zwischen Funktionsträgern oder Strukturen einer Gesellschaft, oder um einen Konflikt zwischen dem Menschen und seiner Umwelt. Soziale Bewegungen sind geprägt von Verhandlungsprozessen und Konflikthaftigkeiten, deren Analyse es uns erlaubt, die Struktur und Logik von Konflikten zu erfassen.

 

2. Auf mikroszialer und intersubjektiver Ebene, sei es nun ein familiärer Konflikt oder ein Konflikt zwischen Gemeinschaften, zwischen Subkulturen oder aber ein Konflikt zwischen dem situativen Interaktionskontext und widersprüchlichen Normen, oder aber ein zwischenmenschlicher Konflikt zwischen Freunden, Liebhabern oder Fremden. Die Widerständigkeit eines Menschen im Kontext eines Konfliktes zu untersuchen kann uns helfen zu verstehen, wie ein Konflikt den Menschen prägt, beeinflusst und strukturiert. Gleichzeitig kann damit auch ergründet werden, wie das Individuum sich innerhalb des Konfliktes bewegt, den Konflikt mitgestaltet und dabei auch selbst konditioniert.

 

3. Auf subjektiver oder innerer Ebene, z.B. ein Konflikt zwischen widersprüchlichen Rollen, die ein Individuum innehat oder einzunehmen gezwungen ist; zwischen unterschiedlichen Funktionen, die es in einer Gruppe oder Gesellschaft einnimmt; zwischen seinen persönlichen Fähigkeiten und objektiven Möglichkeiten, die sich ihm anbieten, oder ein Konflikt zwischen unbewussten Wünschen und gesellschaftlichen Normen. Neben der Psychologie, der Psychoanalyse und der Mikrosoziologie, bieten die Literatur, das Theater, das Kino aber auch die Musik zahlreiche Beispiele für Ausgestaltungen und Lösungen von Konflikten dieser Art. Beiträge dieser Art sind besonders willkommen.

 

Mit diesen drei Analyseebenen beschäftigen sich sowohl die Soziologie als auch die Psychologie, Philosophie, Anthropologie, Ökonomie, Geographie, Politik- und Geschichtswissenschaft.

 

Verbindend zwischen diesen verschiedenen Untersuchungsebenen wirken grundlegende Fragen zu Zeitlichkeit und Modalität von Konflikten, von denen wir hier nur einige aufwerfen möchten: Wann beginnt ein Konflikt? Wie erkennen wir ihn, wenn er zum ersten Mal auftaucht? Wie einigen wir uns über die Definition eines Konfliktes innerhalb einer Konfliktsituation? Wie gehen die Betroffenen bzw. wir als Wissenschaftler/innen an einen Konflikt heran? Wie wird um einen Konflikt mobil gemacht? Wie entspannt oder löst er sich? Was geschieht mit dem Staat, der Gruppe oder dem Individuum nach dem Sturm? Was ändert sich in einer „normalen“ Evaluierung einer Situation? Was hat der Konflikt bei den involvierten Akteur/inn/en und ihrer Identität verändert?

 

Die einzelnen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen teilen nicht nur eine Reihe von Fragestellungen zur Bandbreite und Konfiguration von Konflikten, sie widmen sich auch ähnlichen inhaltlichen Fragen: In welchem Verhältnis stehen Konflikt und Gewalt zueinander? Kann sich ein Konflikt „höflich“ abspielen? Inwiefern tragen Verhandlungem, die zur Konfliktlösung betrieben werden, zur Verschärfung der Konflikte bei? Wie verhält sich der Konflikt zu Ordnung, Gehorsam, Autorität und zu Herrschaft, symbolischer oder realer Natur? Zeugt Konflikthaftigkeit von Antikonformismus, von Verweigerung der Spielregeln, oder ist er im Gegenteil der angepasste Ausdruck einer Konformität in Bezug auf soziale Regeln?

 

Der interdisziplinären Ausrichtung der Zeitschrift entsprechend, richtet sich dieses Call for papers an Nachwuchswissenschaftler/innen aus den Bereichen der Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Anthropologie, Ethnologie, Geographie, Literaturwissenschaft, Philosophie, Soziologie, Musikwissenschaft, Linguistik, Politikwissenschaft, Psychologie, Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft etc., deren Arbeitsgebiet unmittelbar oder komparatistisch die deutsch- und/oder französischsprachige Welt ist.

 

Vorschläge für einen Beitrag sind in Form eines einseitigen Abstracts (3000 Zeichen) bis zum 27.04.2011 einzureichen.

 

Kontakt:

Elissa Mailänder

DAAD Fachlektorin an der EHESS/

Coordinatrice du programme d'encadrement doctoral

CIERA

28, rue Serpente

Maison de la Recherche

75006 Paris - France

mailaender@ciera.fr

URL: www.ciera.fr/ciera/spip.php

Von:  Elissa Mailänder via HSozukult

Publiziert von: Christof Schöch