Artikelausschreibung: "Postkolonial": deutsch-französische Perspektiven
- Ende: 08.03.10
- Disziplinen: Medien-/Kulturwissenschaft
- Sprachen: Französisch
Während postkoloniale Fragestellungen in der angelsächsischen Forschung bereits seit längerem von Bedeutung sind, wurden diese in Deutschland und Frankreich mit zeitlicher Verzögerung aufgenommen. Angesichts des weitgehenden Fehlens vergleichender Arbeiten zum Postkolonialen soll eine deutsch-französische Annäherung an das Thema im Mittelpunkt des nächsten trajectoires-Dossiers stehen. Dabei geht es vor allem um die Untersuchung der in höchstem Maße uneinheitlichen Perspektiven, die der nicht nur auf einen neuen Forschungsgegenstand, sondern auch auf neue Methoden und Theorien verweisende Begriff eröffnet.
Das postkoloniale Paradigma scheint insbesondere zwischen eher empirisch ausgerichteten Ansätzen und tiefgreifenden Theoriedebatten zu changieren, was Wissenschaftler bisweilen dazu veranlasst, zwischen dem „Post-kolonialen“ als Forschungsgegenstand im Sinne einer Analyse der für die Zeit nach der kolonialen Phase kennzeichnenden Dynamiken einerseits und dem „Postkolonialen“ als Überwindung eines okzidentalen bzw. eurozentrierten Weltbildes andererseits zu unterscheiden. Worin bestehen Möglichkeiten und Grenzen der Verbindung beider Ansätze? Die deutsch-französische Ausrichtung von trajectoires soll es ermöglichen, die koloniale Vergangenheit Deutschlands und Frankreichs sowie die – jeweils höchst unterschiedlichen – Diskurse über diese in neuem Licht zu betrachten.
Was theoretische Aspekte betrifft, so kursieren in den Postcolonial Studies heutzutage zahlreiche Begriffe wie etwa „Alterität“, „Hybridität“, „Fragmentierung“, „Deterritorialisierung“, „Zwischen“- und „Grenzräume“ usw., deren Innovations- und Produktivitätspotential einen möglichen Untersuchungsgegenstand darstellt. Die Begrifflichkeiten, die in zahlreichen Studien stets erneut aufgenommen, übersetzt und kritisiert werden, sind in der deutschen und französischen Forschung unterschiedlich besetzt. Welcher Stellenwert des Post(-)kolonialen lässt sich daraus im Hinblick auf die Neuausrichtung von Disziplinen und Wissensformationen ableiten?
Aus methodologischer Sicht stellt sich die Frage, inwiefern das Postkoloniale – als Gegenstand sowie als theoretischer Ansatz – zur Konstitution neuer Forschungsfelder oder etwa zur Herausbildung eines neuen literarischen Kanons und neuer Textkorpora geführt hat. Welche Fragen wirft das postkoloniale Paradigma bezüglich methodischer Aspekte und im Hinblick auf die Definition eines Forschungsgegenstands auf? Ermöglicht es neue Perspektiven auf das Problem der Übersetzung der Sprache des Anderen? Eröffnet es einen anderen Blick auf die zwischen Fremdem und Eigenem sowie nach innen und außen verlaufende Generierung von Wissen? Die Begründung der Positionierungen, die mit Problemen dieser Art einhergehen, und die Frage nach der Anwendbarkeit postkolonialer Theorien verdienen besondere Aufmerksamkeit.
Der interdisziplinären Ausrichtung der Zeitschrift entsprechend, richtet sich dieser Call for papers an Nachwuchswissenschaftler aus den Bereichen der Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Anthropologie, Ethnologie, Geographie, Literaturwissenschaft, Philosophie, Soziologie, Musikwissenschaft, Linguistik, Politikwissenschaft, Psychologie, Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft etc. Einsendeschluss für Artikelvorschläge (3000 Zeichen) ist der 8. März 2010.
Kontaktadresse: mailaender@ciera.fr
Der Call for papers richtet sich in erster Linie an die Mitglieder des CIERA (kostenlose Einschreibung unter www.ciera.fr), deren Arbeitsgebiet unmittelbar oder komparatistisch die deutsch- und/oder französischsprachige Welt ist.
Koordination:
Marc Berdet, Ségolène Débarre, Patrick Farges, Peter Krilles, Christophe Quéva.
Publiziert von: Kai Nonnenmacher