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27.02.2010

CfA: "Renaissancen", Archiv für Mediengeschichte 2010

  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Sprachenübergreifend
  • Frist: 09.04.10

Archiv für Mediengeschichte Lorenz Engell, Bernhard Siegert (beide Weimar), Joseph Vogl (Berlin)

 

„RENAISSANCEN“

 

Die 10. Ausgabe des Archivs für Mediengeschichte wird dem Thema der „Renaissancen“ gewidmet sein. Der Plural im Titel deutet an, dass es um eine doppelte Themenstellung geht: zum einen um DIE Renaissance und ihre Medien, zum anderen aber um die Renaissance als eine eigentümliche und wiederkehrende Denkfigur des Geschichtlichen, die eine eigene Historizität besitzt.

 

Mit Renaissance ist also zum einen eine Zäsur gemeint, die mediale und wissenschaftliche Innovationen seit ca. 1400 setzten, zugleich aber auch die Erfindung einer Gegenwart, die von sich annimmt, dass sie nicht sie selbst ist, sondern die Wiederkehr einer Vergangenheit unter veränderten Bedingungen. Die Frage, auf die sich die 10. Ausgabe des Archivs für Mediengeschichte eine Antwort erhofft, ist, inwiefern ein Zusammenhang zwischen den Medien der Renaissance, der Renaissance als Denkfigur des Historischen und schließlich der denkbaren Figur einer Renaissance der Medien selbst besteht.

 

Diese mehrfache Fragestellung soll den Blick zunächst auf die Medien und Kulturtechniken der Renaissance im Sinne des Speicherns, Übertragens und Verarbeitens von Daten lenken. Hierbei interessieren medienhistorische Überlegungen zum Fresko, zum Bronzeguss oder zur Leinwand ebenso wie zu den Techniken des Entwurfs und seiner Übertragung vom Papier auf das Mauerwerk.

 

Auf keinen Fall kann dabei der Begriff "Renaissance" allein auf die italienische Renaissance eingeschränkt werden. Die burgundisch-flämische Renaissance und ihre Medien spielt eine mindestens gleichberechtigte Rolle. Wenn die italienische Renaissance gewöhnlich mit der Zentralperspektive zusammen gebracht wird (was eine problematische Vereinfachung darstellt), dann stehen die flämischen Meister für die Entdeckung der Farbe und des Glanzes.

 

Die medienhistorische Ausrichtung schließt zwei weitere Fragestellungen ein. Das betrifft einerseits die Verkehrsmedien des 15. und 16. Jahrhunderts: Was waren die Bedingungen, dass das, was unter den lokalen Voraussetzungen von Mäzenatentum, Prestige, Religiosität, Wissenschaft usw. entstand, sich überregional vernetzen konnte? Knotenpunkte wie europaweit operierende Verlage, z. B. der Verlag Aux Quatre Vents des Hieronymus Cock in Antwerpen und die Rolle, die der Kupferstich als Übertragungsmedium spielte, sollen dabei ebenso berücksichtigt werden, wie die Bedeutung von Handelszentren international operierender Kompanien. Anknüpfend an Walter Mignolos The Darker side of the Renaissance erhoffen die Herausgeber überdies Vorschläge, die die kolonialistische „Kehrseite“ der italienischen Renaissance thematisieren, verbunden mit der Frage, ob dieser Aspekt der Renaissance anstelle einer postkolonialistischen nicht auch einer medientheoretischen Betrachtungsweise zugänglich wäre.

 

Keinesfalls lässt sich die medienkulturelle "Renaissance" auf den Bereich der Kunst beschränken. Es ist vielmehr verstärkt danach zu fragen, wie und über welche institutionellen und professionellen Milieus und mithilfe welcher Kulturtechniken die verschiedenen Renaissancen einander ergänzen oder sich miteinander verschränken: die Renaissance der Malerei und der Architektur mit den Renaissancen der Ökonomie, der Wissensmedien, der Kriegskunst, der Macht- und Regierungstechniken sowie der Wissenschaften.

 

Medien der Renaissance sind aber schließlich nicht nur die Medien der res gestae, sondern auch die Medien der res narratae. Die Frage ist also zum einen, welche Geschichtsmedien und welche historiographischen Konzepte aus der Renaissance überhaupt die Renaissance gemacht haben. Zum anderen hat die Renaissance das Spiel von Wiederholung und Differenz zu einem Interpretament der Geschichte selbst gewendet und die Frage nach den Renaissancen der Renaissance gestellt: von den Wiedergeburten der Antike im Klassizismus über den „Renaissancismus“ des späten 19. Jahrhunderts bis hin zu einer gegenwärtigen Wissenschafts- und Mediengeschichte, deren Leitbegriffe sich in Abhängigkeit von den Experimentalkulturen der frühen Neuzeit definieren. Und schließlich: wie ließe sich die historische Denkfigur der Renaissance auf die Gegenwart der Medien anwenden? Als Wiedergeburt von welcher Vergangenheit lassen sich die sogenannten „Neuen Medien“ denken? Was wäre eine „Renaissance der Medien“?

 

Beiträge zu diesen und weiteren Aspekten des Themas sind höchst willkommen. Herausgeber und Redaktion bitten zunächst um Textvorschläge (bis zu 2000 Zeichen), die das Archiv für Mediengeschichte – Gregor Kanitz, Bauhaus-Universität Weimar, IKKM, 99421 Weimar, gregor.kanitz@uni-weimar.de bis zum 9. April 2010 erreichen sollten. Ausgearbeitete Beiträge werden bis zum 20. August 2010 im Umfang von höchstens 30.000 Zeichen erbeten.

 

Ein ursprünglich geplanter Workshop zum Thema muss aus organisatorischen Gründen leider entfallen.

 

Kontakt:

Gregor Kanitz

Bauhaus-Universität Weimar, IKKM, 99421 Weimar

gregor.kanitz@uni-weimar.de

Von:  Gregor Kanitz

Publiziert von: Kai Nonnenmacher