CfP: Authentizität / Wiederholung: Künstlerische und kulturelle Manifestationen eines Paradoxes
- Ort: Berlin (FU)
- Beginn: 02.12.10
- Ende: 04.12.10
- Disziplinen: Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
- Sprachen: Sprachenübergreifend
- Frist: 25.07.09
Der in der Diskussion um die so genannte Postmoderne in Misskredit geratene Begriff der Authentizität erlebt seit einiger Zeit erneute Aufmerksamkeit. Die Sehnsucht nach unmittelbaren und einzigartigen Erfahrungen wird umso stärker, je mehr die wahrhaftige Repräsentation des Wirklichen durch digitale Medien bezweifelt wird. Wiederholung wiederum galt in seinen verschiedenen Varianten als einer der gefeierten Schlüsselbegriffe in der postmodernen Debatte. Aneignungen, Kopien und ‚Fakes‘ ersetzten die fortwährende Suche nach Einzigartigkeit und erklärten sie zur Illusion. Authentizität und Wiederholung erscheinen also zunächst als unvereinbare Begriffe. Das Authentische impliziert Wahrhaftigkeit, Originalität, Einmaligkeit und Echtheit. Wiederholung dagegen wird gerade mit dem Verlust eben dieser Eigenschaften verbunden. Die Tagung nähert sich in zwei Schritten diesem Paradox von Authentizität und Wiederholung.
Als erstes soll strukturell an das Problem von Authentizität und Wiederholung herangegangen werden, wie es sich in unterschiedlicher Weise in den Künsten zeigt. In den aufführenden Künsten ist Authentizität oft an den ‚live’-Charakter der jeweiligen Veranstaltung gebunden. Aber wie authentisch wird der Ausdruck der Schauspieler oder Musiker nach wiederholter Aufführung noch vermittelt? Kann Authentizität bei wiederholten Präsentations- und Rezeptionsakten noch gewährleistet sein? Welchen Einfluss haben unterschiedliche Aufführungskontexte und Übertragungsmedien auf die Authentizität des Erlebten? Die Diskussion um Authentizität und Wiederholung in den bildenden Künsten zeigt sich beispielsweise an Fragen der Autorschaft und Urheberschaft. Welche Rolle spielt heute noch die Original/Reproduktionsdebatte? Wie hat die Aneignungskunst die Diskussion um Authentizität und Wiederholung verändert? Besonderes Interesse gilt dabei den fotografischen Medien. Diese haben durch ihre scheinbare Transparenz einen vermeintlich stärkeren Bezug zur Realität als andere Medien. Zwar wurde dieser ‚Realitätseffekt’ (Barthes) und die Faktizität des fotografischen Bildes durch die vielfältigen Möglichkeiten der Bildmanipulation, insbesondere durch technologische Innovation, längst in Frage gestellt; doch bleibt immer noch stärker als in anderen Medien der Eindruck des ‚Dagewesenen’ in den fotografischen Medien bestehen. Welche Mittel und Strategien verwenden Fotografen und Filmemacher, um beim Betrachter ein Gefühl von Authentizität hervorzurufen? Warum und von wem wird etwas als echt aufgefasst?
Im zweiten Teil wird sich die Tagung intensiv mit Aufführungen von Geschichte auseinandersetzen. In aktuellen künstlerischen, filmischen und soziokulturellen Praktiken, die geschichtliche Ereignisse aufführen oder nachstellen, kreuzen sich die Begriffe von Authentizität und Wiederholung. Die Wiederholung geht hier oft mit einer Sehnsucht nach authentischer Erfahrung einher. Der zweite Teil der Tagung liegt daher auf der Untersuchung unterschiedlicher Formen dieser Authentizität-suchenden Aufführung von Geschichte: ‚live’-Praktiken des Reenactment und der Living History (‚gelebte Geschichte’) sollen ebenso auf ihre Erzeugung von Authentizität hin beleuchtet werden wie Nachstellungen historischer Ereignisse in Dokumentarfilm und –fotografie.
Im populärkulturellen Reenactment wird ein spezifisches historisches Ereignis akribisch rekonstruiert, die Beteiligten streben dabei nach größtmöglicher Authentizität in der Darstellung des Gewesenen. In den letzten Jahren treten vermehrt auch künstlerische Formen des Reenactment auf. Hier werden meist jüngere historische Ereignisse auf ihre Bedeutung für die Gegenwart hin befragt und vom Betrachter in der Position des Zeugen erlebt. Während aber populärkulturelle Reenactments lediglich als affirmativ betriebene Freizeitaktivitäten belächelt werden, wird ihrer künstlerischen Variante oft ein kritischer Impetus unterstellt. Dieser vermeintliche Gegensatz ist auf seine Richtigkeit hin zu prüfen: Welche Potentiale bieten populärkulturelle Wiederaufführungen historischer Ereignisse und worin bestehen die Grenzen künstlerischer Reenactments? Welche Rolle spielt Authentizität in beiden Praktiken? Was für ein ‚Ausschnitt’ von Geschichte wird jeweils gewählt und welche Funktion erfüllt seine Aufführung?
Die interdisziplinäre Tagung richtet sich an Wissenschaftler der Fächer Kunstgeschichte, Kultur-, Literatur-, Theater-, Musik-, Medien-, und Filmwissenschaft, Geschichte, Soziologie, Philosophie, Anthropologie und Ethnologie. Vortragsdauer: 25-30 Minuten. Eine Auswahl der Beiträge soll im Anschluss an die Tagung in einer Publikation versammelt werden.
Vorschläge in Form eines Abstracts (max. 300 Wörter) können zusammen mit einer Kurzbiographie und Kontaktdaten bis zum 25. Juli 2010 eingereicht werden.
Konzeption: Dr. Uta Daur
Organisation und Durchführung: Dr. Uta Daur, Dr. Dietmar Kammerer
Kontakt:
Internationales Graduiertenkolleg „InterArt“
Freie Universität Berlin
Institut für Theaterwissenschaft
Grunewaldstraße 34
12165 Berlin
interart@zedat.fu-berlin.de
www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/v/interart
Publiziert von: Kai Nonnenmacher