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18.03.2012

CfP: Diesseits des Virtuellen. Handschriften im 20. und 21. Jahrhundert

  • Ort: Tübingen
  • Beginn: 05.10.12
  • Ende: 07.10.12
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft, Weitere Teilbereiche
  • Sprachen: Sprachenübergreifend
  • Frist: 15.04.12

In der literatur- und medienwissenschaftlichen Forschung ist die Veränderung der 'selbstverständlichen' Schreibmedien unter den Stichworten der Digitalisierung, der Virtualisierung oder des Schreibmaschinen- bzw. Computerzeitalters bereits genauer untersucht worden. Warum es aber immer noch üblich ist, etwa eine Signatur handschriftlich zu leisten, bleibt in solchen 'Genealogien des Schreibens' meist ungeklärt. Welche Rolle also spielt Handschrift im digitalen Zeitalter? Was passiert mit Medien, wenn sie nicht mehr Leitmedien sind?

 

Antworten zur neuen kulturellen Bedeutung der Handschrift im 20. und 21. Jahrhundert möchte unsere Tagung suchen, die vom 05. bis 07. Oktober 2012 im Rahmen der Tübinger Graduiertenakademie im Forum Scientiarum der Universität Tübingen stattfindet.

 

Die Vermutung ist dabei, dass die Handschrift, entlastet von einem Gebrauch als fragloser alltäglicher Nutzanwendung, eine mehrdimensionale Aufwertung erfährt. Indem sie sich der Einförmigkeit maschinenschriftlicher Buchstaben widersetzt, macht sie über die bloße Aussage des Geschriebenen hinaus die Materialität des Mediums und den Akt des Schreibens wieder sichtbar. Während etwa Computerschrift den Schreibakt unsichtbar hält, ist es das Versprechen der Handschrift, nicht bloß das Resultat darzubieten, sondern den Schreibakt mitzurepräsentieren. In diesem Sinne ‚de-virtualisiert‘ die Handschrift das Medium und mithin die Bedeutungsgebung.

 

Dazu zählen produktiv Verwendungszusammenhänge, in denen Authentifizierungen‘geleistet werden sollen (z.B. Unterschrift, Liebesbriefe) und Tiefenhermeneutik der indexikalischen Zeichen betrieben werden soll (z.B. graphologische Untersuchungen handgeschriebener Lebensläufe) oder auf einen ästhetischen Mehrwert (z.B. bei Kalligraphie, Tätowierung) gezielt wird. Komplementär gehören dazu auch Anpassungsstrategien des Handschreibens, die diese Rezeptionserwartungen bereits antizipieren (z.B. Einsatz von Handschrift in der Werbung). Kompensatorisch begegnet das Arrangement des Schreibens mit der Hand als ‚Wiedereintritt‘ in digitale Medien, um Unmittelbarkeit zu erzeugen (z.B. als ‚Desktop‘ auf dem Computerbildschirm oder in Gestalt von ‚Mausgesten‘ oder eines ‚Stilus‘ zur Bedienung von Touch-Screens, Palms oder Tablets). Gemeinsam ist diesen Verwendungskontexten der Handschrift die Vorstellung einer wechselseitigen Durchdringung der Körperlichkeit des Schreibenden und der Materialität des Geschriebenen.

 

Veranstalter: Urs Büttner; Mario Gotterbarm; Frederik Schneeweis; Marc Seiffarth; Stefanie Schuh, Forum Scientiarum der Eberhard Karls Universität Tübingen.

 

Drei Sektionen sollen das Programm der Tagung gliedern:

 

"Schreiben" nimmt den körperlichen Akt als prozesshaftes und performatives Geschehen der Literaturproduktion in den Blick. Mögliche Themen wären hier:

- das je spezifische Arrangement der 'Schreibszene',

- handschriftliches Schreiben und Kreativität,

- die ethische Relevanz der Handschrift (etwa als Form der (Selbst-)Erziehung durch Körperbeherrschung),

- handschriftliches Schreiben als bewusste Protesthaltung bzw. Verweigerung.

 

"Schrift" widmet sich dem literarischen Produkt und sich daran anknüpfenden Vorstellungen von Sinnpräsenz. Als Themen wären denkbar:

- die Dialektik der Handschrift als 'Abdruck' (Buchstaben, konventionalisiertes Zeichensystem, Inhalt bzw. Botschaft) und 'Spur' (individueller Ausdruck, Persönlichkeit, Form),

- Handschrift und ihr Verhältnis zum Projekt einer ästhetischen 'Wiederverzauberung der Welt' unter den Stichworten Materialität, Präsenz, Performanz, Sakralisierung .

 

"Beschreibungen" will das Phänomen in einen weiteren Kontext von Populärkultur und Musealisierung stellen. Es könnten in den Blick genommen werden:

- Handschrift als Beglaubigungspraxis qua Ausweis von Organizität und Authentizität (Unterschrift, intuitive Bedienbarkeit technischer Geräte),

- Handschrift und die Inszenierung von (Marken-)Identitäten ("Dafür stehe ich mit meinem Namen"),

- Handschrift als Praxis der Identitätspolitik, der Selbst-Beschreibung (Tätowierung, Kalligraphie, Körperperformances),

- Handschrift und ihre Aufarbeitung im museal-archivarischen Kontext.

 

Die Kosten für Reise und Übernachtung können übernommen werden. Eine Publikation der Beiträge ist geplant. Wir bitten um Bewerbungen in Form von kurzen Exposés (max. 1 Seite) und CV bis zum 15.04.2012 an an Urs Büttner, Mario Gotterbarm, Frederik Schneeweis, Marc Seiffarth, Stefanie Schuh unter handschrift2012@gmail.com.

 

Kontakt:

Urs Büttner

Deutsches Seminar

Wilhelmstrasse 52

72074 Tübingen

handschrift2012@gmail.com

Von:  Urs Büttner via Hsozkult

Publiziert von: cs