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05.07.2012

CfP: Forschungsatelier "Evaluation interkultureller Erfahrungen"

  • Ort: Dortmund
  • Beginn: 10.09.12
  • Ende: 14.09.12
  • Disziplinen: Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Französisch, Sprachenübergreifend
  • Frist: 15.07.12

Angesichts der Fülle von interkulturellen Untersuchungsfeldern und –methoden konzentriert sich die Veranstaltung auf ein eingegrenztes Thema : die Bedeutung subjektiver Erfahrungen für interkulturelles Verständnis sowie die Möglichkeiten der Evaluierung. Einerseits stellt für die Betroffenen die subjektive Dimension interkultureller Begegnungen häufig das Prägendste dar. Andererseits lassen sich subjektive Erfahrungen nach den Kriterien einer auf Evidenz basierten Forschung nicht verallgemeinern : Was subjektiv ist, lässt sich von Dritten gerade nicht aussagen. Es gibt aktuelle Strömungen in der Wissenschaftstheorie, die deshalb diese Art von Erfahrungswissen nicht mehr als Wissen akzeptieren und nur noch evidenzbasiertes Wissen gelten lassen wollen. Demgegenüber soll anlässlich des Forschungsateliers das lebenslänglich notwendige Sich-Rechenschaft-ablegen über Erlebtes als unentbehrlicher Aspekt der „Evaluation“ neu begründet werden.

 

Es ist das Verdienst einer Forschungsgruppe des Europarats um Michael Byram, sich schon in den 90-er Jahren des vorigen Jahrhunderts diesem szientistischen Monopolanspruch entgegengestellt zu haben. Die Originalität ihrer viel zu wenig bekannten Autobiographie interkultureller Begegnungen1 beruht darauf, dass die Nutzer die Möglichkeit erhalten, sich anhand eines Fragenkatalogs der Verankerung interkultureller Erfahrungen im leiblichen Spüren, den Gefühlen und Stimmungen zu nähern, um sie so rechenschaftsfähig zu machen.

 

Es ist aber nicht bei diesem praktischen Vorstoß geblieben. Inzwischen liegen auch gewichtige wissenschaftstheoretische Argumente vor, die für eine „Rehabilitierung der Lebenserfahrung“2 sprechen. Dabei erweisen sich leibliches Spüren und Emotionen als die durchgängige anthropologische Bezugsebene zum Verständnis menschlicher – also auch interkultureller – Begegnungen. Leibliche Regungen, Gefühle und Stimmungen werden nicht in etwas anderes aufgelöst, etwa in Konsequenzen von Stimuli und neuronalen Prozessen. Sie werden vielmehr als leibliche (nicht körperliche !) Phänomene verständlich, die über das affektive Betroffensein das personale Leben mit der Subjektivität versorgen, die mein Erleben und Erleiden als unmittelbar meine Erfahrung ausweisen : Schreck, Angst, Schmerz, Wollust, Ekel, Frische, Müdigkeit und alle Weisen affektiven Betroffenseins von Gefühlen. Dies ist der Stoff, aus dem interkulturelle Erfahrungen – positive wie negative – gemacht sind. Sie strapazieren meine Fassung weit mehr als mein intellektuelles Fassungsvermögen. Sie verleihen mir Flügel, sie bringen mich ins Schleudern oder sie lassen mich kalt, – alles Modalitäten meines Gefühlslebens.

 

Diese Ebene nicht zu neutralisieren, ist das Unterscheidungsmerkmal zwischen interkultureller Kompetenz und transkultureller (cross culture) Kompetenz. Interkulturelles Verstehen ist das Vermögen, verstehend einige Sachverhalte, Programme und Probleme von der diffusen, aber hintergründig bedeutsamen Situation behutsam abzuheben. Das Erspüren der jeweiligen Situation, insbesondere die in sie eingewobenen Gefühlsatmosphären, beruht auf leiblicher Resonanz und daran anschließend einer differenzierten fremdsprachlichen Kompetenz. Das positive Wissen wird ergänzt durch „implizites“, situatives Wissen. Transkulturelles Bescheidwissen hingegen liegt vor, wenn man mit analytischer Intelligenz distanziert die Situationen in den Griff nimmt, um relevante Gesichtspunkte für die Planung zu gewinnen, sie zu Konstellationen und diese zu Netzen zu verbinden und alles Weitere fortzuwerfen ; die Vernetzung ist ein intellektuelles Verfahren, das in jeder beliebigen Sprache ablaufen kann und ein globales Konstruieren und Machen ermöglicht.

 

Interkulturelles Verstehen beruht vorwiegend auf hermeneutischer Intelligenz, transkulturelles Bescheidwissen beruht vorwiegend auf analytischer Intelligenz. Gegen den Monopolanspruch der analytischen Intelligenz auf Wissen ist beim interkulturellen Verstehen die Notwendigkeit von Situationskompetenz zu unterstreichen. Der Betreffende muss hinter die Konstellationen zu den kulturell diffusen, doch prägnanten Situationen zurückgehen, um am eigenen Leib zu spüren und zu verstehen, welche kulturellen Normen prägend sind. Diese Erfahrung ist unvertretbar, ist ohne subjektives Betroffensein nicht zu erreichen. Die vorsprachliche leibliche Resonanz auf eine Situation liefert die Andeutungen, wo die sprachlich vorsichtig explizierende hermeneutische Intelligenz ansetzen kann.

 

Besser verstehen und beschreiben zu können, was mit den Menschen bei interkulturellen Begegnungen vorgeht, ist das Ziel des Forschungsateliers. Zum Auftakt werden Experten des Europarats die innere Logik und die Anwendungsbreite der Autobiographie interkultureller Begegnungen erläutern. Sodann werden Beiträge unterschiedlicher Disziplinen erwartet, die die Rolle der subjektiven Erfahrungen bei interkulturellem Verstehen beleuchten.

 

Organisation :

Werner Müller-Pelzer (Fachhochschule Dortmund), Karin Dietrich-Chenel (Université de Haute Alsace)

 

Deadline für Beiträge :

15. Juli 2012

 

Weitere Informationen zum Programm und zum Einreichen der Beiträge unter der o.a. Internetadresse.

 

Kontakt :

Fachhochschule Dortmund

University of Applied Sciences and Arts

Dr. Werner Müller-Pelzer

Course manager – Coordinator Romanic Countries – Intercultural Research

Fachbereich Wirtschaft

Emil-Figge-Str. 44 (Raum 107)

44227 Dortmund

 

Tel 0231 755-4952

Fax 0231 755-4902

werner.mueller-pelzer[at]fh-dortmund.de

 

Von:  via CIERA

Publiziert von: cs