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27.03.2009

CfP Forum Junge Wissenschaft V: DAS PRINZIP ‚OSTEN’

  • Ort: Dresden
  • Beginn: 18.11.09
  • Ende: 22.11.09
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Sprachenübergreifend
  • Frist: 01.07.09

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FORUM JUNGE WISSENSCHAFT V

DAS PRINZIP ‚OSTEN’

18.11. bis 22.11.2009 in Dresden

Deadline: 01.07.2009

info: www.ForumJungeWissenschaft.de

 

Den 20. Jahrestag der so genannten Wende nimmt das diesjährige forum junge wissenschaft zum Anlass, um über den Begriff – oder besser: das Prinzip – ‚Osten’ nachzudenken: Was meint man eigentlich, wenn man vom Osten und mehr noch: von ‚typisch Osten’ spricht? Warum haben so viele Regionen und Länder ihren ‚Osten’? Überlagert neuerdings möglicherweise ein Konzept der Mitte die Dichotomie Ost/West? Mithin wird der Fokus nicht das sich jährende Ereignis selbst sein. Vielmehr sollen jene kulturellen, sozialen, politischen und räumlichen Kontextbedingungen Gegenstand der Analyse werden, denen die Entstehung und – wenn auch dynamische – Verstetigung eines solchen Raumparadigmas, wie es „der Osten“ ist, zu verdanken sind.

Schon die geographische Kategorie ist als relationale komplexer und weniger eindeutig als es zunächst scheint: ‚Osten’ ist ein Verhältniswort – es zeigt eine Blick- und Denkrichtung an, ebenso wie einen bestimmten Raum, auf den sich das Interesse richtet. Geht man über den geographischen Gehalt hinaus und sieht, dass der Begriff auch diskurspolitisch genutzt werden kann, dann zeigt sich, dass mit dem Begriff auch identitäre und mithin identitätstheoretisch zu analysierende Aspekte angesprochen sind: so die Aspekte der Abgrenzung und der Zugehörigkeit oder des Eigenen und des Fremden.

Der Osten ist aber auch ein Raum, der ambivalente Affekte hervorruft und immer auch hervorgerufen hat. Einerseits ist er ein Verheißungs- und Sehnsuchtsraum: als Wiege der Zivilisation zog der Osten immer wieder die Verehrung und den sehnsuchtsvollen ‚Blick zurück’ von Schriftstellern wie Philosophen auf sich. Und seit der Russischen Oktoberrevolution 1917 stand der Osten eben auch – für eine gewisse Zeit – als Ort der Erneuerung und Humanisierung der Welt bei westeuropäischen Intellektuellen hoch im Kurs. Auf der anderen Seite mobilisierte das Prinzip ‚Osten’ aber immer wieder auch den Affekt der Furcht; seien es die Türkenkriege, die ‚rote Flut’ des Bolschewismus, die ‚Zigeuner’ oder die ‚Billigarbeiter’ – der Osten wurde (und wird) immer wieder als Bedrohungsraum wahrgenommen. Eng damit korrespondiert die Wahrnehmung des Ostens als eines Verfügungsraums: seine Kolonialisierung, die Möglichkeit, sich seine als geradezu unermesslich gedachten Ressourcen verfügbar zu machen, ließe sich als faktische Aufhebung der Differenz von Verheißung und Bedrohung auffassen. Die Ambivalenz der auf den Osten gerichteten Affekte und damit einhergehenden Projektionen herauszuarbeiten wird eines der Ziele des diesjährigen forum junge wissenschaft sein.

Zudem kann man den Osten auch als einen entscheidenden Laborraum der menschlichen Geschichte bezeichnen: nicht nur wurde und wird die Wiege der Zivilisation häufig im Osten vermutet, auch gesellschaftliche Großexperimente wie der Staatssozialismus bzw. -kommunismus wurden hier durchgeführt. Ebenso, und mit diesen verwirklichten Utopien bzw. Dystopien in engem Zusammenhang stehend, wäre es möglich, den europäischen Osten anhand seiner Geschichte von Lagern und Bestrafung als ein Laboratorium der Gewalt zu analysieren.

Und nicht zuletzt war und bleibt der Osten ein realer gesellschaftlicher und kultureller Raum mit eigenständigen Entwicklungen und Problemen, die einen nicht-westlichen, d.h. nicht verzerrten Blick verdienen.

Ausgehend von möglichen Zeitdiagnosen soll das forum jene Entwicklungen ausloten, aus denen die verschiedensten Vorstellungen eines ‚Ostens’ hervorgehen; sie sollen nachvollzogen, bis in die Gegenwart hinein und nicht zuletzt bis zu Prognosen oder Zukunftsentwürfen weiterverfolgt werden. Auf diese Weise soll die Vielschichtigkeit und der mit dieser verbundene Gehalt des ‚Ostens’ ergründet werden. Denn klar ist, dass mit dem ‚Osten’ nicht nur auf eine geographische Kategorie Bezug genommen wird, sondern vielmehr zeitliche wie standortgebundene kulturelle, soziale und politische Bedingungen von Bedeutung sind und damit eben immer auch eine zivilisationshistorische, kultur- oder mentalitätsgeschichtliche Dimension angesprochen ist.

 

Zum forum junge wissenschaft

Das forum junge wissenschaft V: Das Prinzip ‚Osten’, das vom 18.11. bis 22.11.2009 stattfinden wird, richtet sich an Studierende, Promovierende und Postgraduierte der geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten. Mit dem forum verfolgen wir langfristig das Projekt, eine Schnittstelle zwischen spezialisierter Wissenschaft und interessierter Öffentlichkeit innerhalb eines nicht-akademischen Rahmens sowie an einem ungewöhnlichen Ort, der Motorenhalle (www.motorenhalle.de), zu schaffen. Einem inhaltlich offenen forum im ersten Jahr folgten in den letzten drei Jahren thematisch fokussierte Veranstaltungen; 2006 wurde das Phänomen Heimat einer Bestandsaufnahme unterzogen, 2007 widmete sich das forum Streitkulturen in Geschichte und Gegenwart, 2008 war das Monster als Figur, in der sich Eigen- wie Fremdbilder kondensieren, Gegenstand. Das forum findet im Dresdner Kulturverein riesa efau statt, dessen Interesse seit Jahren den verschiedenen kulturellen Aspekten von Kommunikation und Kommunikationskulturen gilt.

Junge Geistes-, Kultur- und SozialwissenschaftlerInnen aus Deutschland und Europa sollen zum einen die Möglichkeit erhalten, an vier Tagen in Workshoprunden ihre aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten oder laufende Projekte vorzustellen und miteinander zu diskutieren. Zum anderen besteht der Anspruch des forums darin, die Inhalte der Forschungen einem Nicht-Fachpublikum vorzustellen und nahe zu bringen. In öffentlichen Abendvorträgen erhalten die ReferentInnen die Möglichkeit, ihre Themen und Fachgebiete ‚publikumswirksam’ zu präsentieren. Wir wollen die Offenheit eines Kul-turvereins, der außerhalb etablierter akademischer Strukturen arbeitet, auch dazu nutzen, innerhalb des forum junge wissenschaft über Alternativen der Wissens- und Wissenschaftsvermittlung nachzudenken. Dies bedeutet für eine Teilnahme, dass die Abendvorträge dezidiert auf ein Nicht-Fachpublikum ausgerichtet sein sollen. Es geht also in der Vorbereitung um die Gratwanderung zwischen Wissenschaftlichkeit und Popularisierung, die eine besondere Herausforderung des forums ausmacht.

Mit einem kulturellen Rahmenprogramm – mit Filmvorführungen, Konzerten und Party –, das integraler Bestandteil unseres forums ist, wollen wir nicht nur einen Raum der Entspannung, sondern vor allem einen der Möglichkeiten von Kommunikation zwischen Fachwissenschaft und nicht-fachwissenschaftlichem Publikum schaffen.

 

Formalia

Für die Bewerbung senden Sie bitte sowohl ein Abstract für einen Abendvortrag (max. 5000 Zeichen) als auch für einen Diskussionsbeitrag für die internen Workshoprunden (max. 2500 Zeichen) ein. Die Beiträge für die Workshoprunden und die Abendvorträge können durchaus thematisch identisch seien, aber wir bitten darum, dass jeweils unterschiedliche Problemhorizonte avisiert werden. Beiträge und Bewerbungen ausländischer Interessenten sind ausdrücklich willkommen. Die Reise- und Übernach-tungskosten werden bei Genehmigung der beantragten Förderung übernommen. Eine Publikation ist geplant, kann aber nicht zugesagt werden.

Bitte senden Sie die Bewerbungen und eine kurze Information zur Person per E-Mail bis zum 01.07.2009 an unten stehende Adresse.

 

Gunther Gebhard, Oliver Geisler, Steffen Schröter

 

mail@forumjungewissenschaft.de

www.forumjungewissenschaft.de

 

Von:  Oliver Geisler

Publiziert von: jd