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22.01.2011

CfP: Sektion "Dialogizität in der Argumentation: Formale und strukturelle Spezifika" (Romanistentag 2011)

  • Ort: Berlin
  • Beginn: 25.09.11
  • Ende: 28.09.11
  • Disziplinen: Sprachwissenschaft
  • Sprachen: Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch, Weitere romanische Sprachen
  • Frist: 15.02.11

Der ‚Dialog‘ als zentrales Prinzip der Kommunikation und als Grundlage der menschlichen Interaktion insgesamt gilt damit gemeinhin auch als zentrales Prinzip von Sprache an sich. Es wird in dem Zusammenhang nicht nur der grundsätzlich dialogisch ausgerichtete Charakter der Sprachverwendung fokussiert, sondern auch die konstitutive Rolle des Dialogs für das Sprachsystem, was unter anderem in dem vielfach bemühten theoretischen Konzept der „Sprache als Dialog“ zum Ausdruck kommt.

 

Innerhalb der abendländischen Tradition wird der ‚Dialog‘ im Zeichen der Platonischen Grundauffassung vom Denken als „Rede der Seele mit sich selbst“ (Platon, Sophistes, 263 e 3-5) außerdem mit Prozessen der Reflexion und Urteilsfindung in Zusammenhang gebracht und somit als Quelle der Erkenntnis oder sogar als Voraussetzung jeglicher Wahrheitsfindung angesehen (so z.B. auch in der Habermasschen Konsensustheorie der Wahrheit).

 

Es ist diese notwendige Verknüpfung mit Reflexions- und Erkenntnisprozessen, welche dem Aspekt des ‚Dialogs‘ im Rahmen von Argumentationen eine besondere Bedeutung zuweist. Der stark interaktive und damit dialogische Charakter von Argumentationen wird im Bereich der Argumentationstheorie insbesondere im Pragma-dialectical Approach (vgl. etwa van Eemeren/Grootendorst 1992, 2004) hervorgehoben, wo er als eines der zentralen definitorischen Elemente des Konzepts ‚Argumentation‘ dient, indem eine „Meinungsverschiedenheit“ (difference of opinion) als grundsätzlicher Ausgangspunkt einer jeden argumentativen Handlung angesetzt wird und die primäre Funktion der letzteren darin gesehen wird, die Meinungsverschiedenheit durch „kritische Diskussion“ (critical discussion) zu lösen, um schließlich zu einer „Übereinstimmung/ Einigung“ (agreement) zu gelangen. Ohne das Moment der Interaktion zwischen verschiedenen Kommunikationspartnern verlöre die Argumentation demnach gleichsam ihre Existenzberechtigung. Daher wird auch in oberflächlich monologisch realisierten argumentativen Texten stets von der impliziten Präsenz eines (fiktiven) Kommunikationspartners sowie eines potentiellen Dissens ausgegangen, welcher dann im Argumentationsverlauf z.B. durch sog. Strategien der Antizipation von Gegenargumenten berücksichtigt wird.

 

Aber auch innerhalb theoretischer Ansätze mit weniger starkem Fokus auf dem interaktiven Aspekt der Sprachverwendung, so etwa im Rahmen der sprachsystematisch ausgerichteten Théorie de la Polyphonie (vgl. etwa Ducrot 1984 und aktueller Bres/Haillet/Mellet/Nølke/ Rosier 2005), gilt die Integration dialogischer Elemente als Kombination/Verflechtung unterschiedlicher „Stimmen“ oder „Standpunkte“ (points de vue) als konstitutiver Bestandteil von Argumentationen.

Im Anschluss an diese Ausführungen soll auch in der hier vorgeschlagenen Sektion unter Verwendung des allgemeinen Terminus ‚Dialogizität‘ eine etwas weitere Auffassung des Konzepts ‚Dialog‘ im Zusammenhang mit Argumentationen zugrunde gelegt werden. Unter dem Begriff ‚Dialogizität‘ sollen verschiedene Formen der Bezugnahme auf mögliche vorherige oder zukünftige Kommunikationspartner zusammengefasst werden, so dass sowohl (im klassischen Sinne) dialogisch realisierte als auch monologisch realisierte Argumentationsprozesse berücksichtigt werden können, insofern in beiden Fällen die (potentielle) Präsenz eines Partners sprachlich markiert werden kann.

 

In diesem Zusammenhang ist nun zu fragen, ob sich grundsätzlich verschiedene Arten der Integration dialogischer Elemente in den Argumentationsverlauf identifizieren lassen und ob demnach eine Differenzierung verschiedner „Typen“ der Dialogizität möglich ist, welche jeweils spezifische Funktionen im globalen Argumentationszusammenhang (etwa im Hinblick auf bestimmte argumentative Ziele) übernehmen.

 

Die Sektion möchte einen Beitrag diesem Untersuchungskomplex leisten, indem der Fokus auf die Erfassung der unterschiedlichen sprachlichen (formalen) Manifestationen von Dialogizität in argumentativen Texten gelegt wird. Da aus der Gruppe der sprachlichen Indikatoren von Dialogizität die ‚Konnektoren‘ im Bereich der Argumentationstheorie bereits seit vielen Jahren eingehend untersucht worden sind, möchte sich die Sektion bewusst anderen sprachlichen Phänomenen auf den unterschiedlichen Ebenen der Sprachbetrachtung zuwenden.

 

So kann sich das Interesse etwa auf folgende konkrete Untersuchungsobjekte richten – selbstverständlich ohne ausschließlich auf diese beschränkt zu sein:

 

- Auf PRAGMATISCHER Ebene: Sprachhandlungen mit direktem Adressatenbezug und appellativem Charakter

- In diesem Zusammenhang aus der Perspektive der RHETORIK: klassische dialogorientierte Figuren der „Anrede“, „Frage“ oder „Affektivität“, wie etwa die obsecratio, licentia, interrogatio, percontatio, subiectio, dubitatio, sermocinatio etc. und deren jeweilige Realisierungsformen

- Auf SYNTAKTISCHER und MORPHOLOGISCHER Ebene: Parallel-, Kontrast- oder Echo-Strukturen; Formen der Negation; Modusverwendung

- Auf LEXIKALISCHER Ebene: neben den offensichtlich relevanten verba dicendi/putandi/sentiendi zahlreiche weitere metadialogische und metaargumentative Ausdrücke sowie Marker für anaphorische Wiederaufnahmeverfahren mit dialogischer Ausrichtung oder etwa die vielfältigen sprachlichen Strukturen zur Modalisierung von Äußerungen.

 

Willkommen sind sowohl (sprachübergreifende) theoretische Beiträge als auch empirische und auf unterschiedliche (wissenschaftliche, politische, juristische etc.) Diskursbereiche bezogene Beiträge zu allen romanischen Sprachen (bzw. sprachvergleichend in Opposition zu nicht-romanischen Sprachen) aus diachronischer sowie synchronischer Perspektive.

 

Mit dieser Betrachtung eines breiten Spektrums sprachlicher Phänomene zur Repräsentation dialogischer Bezüge in Argumentationen und deren Funktionen hoffen wir, ganz im Sinne des Rahmenthemas „Romanistik im Dialog“, Vertreter unterschiedlicher Disziplinen anzusprechen. Ziel ist es, die Erkenntnisse und Analysemethoden aus Argumentationstheorie, Kommunikationswissenschaft, Linguistik, Rhetorik, Semiotik, einzelnen Teilbereichen der Philosophie wie informaler und natürlicher Logik, Erkenntnistheorie oder Rechtsphilosophie zusammenzutragen und fruchtbar zu machen für die Untersuchung der dialogischen Dimension von Sprache im allgemeinen und Argumentation im besonderen.

 

Abstracts (max. 3000 Zeichen) für mögliche Vorträge und Poster können unter Angabe des Vortragstitels sowie Namen und Kontaktdaten des/der Vortragenden bis zum 15. Februar 2011 an anika.schiemann@uni-bonn.de und daniela.pirazzini@uni-bonn.de gesendet werden. Für die Vorträge ist ein Zeitrahmen von 20-25 Minuten mit einer anschließenden Diskussionszeit von 5-10 Minuten vorgesehen. Mögliche Vortragssprachen sind die Romanischen Sprachen sowie Englisch und Deutsch. Die Mitteilung über die Annahme der eingereichten Beiträge wird bis zum 28. Februar 2011 erfolgen.

 

Von:  Anika Schiemann

Publiziert von: Christof Schöch