CfP Sektion "Politische Korrektheit in der Romania" (Romanistentag 2011)
- Ort: Berlin
- Beginn: 25.09.11
- Ende: 28.09.11
- Disziplinen: Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
- Sprachen: Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch, Weitere romanische Sprachen
- Frist: 15.02.11
Die Emanzipation von Farbigen und Frauen führte in den Vereinigten Staaten von Amerika zu verschiedenen Maßnahmen, die unter der Bezeichnung Political Correctness kontrovers diskutiert wurden. Ausgehend von den USA hat das Streben nach Politischer Korrektheit dann Kanada sowie europäische und lateinamerikanische Staaten erreicht. In ihnen wurden Grundgedanken der Bewegung übernommen, diese gleichzeitig aber auch an die Verhältnisse vor Ort angepasst und entsprechend modifiziert.
Weitgehend aufgehoben ist auf beiden Seiten des Atlantiks inzwischen die Restriktion auf die Bereiche Ethnie und Geschlecht. So schließt der Begriff heute auch Diskursvorgaben und -empfehlungen zum Schutz weiterer qualitativer Minderheiten ein, denen im höflichen Umgang teilweise schon immer Rücksicht entgegen gebracht wurde, teilweise aber auch erst durch einen jüngst vollzogenen Bewusstseinswandel. In beiden Fällen kommt den Minderheiten heute eine verstärkte Aufmerksamkeit zu, die sich in den Staaten der Europäischen Union auch in dem 2006 erlassenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz niederschlug, das „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen sucht“ (§ 1). Dabei kann Politischer Korrektheit zweifelsohne auch eine sichtbar machende Kraft innewohnen: wie im Falle neuer Femininbildungen für Berufsbezeichnungen z.B. das – im Horizont eines hierfür günstigen gesellschaftlichen und politischen Klimas verortbare – Bestreben, die Gleichbehandlung durch sprachliche Innovation zu erreichen.
Politische Korrektheit meint aber auch im Foucaultschen Sinne das Recht, etwas Bestimmtes sagen zu dürfen, die Autorität, es zu stigmatisieren, wenn es gesagt wurde, und die Macht, zu verhindern oder sogar zu verbieten, dass es überhaupt gesagt wird. Diese Seite der Political Correctness kann thematisch ebenfalls mit Minderheiten zu tun haben und betrifft dann z.B. den Schutz von Glaube und Religion, wie er im Streit um die Mohammed-Karikaturen ebenso zum Ausdruck kommt wie in der Entrüstung über Blasphemie in Werbung, Theater- und Operninszenierungen oder den bildenden Künste. Doch geht sie weit darüber hinaus und schließt auch Bereiche wie Krieg, Wirtschaft und Sozialpolitik ein, in denen Diskurstabus die offene Thematisierung bestimmter Tatsachen verhindern. In einigen Gesellschaften scheint sich gerade diese Tendenz immer mehr auszubreiten und droht zu dem zu führen, was Jean-Claude Boulanger schon 1986 interdiction genannt hat: Begriffe aus thematisch problematischen Feldern – werden plötzlich negativ konnotiert und somit schleichend tabuisiert, wie der Fall Eric Zemmour in Frankreich im Jahre 2008 mit Bezug auf den Begriff der Rasse gezeigt hat.
In der Sektion sollen aus sprach-, literatur- und medienwissenschaftlicher Sicht die Auswirkungen der neuen Mentalität in den romanischsprachigen Ländern beschrieben und verglichen werden.
Dabei geht es insbesondere um Diskursnormen im öffentlichen Bereich:
– Thementabus und Sprachverwendung in den Medien,
– Normverstöße und Zensur in der ästhetischen Kommunikation (Literatur, Theater, Kunst, Werbung),
– Sprachgebrauch in der Politik einschließlich verhüllend-korrekter, missverstandener oder drastisch-unkorrekter Verwendungen,
– Bezeichnungsvorgaben durch internationale Organisationen und nationale Institutionen,
– Formen normativer oder repressiver Sprachregelungen in der Sprachgeschichte.
Über den tatsächlichen Sprachgebrauch hinaus interessiert die Umsetzung politischer Korrektheit in sprachvermittelnden Werken:
– Lexikographische Praxis der Aufnahme neuer Bezeichnungen,
– Umgang mit Markierungsangaben bei verletzenden Ausdrücken und Euphemismen,
– Berücksichtigung von Feminisierungsbestrebungen in der Grammatikschreibung,
– Politische Korrektheit in der Formulierung von Beispielen in Grammatiken und Schulbüchern,
– Politische Korrektheit als Thema in Lehrwerken.
Nicht zuletzt sollen unter Bezug auf sprachphilosophische Grundlagen auch die Sinnhaftigkeit und Problematik von Bezeichnungsveränderungen und Sprachzensur diskutiert werden.
Wenn Sie an der Teilnahme interessiert sind, senden Sie bitte bis zum 15. Februar 2011 ein Resümee (maximal 3000 Zeichen) an Ursula.Reutner@uni-passau.de.
Publiziert von: Christof Schöch