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30.05.2013

Der Algerienkrieg im Film - Studientag / Journée d’études

  • Ort: Würzburg
  • Beginn: 07.06.13
  • Ende: 08.06.13
  • Disziplinen: Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Französisch

Organisator: Professur für Romanische Kulturwissenschaft (Prof. Dr. Irmgard Scharold)

Ort: Universität Würzburg, Campus Am Hubland, Zentrales Hörsaal- und Seminargebäude Z6, 2.012

 

„Es gibt keinen Krieg ohne Selbstdarstellung“ (1984) – Nicht erst seit Paul Virilios Befund gilt die enge Verflechtung von Krieg und medialer Darstellung als unbestritten, stand doch die Kriegsberichterstattung „überhaupt am Ursprung der Entstehung neuzeitlicher Massenmedien“ (Wilke). Auf den algerischen Unabhängigkeitskampf trifft diese enge Verflechtung freilich nicht bzw. nur bedingt zu, nimmt dieser längste aller Entkolonisierungskriege (1954-1962) doch insofern eine Sonderstellung ein, als er sich der medialen Repräsentation weitgehend entzogen hat. Von den französischen Medien der Epoche in seiner realen Tragweite heruntergespielt, drangen die wahren Greueltaten dieser im offiziellen Sprachgebrauch als „événements“ und „opérations de maintien de l’ordre“ bezeichneten Kriegshandlungen erst verspätet an die Öffentlichkeit. (In Frankreich durfte dieser ‚namenlose Krieg‘ [„guerre sans nom“] sogar erst in den 1990er Jahren überhaupt als solcher bezeichnet werden.)

 

Der vom 7.-8. Juni 2013 an der Universität Würzburg stattfindende Studientag zum Thema „Der Algerienkrieg im Film“ widmet sich zum ersten Mal einer Sichtung des bemerkenswert umfangreichen Corpus an Filmen zu diesem Thema. Im Vordergrund des Interesses steht dabei die Frage, wie dieser in Frankreich so lange Zeit verfemte Krieg, der im unabhängigen Algerien hingegen rasch zum Gründungsmythos avancierte und von daher einer staatlich gelenkten Medienpolitik unterworfen wurde, im Medium (Kriegs-)Film (s)eine spezifische inhaltliche Kontur und ästhetische Signatur gewinnt. Wenn das Genre Kriegsfilm generell den Versuch unternimmt, ein als ‚unmodellierbar‘ geltendes Ereignis (Paul) in eine adäquate Bildsprache zu übersetzen, so sind im Hinblick auf den Algerienkrieg vor allem diejenigen Bild- und Erzählkonzepte zu präzisieren, welche Tabuisierung und Zensur, Trauma und „Riss“ bzw. Gedächtnis-Auslöschung (Paech) auf beiden Seiten – der des ehemaligen Kolonisators wie der des ehemaligen Kolonisierten – besonders ausgestalten. Trotz der auf französischer Seite verhängten Sprach- und Bilderzensur fällt die früheste filmische Auseinandersetzung mit dem Thema Algerienkrieg mit der Avantgarde des europäischen Kinos zusammen (Godard, Resnais). Für spätere Filmschaffende mag die zensurbedingte ‚kaschierende‘ Darstellung dieser „guerre sans nom“ möglicherweise sogar stilbildend geworden sein. Andere filmische Umsetzungen gehen freilich marktkonformer vor, indem sie auf genrespezifisch konventionalisierte Bildsprachen und narrative Muster wie Initiations-, Action-, Abenteuer- oder Katastrophenerzählung zurückgreifen (Leschke) und gerade deshalb ein größeres Publikum erreichen als diejenigen, die den Versuch unternehmen, eine unverbrauchte Bildsprache zu entwickeln.

 

Die Journée d’études hat sich das Ziel gesetzt, die inhaltliche wie ästhetische Spannweite dieser filmischen Repräsentationsmuster auszuloten. Das Interesse gilt dabei den verhandelten Inhalten ebenso wie deren medialer Umsetzung, die – je nach nationalem Standort, künstlerisch-ästhetischer Programmatik und zeitlicher Distanz – unterschiedliche „sozio-kulturelle, zeittypische Wahrnehmungsmuster“ und Deutungshorizonte widerspiegeln (Wende). Die Auseinandersetzung mit diesen Filmen erscheint nicht zuletzt deshalb umso dringlicher, weil sich die „Filmkunst“ zwischenzeitlich als „die erfolgreichste aller Denkmalformen erwiesen“ hat (Hickethier). In ihrer doppelten Funktion als „Speicher des Vergangenen“ und als „Vermittlungsinstanzen“ des kulturellen Gedächtnisses übernehmen solche Filme eine wichtige Aufgabe im Rahmen der kulturellen Erinnerungsarbeit, formen sie sich doch zu einem ‚medialen Gedächtnis‘, welches den „populären historischen Wissensbestand ständig umwälzt, ergänzt“, aber auch selektiert und Ausgrenzungen vornimmt (Hickethier).

 

Referenten

Elisabeth Arend (Bremen), Birgit Burtscher-Bechter (Wien/Innsbruck),

Danielle Dahan-Feucht (Konstanz), Annette Keilhauer (Erlangen-Nürnberg),

Birgit Mertz-Baumgartner (Innsbruck), Cornelia Ruhe (Mannheim),

Irmgard Scharold (Würzburg), Michaela Weiß (Erlangen-Nürnberg)

 

Programm

 

Freitag, 7. Juni 2013

 

13.30 Begrüßung der Teilnehmer

 

14.00 Eröffnung

14.15 Elisabeth Arend (Bremen): Entangled histories – Franko-algerische Erinnerungskriege um den algerischen Unabhängigkeitskrieg

15.15 Annette Keilhauer (Erlangen-Nürnberg): Die Verschränkung von mémoire collective und individueller Erinnerungsarbeit in La Nouba des femmes du Mont Chenoua (1978) von Assia Djebar

16.15 Kaffeepause

16.45 Danielle Dahan-Feucht (Konstanz): Le coup de Sirocco (1979): Eine jüdische Perspektive auf den Algerienkrieg

17.45 Cornelia Ruhe (Mannheim): «Le silence après la guerre» Amnesie und Hypermnesie – die Erinnerung an den

Algerienkrieg in Frankreich

20.00 Abendessen im Bürgerspital, Theaterstraße 19

 

Samstag, 8. Juni 2013

8.30 Michaela Weiß (Erlangen-Nürnberg): Alain Resnais‘ Muriel ou le temps d‘un retour (1963) – Fragmente einer individuellen und kollektiven Verdrängung des Algerienkriegs

9.30 Birgit Mertz-Baumgartner (Innsbruck): 17 octobre 1961 – Die Inszenierung polyphoner Erinnerungen in Alain Tasmas Film Nuit Noire (2005)

10.30 Kaffeepause

11.00 Beate Burtscher-Bechter (Innsbruck/Wien): «De la honte à l’Honneur» Das Schicksal der Harkis in Literatur und Film: Mon père ce harki (2003) von Dalila Kerchouche und Harkis (2006) von Alain Tasma

12.00 Irmgard Scharold (Würzburg): «Un neutre vous parle» – Godards Le petit soldat (1960/63) als Versuch einer ‘écriture blanche de la guerre’?

13.00 Abschlussdiskussion

 

Organisation/Leitung:

Irmgard Scharold

irmgard.scharold@uni-wuerzburg.de

Von:  Irmgard Scharold

Publiziert von: cf