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09.06.2009

Die Rückkehr des Erzählens in der französischen Gegenwartsliteratur?

  • Ort: Ruhr-Universität Bochum
  • Beginn: 03.07.09
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft
  • Sprachen: Französisch

Journée d’études:

 

Die Rückkehr des Erzählens in der französischen Gegenwartsliteratur?

Organisation: Agnieszka Komorowska, Jörn Steigerwald

Ruhr-Universität Bochum, 3. Juli 2009

 

Ausgangspunkt der Journée d’études bildet die Beobachtung, dass sich seit Mitte der 1980er Jahre eine Veränderung des romanesken Schreibens in der französischen Gegenwartsliteratur feststellen lässt. Demnach kommt es nach dem Ende des so genannten ‚nouveau roman’ und seiner Fortschreibungen zu einer Wiederkehr realistischer Schreibweisen, die allgemein unter dem Motto der ‚Rückkehr des Erzählens’ verhandelt werden. Diese behauptete Rückkehr vollzieht sich auf drei Ebenen, insofern das neue Erzählen erstens mit einer Restitution des Erzählers, wenn nicht des Autors einhergeht. Zweitens wird damit der dominante Fokus auf die erzählten Geschichten (histoire), im Gegensatz zur vorausgehenden Konzentration auf die Erzählung (discours) herausgestellt, der sich sowohl im Blick auf die (Auto-)Biographien als auch auf die Darstellung von Ereignissen der Historia zeigt. Drittens wird damit schließlich eine neuerliche Hinwendung zum Realismus bezeichnet, der den Rahmen bildet für zeitgenössische Formen literarischer Gesellschaftsdarstellung und -kritik.

 

Auf diesen Befunden aufbauend und zugleich komplementär zu ihnen will die Journée d’études die zentrale Frage verfolgen, welche paradigmatischen Modelle romanesken Schreibens sich innerhalb der behaupteten Rückkehr des Erzählens ausgeprägt haben. Genauer lautet die Frage, ob und auf welche vorausgehenden Positionen und Schreibweisen von den Autoren der Gegenwartsliteratur zurückgegriffen wird, um welche neuen bzw. aktuellen Modelle des Romans zu entwerfen. Dem entsprechend gilt es zunächst einmal das Verhältnis von romanesken Schreibweisen der 1970er und ’80er Jahre zu denen der 1990er und 2000er Jahre näher zu bestimmen, um genauer herauszuarbeiten, inwiefern von Modifikationen, Transformationen und/oder Trans- bzw. Regressionen zu sprechen ist. Des Weiteren ist zu bedenken, ob bzw. inwiefern die Rückkehr des Erzählens eine bewusste Rückkehr zu tradierten, gar kanonischen Formen des Erzählens bzw. Schreibens meint, oder einen distanzierten Rückgriff auf vorausliegende Traditions- und Wissensbestände bezeichnet. Schließlich ist der immer wieder behauptete gesellschaftskritische Impetus der Gegenwartsliteratur näher zu beleuchten, um die Relationierungen von Ethik und Ästhetik, aber auch von Kritik und Selbstbezüglichkeit in den Romanen genauer zu fassen.

 

Als leitende Arbeitshypothese sei hierfür vorangestellt, dass der französische Gegenwartsroman weniger von einer Kehrtwende geprägt ist, die nach dem Ende des selbstreferentiellen Erzählens der Nouveaux Romanciers eine neue Referenzästhetik im Zeichen des Realismus feiert, sondern vielmehr von einer produktiven Verbindung von referentiellen Geschichten und selbst- bzw. metarefentiellem Erzählen zu sprechen ist, die von den AutorInnen gesucht wird, um die Komplexität einer globalisierten, tendenziell unübersichtlich gewordenen Gesellschaft literarisch adäquat auszugestalten, wenn nicht gar erst eigentlich in aestheticis zur Darstellung zu bringen. Die neuerliche Hinwendung zu Themen der Gewalt, der Scham oder der Schuld wie auch zu solchen der sozialen Missstände, der Unterdrückung oder der Vereinsamung sind dem entsprechend Ausweis eines hochgradig reflektierten Interesses der zeitgenössischen Romanautoren an der Wahrnehmung und Gestaltung einer dargestellten Wirklichkeit der Literatur sowie der Problematisierung von möglichen, auch zukünftigen Wirklichkeiten in der Literatur.

 

 

Ablaufplan:

 

9:00 Uhr Rudolf Behrens (Romanistik / Bochum)

Begrüßung und Eröffnung

 

Moderation: David Nelting (Romanistik / Bochum)

 

9:15 Uhr Axel Rüth (Romanistik / Köln):

Gefangen in der avantgardistischen Schleife: Jean-Philippe Toussaints La réticence.

 

10:15 Agnieszka Komorowska (Romanistik / Bochum):

Erschriebenes Begehren. Zu Georges-Arthur Goldschmidts Autofiktionen.

 

11:15 Kaffeepause

 

11:30 Annika Nickenig (Romanistik / Bochum):

Gewalt-Szenen: Metareflexives Erzählen bei Christine Angot und Virginie Despentes.

 

12:30-14:00 Mittagspause:

 

Moderation: Rudolf Behrens (Romanistik / Bochum)

 

14:00 Uhr Susanne Reckermann (Romanistik / FU Berlin, Marburg):

Spurensuche nach der ethischen Dimension des zeitgenössischen französischen Romans. (Echenoz, Toussaint, Houellebecq)

 

15:00 Jörn Steigerwald (Romanistik / Bochum):

(Post-)Moralistisches Erzählen: Michel Houellebecqs Particules élémentaires.

 

16:00 Abschluss

 

 

Alle Vorträge finden an der Ruhr-Universität Bochum im Gebäude GB 5 / 60 statt.

 

Von:  Jörn Steigerwald

Publiziert von: Kai Nonnenmacher