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20.09.2010

"Unübersetzbarkeit / Les intraduisibles": Zwei deutsch-französische Forschungsateliers (Teil I)

  • Ort: Lille
  • Beginn: 07.10.10
  • Ende: 09.10.10
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Französisch, Sprachenübergreifend

Donnerstag, 7. Oktober 2010, 14 h - Samstag, 9. Oktober 2010, 12.30 h

Maison de la recherche

Université Charles-de-Gaulle - Lille 3

Domaine universitaire du «Pont de Bois»

rue du Barreau - BP 60149

59653 Villeneuve d’Ascq Cedex

U-Bahn Linie 1, Station Pont de Bois

 

Mit Unterstürtzung von:

Deutsch-französische Hochschule (DFH/UFA)

ALITHILA, Universität Lille III

Conseil régional Nord - Pas de Calais

 

Organisation:

Myriam Suchet & Jessica Wilker (Lille III),

in Zusammenarbeit mit Jörg Dünne & Martin Jörg Schäfer (Erfurt)

 

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Die Tagung bildet den ersten Teil einer zweiteiligen, deutsch-französischen Veranstaltungreihe, die vom im Januar 2011 in Erfurt fortgesetzt wird. Beide Veranstaltungen wollen das Problem der Überstzung, das im Zuge der Globalisierung in den letzten Jahrzehnten neue Prominenz erlangt hat, aus einer neuen Perspektive beleuchten:

 

In einem ersten Atelier soll die Spezifik der innerliterarischen Übersetzung in den Blick genommen werden, in einem zweiten Atelier sollen die literaturwissenschaftlichen Modelle mit solchen der Medien- und Kulturwissenschaften konfrontiert werden. Mit der Thematisierung der Unübersetzbarkeit bzw. der Übertragungsstörung rückt dabei eine von den Ateliers zu überprüfende Leithypothese in den Fokus: Dass dem Unübersetzbaren bzw. Unübertragbaren eventuell eine konstitutive Rolle in den Prozessen der Übersetzung bzw. Übertragung zukommen könnte, , die die in den Kommunikationsmodellen der „Translational Studies“ bislang weitgehend ausgeblendet bleibt.

 

 

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Exposé des ersten Ateliers:

 

Das 2004 von Barbara Cassin herausgegebene Vocabulaire européen des philosophies enthält Wörterbuchartikel in fünfzehn verschiedenen Sprachen für philosophische Begriffe, deren Bedeutung in jeder Sprache verschieden ist. Das Forschungsatelier mit dem Titel „Literarische Unübersetzbarkeit“ steht im Zeichen der Frage, inwieweit es möglich ist, ein ähnliches Projekt im deutsch-französischen Vergleich und darüber hinaus auf die Ebene der Literatur zu übertragen und mit welchen grundlegenden Problemen sich ein solcher Versuch konfrontiert sehen würde.

 

 

Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der Unübersetzbarkeit. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Worte, Wendungen oder Syntagmen in einer Zielsprache kein entsprechendes Äquivalent haben können, etwa weil sie idiomatisch sind oder weil sie einen Weltzugang eröffnen, der nur dieser historischen sprachlichen Konstellation angehört. Sprachen wären also im Grunde genommen asymmetrisch und strukturierten die Welt auf je verschiedene Weise. Konkrete Beispiele dafür sind Wörter wie die deutschen „leise“, „Schweigen“ oder „Sehnsucht“, das englische „spleen“, „MIR“ auf russisch, „saudade“ auf portugiesisch usw. Die eigentliche Herausforderung der Übersetzung besteht in solchen Fällen darin, nicht nur „Collagen“ zu erstellen, die die unübersetzbaren Wörter unübersetzt in den Text übernehmen (in der Regel kursiv gedruckt und/oder mit einer Fußnote, die ihren „eigentlichen“ Sinn erklärt und umschreibt), sondern darum, so präzise wie möglich einen Sinn zu rekonstruieren, der sich der Zielsprache entzieht.

 

 

Über diese übersetzungspraktische Fragestellung hinaus führt die Arbeit an einzelnen Ausdrücken auf eine grundlegende theoretische Frage nach dem Verhältnis von Unübersetzbarkeit und der Notwendigkeit eines andauernden Übersetzens. Barbara Cassin präzisiert in ihrem Vorwort, dass „unübersetzbar auf keinen Fall heißen soll, dass die Worte oder Ausdrücke [...] nicht übersetzt werden und nicht übersetzt werden können – unübersetzbar ist eher das, was man nie aufhört, (nicht) zu übersetzen.“ Wenn (fast) alles unübersetzbar ist, heißt das auch, dass eigentlich nichts wirklich unübersetzbar ist, und das gleiche muss für die Beziehung zwischen Sagbarem und Unsagbarem in dieser Sprache gelten.

 

Der Begriff der Unübersetzbarkeit kann also mit dem der Unsagbarkeit in Verbindung gebracht werden, der seit der deutschen Romantik auch ein Leitmotiv der Literaturtheorie ist. Bedeutet dies, dass die Literatur dasjenige sagt, was direkt oder anders nicht gesagt werden kann: dass die Kunst sagt (wie etwa in Goethes berühmter Definition des Symbols), was die Sprache nicht sagt? Oder ist (mit Foucault gesprochen) der Eindruck einer undurchdringlichen Tiefe hinter der Sprache seinerseits ein epistemologischer Effekt der Grenze von Sagbarkeit, an die sie z.B. im Unübersetzbaren stößt? In jedem Fall ist die Literatur – vor allem die Lyrik, doch auch in anderen Gattungen – oft als eine besondere Form des Sprachgebrauchs verstanden worden, in der die sprachlichen Spuren eines Unsagbaren bzw. Unübersetzbaren als solche deutlich werden können. Literatur könnte somit darauf hindeuten, dass nur mehrere Sprachen gemeinsam eine Vorstellung von dem geben können, worauf Sprachlichkeit (in Anlehnung an Walter Benjamins Verständnis der Aufgabe des Übersetzers) zielt. Die Sprachen stünden so nicht einzeln für sich, sondern in einer Konstellation zueinander, die als Konstellation immer schon vom Verhältnis zwischen Übersetzbarkeit und Unübersetzbarkeit bzw. Sagbarkeit und Unsagbarkeit

gekennzeichnet wäre.

 

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Programm:

 

Donnerstag, 7. Oktober 2010

MAISON DE LA RECHERCHE / UNIVERSITÉ LILLE 3

 

14h – 14h30 : Empfang der Teilnehmer

 

14h : Eröffnung der Tagung durch Marie-Madeleine Castellani (Sprecherin des ALITHILA)

 

EINFÜHRUNG: UNÜBERSETZBARKEIT UND UNSAGBARKEIT

Moderation : Myriam Suchet

 

14h30 – 15h : Éric DAYRE (ENS-LSH de Lyon) :

« L’intraduisible ou la volonté de traduire »

 

15h – 15h30 : Hélène LEBLANC (Université Lille 3) :

« Figures de l’indicible dans la Divine Comédie »

 

15h30 – 16h : James Michael PETTERSON (Wellesley College / Massachusetts) :

« Les intraduisibles dans la poésie de Dominique Fourcade »

 

16h – 16h15 : Diskussion

 

16h15 – 16h30 : Pause

 

MONOGRAPHISCHE ANNÄHERUNGEN : IDIOSYNKRASIEN (1)

Moderation: Jessica Wilker

 

16h30 – 17h : Yannick GOUCHAN (Université de Provence) :

« Le défi du traducteur face à la poésie de Giovanni Pascoli »

 

17h – 17h30 : Toshio TAKEMOTO (Université Lille 3) :

« Comment traduire la présence d’un sujet lyrique dans une langue elliptique ?

Le tanka (poème japonais en 31 lettres) : autour de L’anniversaire de salade de Tawara Machi (1962-) »

 

17h30 – 17h45 : Diskussion

 

18h : Cocktail

 

Freies Abendessen

 

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Freitag, 8. Oktober 2010

MAISON DE LA RECHERCHE / UNIVERSITÉ LILLE 3

 

RUND UM CELAN

 

Moderation: Ana-Maria Gîrleanu

 

9h30 – 10h : Empfang

 

10h – 10h30 : Evelyn DUECK (Université Aix-Marseille)

« La rose de personne. La 'traduction symbolique' de Martine Broda »

 

10h30 – 11h : Frédéric MARTEAU (Université Paris VIII) :

« Auseinandergeschrieben. Traduire Paul Celan à la lettre »

 

11h – 11h30 : Eva ERDMANN (Universität Erlangen) :

« L’intraduisibilité des langues dans la littérature multilingue: les poèmes de Paul Celan et Marcel Beyer »

 

11h30 – 12h : Diskussion

 

12h – 13h30 : Buffet

 

DIE SPRACHEN, UNÜBERSETZBAR IN IHRER VIELFALT?

Moderation: Jörg Dünne

 

14h – 14h30 : Martin SCHAEFER (Universität Erfurt) :

« Unübersetzbare Zitate in Hannah Arendts The Human Condition »

 

14h30 – 15h : Brigitte RATH (Universität Innsbruck) :

« Schon-übersetzte Sprache / schon-übersetzte Welt »

 

15h – 15h30 : Myriam SUCHET (Université Lille 3 / Concordia University Montréal) :

« Écrire latin / écrire ijaw en anglais. Comparaison de deux éthos poétiques hétérolingues »

 

15h30 – 15h45 : Diskussion

 

15h45 – 16h15 : Pause

 

RUND UM EINEN TEXT: Russisch und Englisch

Moderation: Isabel Kranz

 

16h15 – 16h45 : Holt MEYER (Universität Erfurt) :

« The Inside of the Outside of the Untranslatable (Bracketed Pushkin) in Nabokov’s Gift »

 

16h45 – 17h15 : Katia PAYKIN (Université Lille 3) :

« Soir d'hiver de Pasternak : les moments de froid et de chaleur de la traduction vers l’anglais »

 

17h15 – 17h45 : Diskussion

 

20h : Abendessen im Restaurant Alcide für die Referentinnen/Referenten

 

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Samstag, 9. Oktober 2010

MAISON DE LA RECHERCHE / UNIVERSITÉ LILLE 3

 

9h – 9h30 : Empfang

 

MONOGRAPHISCHE ANNÄHERUNGEN: IDIOSYNKRASIEN (2)

Moderation: Gesine Hindemith

 

9h30 – 10h : Ana-Maria GÎRLEANU (Université Paris IV) :

« Apories de la traduction dans les poèmes de Lucian Blaga » (basée sur un corpus de traductions en français, italien et allemand)

 

10h – 10h30 : Julien VERGER (Université Bordeaux III) :

« Traduire la poésie macaronique de Teofilo Folengo »

 

10h30 – 10h45 : Diskussion

 

10h45 – 11h : Pause

 

UNÜBERSETZBARKEIT UND UNSAGBARKEIT: Klang und Abweichung

Moderation : Hélène Leblanc

 

11h – 11h30 : Jessica WILKER (Université Lille 3) :

« Neige, leise, Schweigen etc. – mots et sonorités intraduisibles dans la poésie de Rilke »

 

11h30 – 12h : Lucie TAÏEB (Université Paris IV / Universität des Saarlandes) :

« « Gebrochenes Deutsch »? Traduire l´écart à la norme dans la poésie d´Ernst Jandl »

 

12h – 12h30 : Abschlussdiskussion

 

Von:  Jörg Dünne

Publiziert von: jd