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02.10.2012

CfA: "Fiktion und Demokratie", Revue critique de fixxion française contemporaine

  • Disziplinen: Literaturwissenschaft
  • Sprachen: Französisch
  • Frist: 01.11.12

Die Gegenwartsliteratur in französischer Sprache scheint sich wieder für die Welt zu interessieren, sie abzubilden und über sie nachzudenken, verzichtet jedoch darauf, sie grundlegend ändern zu wollen. Dieser Verzicht auf ein direktes Engagement der Schriftsteller geht mit dem Fehlen großer ideologischer Erzählungen und ihrer literarischen Vermittlungen einher: von nun an definiert sich die Literatur in Hinblick auf die Demokratie und den Konsens, der über ihre Werte, ihre Ideale und ihre Prinzipien besteht und aus denen die Literatur die Notwendigkeit ihrer Präsenz und ihres Eingreifens ableitet.

 

Das geplante Dossier der Revue critique de fixxion française contemporaine beabsichtigt, die teilweise divergierenden Vorstellungen von der Rolle der Gegenwartsliteratur in einer demokratischen Gesellschaft zu untersuchen.

 

Zum einen propagieren gewisse philosophische und kritische Strömungen, die oft angelsächsischen Ursprungs sind, eine Idee der Literatur die diese direkt im Dienste der demokratischen Ordnung sieht: die literarische Fiktion gestatte uns, das Zusammen-Leben zu konstruieren und zu organisieren, und die Literatur im modernen Sinne sei unauflöslich mit der demokratischen Ordnung verbunden. Man kann in diesem Zusammenhang auf die anthropologischen Aristoteles (Re-) Lektüren verweisen, die in der Katharsis eine Form der Reinigung der privaten Leidenschaften erblicken; auf die insbesondere von Thomas Pawel vorgebrachten Analysen der Fiktion als eines Instruments axiologischer Reflexion dank Inszenierungen und Symbolisierungen; oder auf die jüngste Strömung des evolutionären Kognitivismus, der der Fiktion unter Berufung auf ein explizites Darwinsches Modell eine soziale Kompetenz unterstellt. Diese Hypothesen bestätigen das, was Nelly Wolf die „interne Demokratie“ des Romans nennt und billigen der Literatur eine therapeutische Fähigkeit und ein Regelungspotential der Verhaltensweisen und der Organisation der öffentlichen Sphäre zu.

 

Zum anderen unternehmen es Konzeptionen, die aus dem direkteren Kontext der kontinentalen Philosophie und der poststrukturalistischen Kritik stammen, der Literatur eine Rolle zuzuerkennen, die der kritischen Hinterfragung demokratischer Normen im Namen der moralischen Werte des Individuums oder aber im Namen der politischen Forderungen von Gruppen zuerkennen. Von diesem Standpunkt aus macht die Arbeit an der Sprache und der Form aus der Literatur den Raum des Nicht Zuzuordnenden und den Ort der Erforschung möglicher ideologischer Erneuerungen. Die Verbindungen zwischen Literatur und Demokratie stünden also im Zusammenhang mit einem Denken der Ausnahme oder der Imagination des Möglichen, unter gleichzeitiger Kritik der Einseitigkeit und der Instabilität der demokratischen Optionen, die der globalisierte Liberalismus als verbindlich zu erklären versucht. Dank der Praktizierung der sprachlich-literarischen Formen könnte die Demokratie den unvereinbaren Charakter bestimmter politischer und sozialer Logiken entdecken. Dieser zweiten Hypothese entsprechend, die vor allem von Jacques Rancière vertreten wird, situiere sich die Literatur als Anomalie im demokratischen Raum, dessen radikale Horizont sie repräsentiere.

 

Ohne die Opposition zwischen diesen beiden Schulen des Denkens zu wiederholen wird es darum gehen, von ihnen ausgehend die kontrastierenden Vorstellungen der Rolle der Literatur in einer demokratischen Ordnung zu untersuchen und in gleicher Weise ihre Bruchlinien wie ihre Gemeinsamkeiten zu analysieren, insbesondere was die Rolle des Fiktions-Begriffes angeht. Die Beiträge zu diesem Dossier können von der einen wie der anderen Perspektive ausgehen, aber auch versuchen einen Standpunkt zu entwickeln, der ihren Antagonismus überwindet. Sie sollten versuchen, nicht bei der Analyse einzelner Beispiele stehen zu bleiben, sondern die impliziten Theorien, die unterschiedlichen Korpora zu eigen sind ebenso herauszuarbeiten wie die Gegenwartsproduktion in der Variationsbreite dessen, was für sie auf dem Spiel steht.

 

Alexandre Gefen, Université Bordeaux 3 – Equipe TELEM & Fabula.org

Emilie Brière, Université du Québec à Montréal – Equipe Figura

 

Die Vorschläge für Beiträge sollten in französischer oder englischer Sprache etwa 300 Wörter umfassen und bis zum 1. November 2012 an Alexandre Gefen (gefen@fabula.org) und Emilie Brière (emilie.briere@me.com) gesandt werden. Eine Antwort wird am 1. Dezember 2012 erfolgen.

 

Die fertigen Artikel sollen zur Evaluation durch das Komitée der Revue critique de fixxion française contemporaine dieser vor dem 15. März 2013 übersandt werden.

 

Die Revue critique de fixxion française contemporaine ist eine wissenschaftliche Zeitschrift internationaler Ausrichtung die Beiträge zur französischsprachigen Gegenwartsliteratur nach 1980 veröffentlicht. Für die französische wie die frankophone Literatur geöffnet versammelt diese zweisprachige Zeitschrift universitäre Kritiker und Schriftsteller, um die Formen des gegenwärtigen Schreibens zu diskutieren und zu analysieren. Der Übergangsepoche zwischen dem 20. und dem 21. Jahrhundert zugewandt publiziert die Zeitschrift Beiträge in französischer und englischer Sprache und setzt sich zum Ziel, für ein weites Feld von Konzeptionen wie Autoren offen zu sein.

Von:  Lars Schneider

Publiziert von: cs