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13.11.2009

CfP: 2. Arbeitstagung des Forums Kunstgeschichte Italiens: Materialität; Künstlerbiographik; Stadtforschung

  • Ort: Bonn
  • Beginn: 26.03.10
  • Ende: 27.03.10
  • Disziplinen: Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Italienisch
  • Frist: 30.11.09

Auf dem Forum ‚Italienforschung‘ des 29. Deutschen Kunsthistorikertages im März 2007 in Regensburg wurde beschlossen, zur Beförderung des Austausches der an Universitäten, Museen und Forschungsinstituten sowie freiberuflich tätigen Italienforscherinnen und -forscher einen Arbeitskreis einzurichten, der sich regelmäßig jährlich trifft: auf den jeweiligen Kunsthistorikertagen im Rahmen der Foren und in den Jahren dazwischen zu Arbeitstagungen an wechselnden Orten mit wechselnden Organisatoren. Auf dem Treffen des Forums anlässlich des Kunsthistorikertages in Marburg wurde beschlossen, unsere zweite Arbeitstagung in Bonn (Organisation: Roland Kanz / Georg Satzinger) abzuhalten und dabei nicht - wie bei der ersten Tagung in Würzburg - ein einziges Thema in den Mittelpunkt zu stellen, sondern mit drei Sektionen mehreren aktuellen Arbeitsfeldern Gelegenheit zur Präsentation zu geben. Aus den in Marburg vorgestellten Vorschlägen hat die Versammlung die folgenden ausgewählt:

 

I. Einbettungen. Die Deutung von Objekten durch materiale Fassung

 

Die materiale Einbettung von historisch entfernten oder fremden Dingen soll im Zentrum dieser Sektion stehen. Rahmung, Inkorporierung, Fassung und Verbauen von materialen Objekten mit einem besonderen Zeugniswert, ob er nun historisch oder heilsgeschichtlich bedingt ist, wurde in den vergangenen zwanzig Jahren vor allem in den Forschungsfeldern zu Reliquien und Spolien gut untersucht. Dabei war bisher das Mittelalter der verbindliche Bezugsrahmen. Ohne eine künstliche Trennwand zwischen den Epochen zu errichten, soll die Frage einer Geschichts-Auslegung ohne Worte in die frühe Neuzeit getragen werden, eine Epoche also, in der historische Bezüge durch das Aufkommen philologischer und antiquarischer Methoden kritisch beleuchtet werden und sich zugleich ein zunehmend autonomer Kunstdiskurs herausbildet.

 

Im Zentrum der Diskussion soll dabei die Koinzidenz der Herausbildung von anspruchsvollen Begriffen von Geschichte (sei sie nun antiquarisch oder philologisch) und Kunst (mit aller notwendigen Differenzierung) und ihre jeweils spezifischen Möglichkeiten für die Interpretation überkommener materialer Objekte stehen. Wie verändert sich der Zeugniswert von Objekten durch den ihnen gegebenen neue materiellen Rahmen? Welche Folgen zeitigt das jeweils neue Umfeld der Objekte für den herkömmlichen Bezugsrahmen von Reliquie, Spolie und Trophäe? Entzaubern die historischen und antiquarischen Diskurse die materialen Objekte? Oder entsteht durch den Kunstbegriff ein neuer ‚Schutzraum’ des Fiktionalen? Diese Fragen sollen an der konkreten, materialen Fassung von Objekten - seien es Baureste, Vorgängerbauten, Körperreliquien oder Trophäen - erörtert und diskutiert werden. Dabei ist sowohl an eine tatsächliche materiale Einbettung der Dinge in einen neuen Zusammenhang wie an eine fiktionale Wiedergabe solcher Objekte, etwa in Malerei, gedacht.

 

Mögliche Themen sind unter anderen

• die Fassung, Rahmung, Inkorporation und Reproduktion von Münzen, Medaillen, Reliquien, Gemmen, Exotica, Bildern, Ikonen, überhaupt von Sammlungsstücken;

• der Umgang mit Vorgängerbauten und verbauten Objekten in der Architektur;

• Restaurierung und Anstückung von antiken Statuen sowie deren Darstellung;

• die fiktionale Repräsentation bzw. drucktechnische Reproduktion (im weitesten Sinne also auch Siegel, Abdruck, etc.) von historisch entfernten oder fremden Dingen;

• die Aufbewahrung, Fassung und Kontextualisierung von Freundschafts-und Liebesgaben;

• die Fälschung von ‚historischen Objekten’ und deren Inszenierung;

• die Neupräsentation exhumierter frühchristlicher Heiliger.

 

Die Vorträge sollten 20 Minuten nicht überschreiten und thesenbezogen sein, Abstracts den Umfang einer Dreiviertelseite haben.

 

Konzept und Koordination:

Urte Krass, urte.krass (at) kunstgeschichte.uni-muenchen.de

Matteo Burioni, matteo.burioni (at) kunstgeschichte.uni-muenchen.de

 

II. Die Leben der Künstler: Historische und aktuelle Perspektiven der Künstlerbiographik

 

Bekanntlich ist an Vasaris monumentalen Vitenwerk (1550,1568) die Prägekraft des biographischen Schreibens nicht nur hinsichtlich des hierdurch vermittelten Bildes der Künstler, sondern auch im Hinblick auf historische Konstruktionen von Kunst und ihrer Geschichte in der modernen Forschung mehrfach thematisiert worden. So hat Hans Belting bereits 1983 deutlich gemacht, wie sehr sogar aktuelle Entwürfe einer Geschichte der Kunst von den Viten Vasaris geprägt wurden. Nicht zuletzt dank der jüngsten, von Alessandro Nova begleiteten Neuübersetzung der Viten Vasaris geriet verstärkt in den Blick, wie dieses Modell das Bild der besprochenen Künstler formte bzw. es bis in die moderne Forschung hinein prägte, obwohl die Viten einer zum Teil heftigen zeitgenössischen Kritik ausgesetzt waren. Verantwortlich für die Wirkung Vasaris war nicht von ungefähr sein Modell biographischen Schreibens über Kunst, das am Leitfaden der antiken Biographik die Künstler in den Rang großer historischer Persönlichkeiten erhob, deren Werke sie zu Marksteinen eines biologistischen Entwicklungsmodells der drei Zeitalter und teleologischen Prinzipien folgenden Geschichtsverständnis machte.

 

Kaum ein Genre in den Geistes- und Kulturwissenschaften ist jedoch größeren Anfeindungen und begründeter Kritik ausgesetzt als die Biographik, die trotz alledem wie kaum ein anderes Genre kunsthistorischer Schriften blüht. Auch nach der Verkündung des „Todes des Autors“ durch die poststrukturalistische Literaturtheorie zählen Monographien und Biographien nach wie vor zu den beliebtesten kunsthistorischen Buchformaten und offerieren auch weiterhin Deutungen, die Künstler als Subjekte und Identifikationsfiguren epochaler Neuerungen erscheinen lassen. Dabei hat es auch im Fach nicht an relevanten Versuchen gefehlt, das biographische Schreiben kritisch zu reflektieren: Julius von Schlossers Ghiberti (posthum 1941), Roberto Zapperis Annibale Carracci. Ritratto di artista da giovane (1989) und Anthony Graftons Leon Battista Alberti (2000) markieren Versuche, das Ganzheitsgebot der Biographik mit den spezifischen Anforderungen kunsthistorischen Arbeitens auf originelle Weise zu verknüpfen.

 

Die Sektion möchte die Relevanz künstlerbiographischen Schreibens sowohl in historischen als auch in aktuellen Sondierungen untersuchen. Dabei sollen vor allem historische Analysen über die Weiterentwicklung des literarischen Genres der Viten nach Vasari (z. B. Bellori, Malvasia und Baldinucci) und der damit transportierten künstlerischen Leitbilder, wie auch der aktuelle Umgang mit biographischem Material bis in das 19. Jahrhundert in den Blick genommen werden. Gerade in der kritischen Auseinandersetzung mit Vasari proklamieren Kunstschriftsteller des 17. und 18. Jahrhunderts (oft implizit) neue historiographische Modelle sowie neue Zentren und Leitbilder - so etwa Giovanni Pietro Bellori, der sehr forciert (den von Vasari Michelangelo untergeordneten) Raffael zum Bezugspunkt der Künstler seit dem späten Cinquecento aufbaut, dabei aber keine explizite Geschichtsteleologie entwirft.

 

Darüber hinaus wird in historischer Perspektive grundsätzlich gefragt:

Wird hier nicht auch das Problem der Affirmation und Transformation des Kanons greifbar? Und inwieweit sind diese als Folge eines veränderten Geschmacks oder aber als Versuche der Destruktion historiographischer Setzungen zu verstehen? Hier verdient der Übergang von der Forschung zum Künstlerindividuum zu allgemeinen geschmackshistorischen Problemen besonderes Interesse. Wie verändert sich die Spannung zwischen Leben und Werk in der lebensgeschichtlichen Schilderung über den Künstler? Welche Topoi werden in den Sentenzen, Anekdoten und Legenden transportiert und welche kommen neu hinzu? Dabei sind vor allem die kleinen und großen Formen des Erzählens von Belang: Wie finden Sentenzen, Anekdoten und Legenden - trotz der von Kris/Kurz 1934 eingeleiteten kritischen Wende - ihr Nachleben in der modernen Monographik? Wie geht der heutige Kunsthistoriker bzw. die heutige Kunsthistorikerin mit ‚biographischem Füllmaterial’ um? Welche Formen autobiographischen Schreibens werden von der Biographik kritisch reflektiert? Wie reflektiert die Kunstgeschichte den „Tod des Autors“ und theoretische Strömungen wie New Historicism und Gender Studies in ihrer biographischen Praxis?

 

Die Vorträge sollten 20 Minuten nicht überschreiten und thesenbezogen sein, Abstracts den Umfang einer Dreiviertelseite haben.

 

Konzept und Koordination:

Elisabeth Oy-Marra, oymarra (at) uni-mainz.de

Valeska von Rosen, valeska.vonrosen (at) rub.de

Michael Thimann, thimann (at) khi.fi.it

 

III. Le Città visibili. Stadtforschung in kunsthistorischer Perspektive

 

Kaum eine europäische Kultur gilt als so „städtisch“ wie diejenige Italiens, wo die Eigenständigkeit urbaner Gebilde früh hervortrat. Sie blieb auch nach solchen Phasen erkennbar, in denen die Städte politisch an Bedeutung verloren hatten, und konnte europaweit als Modell und Vorbild dienen. Nach wie vor vermitteln italienische Städte etwas von dieser Komplexität, die sich nicht zuletzt in der architektonischen Ausdrucksform wie auch in der Kunstproduktion zeigt. Für die Kunstwissenschaft war die Stadt daher als Umfeld vieler ihrer Artefakte stets präsent, sie wurde jedoch weniger häufig selbst oder in ihrer Modellhaftigkeit zum Gegenstand der Forschung. Das hat verschiedene, auch fachgeschichtliche Gründe, von denen einige auf der Tatsache beruhen, dass die Stadt ein tendenziell „offenes Werk“ ist, das ständigen Veränderungen unterliegt und damit sowohl räumlich wie zeitlich oftmals schwer einzugrenzen ist. Diese Prozessualität als bedeutungskonstitutiv zu verstehen, Zeit als Aufbaufaktor und nicht nur als chronologische Größe zu begreifen, ist eine der methodischen Anforderungen, die sich kunsthistorischer Stadtforschung stellt. Architektur und ein hoher Anteil der künstlerischen Produktion ereignen sich hier nicht im abstrakten Raum des musée imaginaire, sondern sie gestalten konkrete Räume, in denen fast immer verdrängt, überbaut, verdichtet wird. Was man in diesem Sinn die longue durée der Stadt nennen könnte, betrifft nicht nur das Italien der antiken Traditionen in der Frühen Neuzeit, sondern auch Neugründungen, etwa in den Kolonien.

 

Die Sektion möchte zu Vorträgen ermutigen, die Städte oder auf sie bezogene Artefakte als kunstwissenschaftliche Aufgaben reflektieren. Gewünscht ist insbesondere die Erörterung räumlicher Probleme. Diese finden oft keine explizite schriftliche Niederlegung und fordern vor allem formanalytische Möglichkeiten der Kunstwissenschaft, die andere Ansätze integrieren können. Beispiele für Themenfelder sind: Vorgänge der Grenzziehung, der Besetzung und Zentrumsbildung, Verhältnisse von Inklusion und Exklusion, Ausübung räumlicher Kontrolle. Städtische Räume werden gekennzeichnet durch Überlagerungen und mehrfache Beanspruchungen, die der Soziotop Stadt als jeweils spezifische Gestalt, als individuelle Situation hervorbringt. Diese „Eigenlogik“ der Stadt - so ein Begriff der Soziologie - zeigt sich nicht nur in den jeweiligen Architekturen selbst, sondern vor allem in den räumlichen Bezügen, die zwischen diesen entstehen und bedeutungskonstitutiv werden. Wenn die Stadt dabei Momente von Konstanz wie auch starker Veränderung aufweist, sind solche Unterschiedlichkeiten interpretationsbedürftig. Gefragt ist hier nicht nur die Analyse von Architektur und urbanistischen Strukturen, sondern auch diejenige bildlicher Gattungen. Diese beschränken sich nicht auf Veduten oder Städtebilder, sondern umfassen sämtliche zeichnerische, malerische oder skulpturale Thematisierungen von Stadt sowie einzelne performative Strategien (Einzüge, Theater). Hinzu kommen Medien, die durch visuelle oder gestalterische Aufbereitung das Wissen über Stadt generierten (Karten, Modelle) und damit auf deren Wahrnehmung zurückwirkten.

Vorschläge für Referate können die Epochen vom frühen Mittelalter bis heute thematisieren. Die Vorträge sollten 20 Minuten nicht überschreiten und thesenbezogen sein, Abstracts den Umfang einer Dreiviertelseite haben.

Konzept und Koordination:

Cornelia Jöchner, Joechner (at) khi.fi.it

Elisabeth Kieven, Kieven (at) biblhertz.it

Alessandro Nova, dirnova (at) khi.fi.it

Gerhard Wolf, dirwolf (at) khi.fi.it

 

Exposés/Abstracts werden bis zum 30. November erbeten an: forum-bonn (at) italien.kunsthistoriker.net

Inhaltliche Fragen richten Sie bitte an die Koordinatoren der jeweiligen Sektionen.

Die Einladungen ergehen im Laufe des Dezember. Dir Organisatoren sind bemüht, auch diesmal eine Reisekostenerstattung für die Referentinnen und Referenten zu ermöglichen.

 

Forum Kunstgeschichte Italiens

www.italien.kunsthistoriker.net

 

Mailingliste zur Kunstgeschichte Italiens

Eine Mailingliste des Forums Italienforschung, die einem noch breiteren Informationsaustausch und einer besseren Vernetzung dienen soll, ist startbereit unter:

www.kunsthistoriker.org/mailingliste-italien.html

Bitte tragen Sie sich ein und reichen Sie diese Informationen auch im interessierten Kollegenkreis weiter!

 

Institut für Kunstgeschichte und Archäologie, Abteilung Kunstgeschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn; in Zusammenarbeit mit den beiden Max-Planck-Instituten für Kunstgeschichte, Bibliotheca Hertziana, Rom, und Kunsthistorisches Institut, Florenz, Bonn

26.03.2010-27.03.2010, Institut für Kunstgeschichte und Archäologie, Abteilung Kunstgeschichte

Deadline: 30.11.2009

 

Von:  Marcello Gaeta

Publiziert von: Kai Nonnenmacher