CfP: Das Jenseits der empirischen Wissenschaft. Die Literatur und der Reisebericht im 18. Jahrhundert und um 1800
- Ort: Lausanne
- Beginn: 26.05.11
- Ende: 28.05.11
- Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft, Weitere Teilbereiche
- Sprachen: Französisch, Sprachenübergreifend
- Frist: 01.10.10
CFP: Das Jenseits der empirischen Wissenschaft. Die Literatur und der Reisebericht im 18. Jahrhundert und um 1800
Frist: 01.10.2010
Exposé / Call for papers:
Das Jenseits der empirischen Wissenschaft
Die Literatur und der Reisebericht im 18. Jahrhundert und um 1800
Internationale Tagung, Université de Lausanne, 26.-28. Mai 2011
Organisation: Markus Winkler, Maximilian Bergengruen (beide Genf) und
Francois Rosset (Lausanne)
Daniel Kehlmann glückte 2005 mit seinem Roman Die Vermessung der Welt
ein maßgeblicher Welterfolg. Sein Thema war, neben dem Herausarbeiten
der komischen Schattenseite des entdeckerischen Ernstes, die
überraschende Gleichförmigkeit von äußerster Empirie und innerstem
Intellekt bei der Vermessung der Welt im ausgehenden 18. und frühen 19.
Jahrhundert.
In gewissem Sinne übergeht Kehlmann bei seiner kühnen Engführung von
Geografie und Mathematik einen Zwischenschritt, der im vorliegenden
Tagungsprojekt sichtbar gemacht werden soll: die empirische Wissenschaft
auf heimischem Boden. Denn die Vermessung der Fremde, in vielen Fällen:
der außereuropäischen Welt, steht nicht nur in einem Konkurrenz- und
Koinzidenzverhältnis zur mathematischen, sondern auch zur empirischen
Wissenschaft, die das eigene Land bzw. den eigenen Kontinent wie
selbstverständlich absolut gesetzt hat: ein Agon zwischen der Erkundung
des "lebendigen Detail[s]" in der Fremde und der "todte[n] papierne[n]"
Fachwissenschaft zuhause (Hölderlin). Widmet man sich diesem intrikaten Wechselverhältnis, entstehen eine Reihe von Fragen: Wie steht jene Form der Erfahrungswissenschaft, die ihre Versuche, Vermessungen und Beobachtungen auf heimischen Boden macht, zu denjenigen Forschern, welche die Grenzen des Landes oder Europas überschreiten? Oder andersherum gefragt: Können diejenigen Studien, die jenseits der Heimat gemacht werden, einen blinden Fleck der Wissenschaft sichtbar machen, die von der ganzen Natur, vom ganzen Menschen sprach, aber die eigene Natur und den hiesigen Menschen meinte? Wie manifestiert sich in der entstehenden Wissenschaft vom Menschen (Anthropologie und Ethnologie) die Spannung zwischen dem sprunghaft wachsenden Wissen von außereuropäischen Ethnien und den traditionellen, eurozentrisch geprägten Ansichten vom Menschen? Kann also die Erfahrungswissenschaft, die sich das geografische Jenseits als Ort wählt, ein Jenseits der einheimischen Empirie markieren?
Auf der Tagung soll herausgearbeitet werden, wie die Erfahrungen, die
Reisende in jenem geographischen Jenseits machten, das Wissen von der
Natur und vom Menschen und dessen literarische Verfasstheit veränderten.
Zu denken ist etwa an die Missionsreisen von Joseph François Lafitau
(Amerika), Martin Dobrizhoffer (Amerika) oder David Cranz (Grönland) und
an Forschungsreisen wie die von Engelbert Kämpfer (Ostasien), Ernst
Christoph Barchewitz (Indien), John Byron (Südsee), Bougainville
(Südsee), Reinhold und Johann Georg Forster (Südsee), Carsten Niebuhr
(Orient), Volney (Orient, USA), Alexander von Humboldt (Amerika),
François Levaillant (Südafrika), Mungo Park (Zentralafrika), aber auch
Johann Gottfried Edel (Schweizer Alpen), Ramon de Carbonières
(Pyrenäen), Horace-Bénédict de Saussure (Alpen) und Jean Potocki
(Niedersachsen, Kaukasus, Marokko). Auf welche Weise reagieren
passionierte Leser von Reisebeschreibungen wie Jean-Jacques Rousseau,
Denis Diderot, Immanuel Kant, Johann Friedrich Blumenbach, Johann
Gottfried Herder, Friedrich Hölderlin, Lord Byron oder Benjamin Constant
in ihren Texten auf das neue Wissen? Gibt es Auswirkungen auf die
teleologische Reiseliteratur der Romantik? Kann der Reiseroman in diesem
Bereich des vielleicht abgesteckten, keineswegs jedoch gefestigten
Wissens eine eigene Position finden? Greifen die literarischen Autoren
die Horizonterweiterung der wissenschaftlichen Reiseberichte auf oder
versuchen sie mit allen Mitteln, das aufscheinende epistemische Jenseits
zu unterdrücken?
Diesen Fragen soll auf einer internationalen Fachtagung, die
insbesondere die historischen Forschungstätigkeiten und die Literatur im
deutsch-, französisch- und englischsprachigen Raum des 18. und (sehr)
frühen 19. Jahrhunderts (inklusive wechselseitiger Verflechtungen) in
den Blick nimmt, diskutiert werden. Vorgesehen sind etwa achtzehn
dreißigminütige Vorträge in deutscher, französischer und englischer
Sprache.
Bitte senden Sie bei Interesse ein Exposé von einer halben, maximal
einer Seite bis zum 1. Oktober 2010 an Antonia.Eder@unige.ch.
Antonia Eder
Boulevard des Philosophes 12
CH-1204 Genève
+41(0)22 379 72 54
antonia.eder@unige.ch
www.unige.ch/lettres/alman/index.html
Publiziert von: Barbara Ventarola