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19.09.2012

CfP: Sektion "Das Wort als Einheit: Grundlagen und Grenzfälle", Romanistentag 2013

  • Ort: Würzburg
  • Beginn: 22.09.13
  • Ende: 25.09.13
  • Disziplinen: Sprachwissenschaft
  • Sprachen: Sprachenübergreifend
  • Frist: 15.11.12

Das Wort gilt als intuitiv erfassbare sprachliche Einheit. Dennoch ist unter sprachwissenschaftlicher Perspektive alles andere als klar, was ein Wort ist und welche Klassen von Wörtern sinnvollerweise unterschieden werden sollten. Eine Betrachtung im Lichte aktueller Ansätze zu den Schnittstellen von Phonologie, Morphologie und Syntax lässt neue Erkenntnisse dazu erwarten, was ein Wort ausmacht und welche Typen von Wörtern es gibt.

 

Wörter lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien und auf verschiedenen Granularitätsebenen klassifizieren. Ein wichtiger Ansatz ist sicherlich die Einteilung in Wortarten. Manche Wortartenklassifikationen begründen eine Unterteilung der Wörter in Klassen primär nach semantischen Kriterien (Hopper & Thompson 1984, Croft 1991). Andere basieren darauf, dass Wörter mit gleichen oder ähnlichen morphosyntaktischen Eigenschaften zusammengefasst werden (Baker 2003). Seit langem ist aber bekannt, dass es sich bei manchen Untertypen um hybride Wortarten handelt. So zeigen Partizipien in mehreren romanischen Sprachen sowohl Eigenschaften, die für Verben charakteristisch sind, als auch typische Merkmale von Adjektiven (frz. "j'ai payé la facture" – "la facture payée le jour même"; "une histoire amusant beaucoup les enfants" – "une histoire très amusante") (Helland 2000). In manchen theoretischen Ansätzen, wie z. B. der Distributed Morphology, werden derartige Beobachtungen dadurch erklärt, dass Wörter nicht von vornherein, d. h. im Lexikon, einer Wortart zugeordnet sind, sondern dass sich – bedingt durch die Bedeutung eines Wortes, oder besser, seiner Bestandteile – distributionelle Unterschiede erst sekundär ergeben (Harley & Noyer 1999). Sind Wortartenunterscheidungen für die moderne Sprachwissenschaft also überhaupt noch relevant?

 

Neuere Forschungen haben wiederum gezeigt, dass die Unterscheidung zwischen Inhaltswörtern und Funktionswörtern von großer Relevanz ist, was durch eine Reihe von sprachlichen Phänomenen belegt werden kann: So entwickeln einerseits allein Funktionswörter (wie Artikel, Pronomina, Präpositionen) klitische Varianten (wie frz. "le", "la", "les" vs. "lui", "elle", "eux") und Portemanteau-Formen (wie frz. "de le" > "du"), andererseits spielen nur Inhaltswörter (wie Nomen, Verben, Adjektive) eine Rolle für die Bestimmung des lautlichen "Gewichtes" einer Phrase, das z. B. die Wortstellung beeinflussen kann (Selkirk 1984, D’Imperio, Elordieta, Frota, Prieto & Vigário 2005). Die Unterscheidung zwischen Inhalts- und Funktionswörtern ist auch mit derjenigen zwischen "betonten" und "unbetonten" Wörtern verwandt. Im Bereich der "unbetonten" Wörter ist der Wortstatus vor allem der klitischen Pronomina überhaupt umstritten. Französische klitische Pronomina beispielsweise werden von manchen Wissenschaftlern den Affixen zugerechnet (vgl. Kaiser 1992). Ihre Stellungsmöglichkeiten sind allgemein begrenzter als die "typischer" Wörter, und sie sind nicht betonbar; allerdings sind ihre Stellungsmöglichkeiten freier als die von echten Affixen.

 

Doch was ist überhaupt ein Wort? Für Komposita beispielsweise lässt sich fragen, ob sie ein oder mehrere Wörter darstellen (z. B. Guevara 2012). So können italienische Komposita zwei Akzente haben, wie "pòrtaocchiáli", im Gegensatz zu einfachen Wörtern, die stets nur einen Akzent aufweisen (Nespor 1999). Manche Wissenschaftler zählen auch lexikalisierte Phrasen aus Nomen und Präpositionalphrase, wie span. "máquina de escribir", zu den Komposita, obwohl sie anderer Auffassung nach aus mehreren Wörtern bestehen (Corbin 1992, Bisetto & Scalise 2005). Mehr als einen Akzent besitzen auch spanische Adverbien, wie "prácticamente" (Suñer 1975), also Wörter, bei denen es sich einer verbreiteten Meinung zufolge gar nicht um Komposita, sondern um derivierte Formen handelt. Nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen Fällen kann in der Entwicklung der romanischen Sprachen beobachtet werden, dass sich freie Wörter zu gebundenen Formen, also zu Klitika oder Affixen entwickeln (Ledgeway 2011). Wie genau diese Reduktionsprozesse verlaufen und welchen Beschränkungen sie unterliegen, ist trotz der Einschlägigkeit von Beispielen wie dem Affix "-mente/-ment" oder dem romanischen Futur und Konditional nicht vollständig geklärt.

 

Die Sektion hat das Ziel, sich mit dem Wortbegriff auseinanderzusetzen, ihn zu präzisieren und gegebenenfalls zu relativieren. Es soll in diesem Rahmen die These überprüft werden, dass bei der Realisierung von Sprache (und damit auch bei der Klassifizierung von Spracheinheiten) die Unterscheidung in Wörter weniger zentral ist als die Unterscheidung in lexikalisches und grammatisches Material. Willkommen sind Arbeiten zur lautlichen Dimension, zu Form, Distribution und Semantik der Einheit "Wort" und ihrer Bestandteile in allen romanischen Sprachen und Varietäten unter diachroner und synchroner Perspektive.

 

Bei Interesse an einem Beitrag bitten wir Sie um Zusendung Ihres Abstracts bis zum 15. November 2012.

 

Sektionsleitung: Sandra Ellena (Würzburg), Judith Meinschaefer (Berlin)

Kontakt: sandra.ellena@uni-wuerzburg.de, judith.meinschaefer@fu-berlin.de

 

 

Bibliographie:

- Baker, Mark C. 2003. Lexical Categories. Cambridge: Cambridge University Press.

- Bisetto, Antonietta & Sergio Scalise. 2005. "The classification of compounds." Lingue e linguaggio 4: 319-330.

- Corbin, Danielle. 1992. "Hypothèses sur les frontières de la composition nominale." Cahiers de grammaire 17: 25-55.

- Croft, William. 1991. Syntactic categories and grammatical relations: the cognitive organization of information. Chicago: University of Chicago Press.

- D’Imperio, Mariapaola, Gorka Elordieta, Sónia Frota, Pilar Prieto & Marina Vigário. 2005. "Intonational phrasing in Romance: The role of syntactic and prosodic structure". In Prosodies: with special reference to Iberian languages, hrsg. v. Sónia Frota, Marina Vigário & Maria João Freitas, 59-98. Berlin: Mouton de Gruyter.

- Guevara, Emiliano R. 2012. "Spanish compounds." Probus 24: 175-195.

Harley, Heidi & Rolf Noyer. 1999. "Distributed Morphology" Glot International 4: 3-9.

- Helland, Hans Petter. 2000. "Le passif verbal et le passif adjectival". In Le passif, hrsg. v. Lene Schøsler, 83-98. Kopenhagen: Museum Tusculanum Press.

- Hopper, Paul J. & Sandra A. Thompson. 1984. "The discourse basis for lexical categories in universal grammar." Language 60: 703-752.

- Kaiser, Georg. 1992. Die klitischen Personalpronomina im Französischen und Portugiesischen. Frankfurt a. M.: Vervuert.

- Ledgeway, Adam. 2011. "Grammaticalization from Latin to Romance". In: The Oxford Handbook of Grammaticalization, Hrsg. v. Heiko Narrog & Bernd Heine, 719-728. Oxford: Oxford University Press.

- Muysken, Pieter. 2008. Functional categories. Cambridge: Cambridge University Press.

- Nespor, Marina. 1999. Stress domains. In: Word prosodic systems in the languages of Europe, hrsg. v. Harry van der Hulst, 117-160. Berlin: de Gruyter.

- Selkirk, Elisabeth O. 1984. Phonology and syntax: the relation between sound and structure. Cambridge: MIT Press.

- Suñer, Margarita. 1975. "Spanish Adverbs: Support for the Phonological Cycle?" Linguistic Inquiry 6: 602-605.

 

 

Von:  Sandra Ellena

Publiziert von: RZ