Das Mittelmeer: Poesie und Politik eines Raumes 1860-1960
- Ort: Berlin
- Beginn: 04.07.08
- Ende: 05.07.08
- Disziplinen: Medien-/Kulturwissenschaft
- Sprachen: Italienisch
Das Mittelmeer: Poesie und Politik eines Raumes 1860-1960 /
The Mediterranean: Poetics and Politics 1860-1960
Das Kunsthistorischen Institut in Florenz (Max-Planck-Institut) veranstaltet in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Museen zu Berlin die internationale Tagung "Das Mittelmeer. Poetik und Politik eines Raumes 1860-1960.
Konzeption: Hannah Baader und Gerhard Wolf in Zusammenarbeit mit Claus-Peter Haase (Museum für Islamische Kunst - SMB)
Die Tagung steht in Zusammenhang eines größeren Forschungsprojektes zur Kunstgeschichte des Mittelmeerraumes (Gerhard Wolf) und zum Meer als Gegenstand wie Grenzfall der Repräsentation (Hannah Baader) und soll Fächer- und Nationalstaaten übergreifend nach der Bedeutung des Konzeptes von Mittelmeer und Mittelmeerraum in den Künsten, den Literaturen und Historiographien, sowie der Urbanistik und Museumsgeschichte fragen.
Ausgangspunkt für die Tagung stellt die Relektüre von Fernand Braudels Buch "La Méditerranée et le Monde mediterranéen à l'époque de Philippe II" (Paris 1949) dar. Konzipiert in Paris, Algier, Dubrovnik und São Paolo, verfasst zu einem nicht unerheblichen Teil in Lübeck in deutscher Kriegsgefangenschaft, entstand das Werk fast zeitgleich mit Carl Schmitts Schrift "Land und Meer" (1942) oder Rudolf Borchardts Versuch über die Seerepublik "Pisa" (1932-1936; 1938).
Ebenfalls in die dreißiger Jahre fällt die Gründung des Centre Universitaire Méditerranéen in Nizza (1933), dessen erster Direktor Paul Valéry war. Er hatte 1921 mit "Eupalinos" einen Text vorgelegt, in welchem dem jungen Sokrates am Ufer des Mittelmeeres ein Objekt als Strandgut vor die Füße gespült wird, dessen Status zwischen Natur und Kultur sich als nicht bestimmbar erweist.
Im faschistischen Italien kommt es zu einer geopolitischen Zelebration der zentralen Lage des Landes im Mittelmeerraum, was sich auch in den urbanistischen Projekten fassen lässt. Der Ägypter Taha Husayn insistiert auf der Rolle des Mittelmeeres für das historische und kulturelle Selbstverständnis seines Landes (1938). Vermutlich zum ersten Mal durch Rifâ'a al-Tahtâwît (1801-1873), bezeichnet die arabische Welt das Mittelmeer nicht länger nur als ‚Raum der Anderen’ (Al-Bahr-al-rûm, Meer der Römer), auch als al-bahr al-Abyad, weißes Meer (in Übersetzung aus dem Türkischen) oder als al-bahr al-Mutawassit - das 'Meer der Mitte'.
Diesen sehr unterschiedlichen Versuchen einer Beschäftigung mit dem Mittelmeer - als einem Kulturraum von jeweils unterschiedlich gedeuteter Einheitlichkeit, einem Raum von der Ereignisgeschichte enthobener Dauerhaftigkeit, dem Subjekt der Geschichte, als einem Raum der politischen Vision, des schnöden Geschäftes oder der Ununterscheidbarkeit von Natur und Kultur - geht eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den frühen Kulturen des Mittelmeerraumes und des Vorderen Orient voraus, denen nicht zuletzt auch Aby Warburgs Arbeiten zuzurechnen sind. Ebenfalls um die Jahrhundertwende kommt es zur Gründung von neuen, diesen Kulturen gewidmeten Museen und Sammlungen.
Innerhalb eines zeitlichen Rahmens, der politisch vom Zerfall des Osmanischen Reiches (Krimkrieg 1853-56) und der Öffnung des Mittelmeeres zum Roten Meer und Indischen Ozean durch den Bau des Suezkanals (1869) bis in die frühen sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, d.h. in die Zeit der Suezkrise (1956) und dem Ende des Algerienkrieges (1962) reichen soll, fragt die Tagung nach der Geschichte der Erforschung und der Konstruktion einer kulturellen Topographie des Mittelmeerraumes, seiner Bedeutung für die Vorstellungen von Kulturräumlichkeit überhaupt und seiner Rolle in einer Landkarte des Imaginären.
Unter der Prämisse, dass die Auseinandersetzung der Moderne mit dem Mittelmeer noch zu erforschen ist, gilt sie dem Mittelmeerraum als einem vermeintlichen Ort des Ursprungs der je eigenen Kultur und Religion, der gleichzeitigen Begegnung mit dem je Anderen, Fremden, dem Ort der Geburt des logos und dem Raum der Geschichte schlechthin, der zugleich jenseits der Geschichte steht.
Termin: 4. Juli 2008 bis 5. Juli 2008
Veranstaltungsort
Pergamonmuseum - Staatliche Museen zu Berlin
Theodor Wiegand Saal
Am Kupfergraben 5
10177 Berlin
Ansprechpartner
Dr. Hannah Baader
Tel.: +39 055 24911-73
E-mail: baader@khi.fi.it
PROGRAMM
FREITAG, 4. JULI
09.45 h Begrüßung
10.00 h Hannah Baader/Gerhard Wolf, Florenz - Einführung
10.30 h Thomas Hauschild, Halle - Bild und Trance im Mittelmeerraum
Pause
11.30 h Areti Adamopoulou/Michael Fotiadis, Ioannia - Longing for Authentic Humanity in the Mediterranean: Refractions in Post-World War II Greece
12.15 h Olga Tamburini, Neapel - Mare nostrum: Roman Lake, Italian Lake. Refractions and Distorted Perceptions at the Beginning of the 20th Century
Pause
14.30 h Alexander Gall, München - Das Mittelmeer als "Kraftquelle". Herman Sörgel und sein Atlantropaprojekt
15.15 h Avinoam Shalem, München/Florenz - "Vivre l’art dégénéré": Modern Whispers in Cairo
Pause
16.15 h Ara H. Merjian, Stanford - To Mediterraneanize Painting: Giorgio de
Chirico, Friedrich Nietzsche, and the 'South at Any Cost'
17.00 h Frederick N. Bohrer, Maryland - Mediterranean Archaeology and the
Photographic Imagination
Besuch der Ausstellung: Babylon
SAMSTAG, 5. JULI
10.15 h Visuelle Kulturen des Mittelmeerraums in den Berliner Museen
Diskussion vor ausgewählten Objekten mit Claus-Peter Haase
12.15 h Film by Lázló Moholy-Nagy: Marseille Vieux Port, 1932 with an introduction by Robin Curtis
Pause
14.30 h Alina Payne, Cambridge - Portable Ruins: The Pergamon Altar and
German Art History at the fin de siècle
15.15 h Eva Cancik Kirschbaum, Berlin - /Ex oriente.../: Re-Konstruktionen eines Kulturraumes im 17.-19. Jh.
Pause
16.15 h Sigrid Weigel, Berlin - Das Mittelmeer aus der Perspektive des
Schwarzen Meeres. Topographie und kulturelle Semantik im thalassischen
Europadiskurs
17.00h Round Table: Musealizing the Mediterranean?
Publiziert von: Kai Nonnenmacher