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01.07.2010

Strategien von Autorschaft in der Romania

  • Ort: Mannheim
  • Beginn: 24.06.10
  • Ende: 26.06.10
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Spanisch, Weitere romanische Sprachen, Sprachenübergreifend

Strategien von Autorschaft in der Romania.

Zur Neukonzipierung einer Kategorie im Rahmen literatur-, kultur-

und medienwissenschaftlich basierter Geschlechtertheorien

 

Rückblick auf eine internationale Tagung an der Universität Mannheim.

Vom 24. bis 26. Juni 2010 trafen an der Universität Mannheim Romanistinnen und Romanisten aus dem In- und Ausland zusammen, um das literaturwissenschaftliche Konzept der Autorschaft zu diskutieren. Auf Einladung von Frau Prof. Dr. Claudia Gronemann und Frau Dr. Tanja Schwan vom Romanischen Seminar, die das Projekt in Kooperation mit Frau PD Dr. Cornelia Sieber vom Ibero-Amerikanischen Forschungsseminar der Universität Leipzig und mit Unterstützung des Rektorats sowie der Philologischen Fakultät durchführten, stellten renommierte Spezialist/innen und junge Wissenschaftler/innen in ihren Tagungsbeiträgen Fallbeispiele aus der romanischen Literatur-, Kultur- und Mediengeschichte zur Diskussion. Autorinnen und Autoren der Alten Romania von Frankreich über Belgien bis nach Italien und Spanien waren dabei ebenso vertreten wie solche aus den (post )kolonialen Schreibräumen der Neuen Romania, Lateinamerika und Maghreb.

 

Mit dieser Vielfalt der Forschungsperspektiven konnte eine zentrale Idee der Tagung erfolgreich umgesetzt werden: Längst bildet Autorschaft als Basiskategorie literaturwissenschaftlicher Forschung kein statisches Modell mehr; vielmehr ist sie als dynamischer Prozess nur in der wechselseitigen Bedingtheit und Interaktion von weiblicher und männlicher Autorschaft historisch adäquat zu beschreiben. Die traditionelle Konzeption eines Autors als stillschweigend ‚männlich‘ gilt es gleichermaßen zu vermeiden wie die in feminozentrischen Gegenentwürfen einer réécriture der Literaturgeschichte betriebene einseitige Konzentration auf den ‚markierten‘ (Sonder-)Fall weiblicher Autorschaft. Nimmt man den Anspruch einer konsequenten Gender-Orientierung der Kultur- und Mediengeschichte ernst, so greifen beide herkömmlichen Ansätze zu kurz und fordern zu einer kritischen Revision heraus. Innerhalb der Romanistik betritt man damit Neuland – wurden Inszenierungen von Autorschaft doch bis dato nirgends geschlechter-, zeit- und kulturübergreifend erfasst.

 

Im Anschluss an eine kurzweilige Eröffnung der Tagung durch den Dekan, Herrn Prof. Dr. Johannes Müller-Lancé, in der die jüngsten Entwicklungen der Mannheimer Romanistik (u.a. das hervorragende Abschneiden beim CHE-Ranking) zur Sprache kamen, skizzierten die Veranstalterinnen einige Eckpunkte zur Verankerung des Tagungskonzepts im Rahmen aktueller Theoriemodelle von Gender (Schwan), Kultur (Sieber) und Medien (Gronemann). Danach folgten in weitgehend chronologischer Reihenfolge Vorträge zu den individuellen Schreibkonzepten, Selbststilisierungen und Kommunikationsstrategien sowohl kanonisierter als auch marginalisierter Autor/innen des 16. bis 21. Jahrhunderts im Kontext ihrer jeweiligen historisch-kulturellen und medialen Konstellationen.

 

Im Ergebnis zeigte sich, dass weibliche Autorschaft nicht nur in der Vormoderne – in der französischen Renaissance etwa bei Louise Labé (Ursula Hennigfeld, Freiburg) oder im mexikanischen Barock bei Sor Juana Inés de la Cruz (Nanette Rißler-Pipka, Siegen) – einer besonderen Legitimation bedurfte, sondern dass die (nicht zuletzt sozial motivierte) Mehrfach-Absicherung auch und gerade im 19. Jahrhundert die Regel blieb, trotz einer Vervielfältigung der Konzeptionen bspw. in Spanien (Ursula Jung, Bochum), zumal in periodischen (Zeitschriften-)Publikationen (Henriette Partzsch, St Andrews), sowie im literarischen Feld Frankreichs und Italiens der vorletzten Jahrhundertwende (Rotraud von Kulessa, Freiburg). Gender, so wurde einmal mehr deutlich, erhält seine Relevanz als Analyseparameter erst im Verbund mit der gesellschaftlich-kulturellen Verortung der Autor/innen und der Gattungszuordnung ihrer Werke. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach den Kontinuitäten und Bruchlinien innerhalb des Diskursmodells der Querelle des Femmes – oder, treffender: Querelle des Sexes – neu.

 

Männliche Autorschaft konstituiert sich hingegen auch in der Moderne vielfach noch anhand von Konzepten wie dem des zum Medium göttlicher Inspiration berufenen poeta vates à la Rimbaud (Bernhard Teuber, München) oder dem des in Flaubert’scher Manier gleich einem Dieu caché verborgenen Strippenziehers seiner Texte und Figuren (Tanja Schwan, Mannheim). Jenes Modell zwischen Ermächtigung und Entmächtigung, zwischen Manifestation und Verschwinden der Autorposition zieht sich, gekoppelt an eine literarische Tradition des Nicht(s)-Erzählens, bei dem Belgier Jean-Philippe Toussaint (Anna-Sophia Buck, Paris) bis in die Gegenwart.

 

Neuere Modelle von Autorschaft erproben die italienische Autorin Lalla Romano mit ihren Autofiktionen (Christine Ott, Marburg/Cambridge, Mass.) oder die bedeutendsten Vertreter der algerischen Literatur, Assia Djebar und Kateb Yacine, in postkolonialen Inszenierungen kollektiver Textproduktion (Claudia Gronemann, Mannheim). Beispiele für die Umcodierung eingeübter Sehdispositive bietet das filmische Œuvre der französischen Regisseurin Catherine Breillat (Uta Felten, Leipzig). Mithilfe einer Genderisierung des Tierreichs erheben Clarice Lispector (Brasilien) und Margo Glantz (Mexiko), gemäß der These Claudia Leitners (Wien), Einspruch gegen die Austreibung des Leibes aus einer konstruktivistisch verabsolutierten Theoriebildung.

Der Fall der Elissa Rhaîs (Regina Keil-Sagawe, Heidelberg), Ende des 20. Jahrhunderts als literarisches Phantom der Zwischenkriegszeit gelüftet, zeigt in seiner Entwicklung zum Selbstläufer, wie sehr der Autor(name), im Besitz aller, eine Textgenerierungsmaschinerie in Gang zu setzen vermag. Der jüngste, in den Medien kontrovers verhandelte Literaturskandal um die junge Berliner Autorin Helene Hegemann wiederum wurde im Beitrag von Gregor Schuhen (Siegen) aufgegriffen und verdeutlichte zum Abschluss der Tagung noch einmal die eminente Aktualität unserer Fragestellung.

 

Nach dem Kolloquium „Blickpunkt Lateinamerika. Aktuelle Ansätze medien-, kultur- und literaturwissenschaftlicher Forschung“, das im Vorjahr ebenfalls unter der Regie von Claudia Gronemann stattgefunden hatte, ist die hier beschriebene bereits die zweite Tagungsveranstaltung der neu aufgestellten Abteilung für Literatur- und Medienwissenschaft am Romanischen Seminar. Wie schon vor einem Jahr die Auftaktveranstaltung, hätte auch das jetzige Vorhaben ohne die tatkräftige Mithilfe des Organisationsteams um Frau Birgit Olk nicht realisiert werden können. Im kommenden Jahr soll die Serie der Mannheimer romanistischen Tagungen übrigens fortgesetzt werden.

 

Tanja Schwan

 

Von:  Tanja Schwan

Publiziert von: Barbara Ventarola