Die Darstellung des Inkommensurablen in der französischen und deutschen Geschichtsliteratur des 19. Jahrhunderts Représentation de l’histoire entre mise en scène et mise en question.
- Ort: Paderborn
- Beginn: 14.02.14
- Ende: 15.02.14
- Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
- Sprachen: Französisch, Sprachenübergreifend
Die Geschichtsliteratur des 19. Jahrhunderts gilt als schlicht. Getragen von einem unerschütterlichen Vertrauen in die Sinnhaftigkeit und Erkennbarkeit von Geschichte, habe sie sich überwiegend mit einer simplen Repräsentationsästhetik begnügt. Daß der Sinn der Geschichte (wenn man überhaupt an der Vorstellung eines solchen festhält) nur indirekt darstellbar ist, wird gewöhnlich als eine Position erst des 20. Jahrhunderts angesehen und auf die Erfahrung des „Zivilisationsbruchs“ im Gefolge der großen Menschheitsverbrechen zurückgeführt.
In Wirklichkeit begann das Nachdenken über das Problem aber bereits um 1800. Im Kreis der deutschen Frühromantiker wurde es unter dem Begriff des „Inkommensurablen“ diskutiert. Damit war zunächst die Diskrepanz zwischen Erfahrung und Idee gemeint, in einem weiteren Sinn aber alles, was in Begriffen nicht aufgeht – das ‘Unbegreifbare’ und ‘Unermeßliche’. Für die Romantiker war das keine Restgröße, die man vernachlässigen kann. Vielmehr haben sie es zum Ausgangspunkt ihrer Erkenntnis- und Darstellungsüberlegungen gemacht.
Bezogen auf die Geschichte ergab sich daraus eine Historik der Näherung an einen prinzipiell unverfügbaren Sinn und ein Experimentieren mit Darstellungsformen, die das nicht vollständig in Sprache Übersetzbare unbegrifflich zur Anschauung bringen sollten. Mit diesem Ansatz begründeten die Romantiker einen Strang von Geschichtsliteratur, der sich durch das gesamte 19. Jahrhundert verfolgen läßt. Er bildet den Gegenstand des internationalen und interdisziplinären Paderborner Arbeitsgesprächs. Vergleichend soll gefragt werden, wie man in der Geschichtsschreibung und im Geschichtsdrama bzw. Geschichtsroman mit dem Problem umgegangen ist. Zudem soll diskutiert werden, ob in der französischen und in der deutschen Literatur unterschiedliche Problemlösungen institutionalisiert wurden.
Programm
14. Februar
13.30-14.00 Uhr
Johannes Süßmann – Stefan Schreckenberg – Sabine Schmitz (Paderborn)
Begrüßung und Einführung
1. Sektion – Inkommensurable Ereignisse
14.00-14.20 Uhr
Anna Karla (Köln)
Restrisiko: Erzähltechniken der Erklärungsnot in der Zeitgeschichtsschreibung zur Französischen Revolution
14.30-15.00 Uhr
Pause
15.00-15.20 Uhr
Hendrik Schlieper (Essen)
Die Applizierbarkeit der Geschichte. Alexandre Dumas père, « La Reine Margot » (1844/1845)
15.30-15.50 Uhr
Johannes Süßmann (Paderborn)
Die Bartholomäusnacht in der Geschichtsschreibung Rankes und Michelets
16.00-16.30 Uhr
Forumsdiskussion: Die Bartholomäusnacht als Modell für die Historisierung der Revolution? Moderation: Iwan-Michelangelo D’Aprile (Potsdam)
16.30-17.00 Uhr
Pause
2. Sektion – Inkommensurabilität und literarische Genres
17.00-17.20 Uhr
Stefan Schreckenberg (Paderborn)
Geschichte als Drama? Zur Geschichtskonzeption im Theater der französischen Romantik
17.30-17.50 Uhr
Niklas Bender (Tübingen)
Überlegungen zur Geschichtspoetik im historischen Roman der Romantik und des Realismus
18.00-18.30 Uhr
Pause
18.30-18.50 Uhr
Sabine Schmitz / Marie Weyrich (Paderborn)
Dévoilement de l’Histoire ou univers autarcique :« La Légende d’Ulenspiegel » de Charles de Coster au carrefour de l’H/histoire et de la légende
19.00-19.30 Uhr
Forumsdiskussion: Zwingt die Darstellung des Inkommensurablen zur Überschreitung von Genrekonventionen? Moderation: Simon Bunke (Paderborn)
20.00 Uhr
Abendessen
3. Sektion – Figuren der Inkommensurabilität
15. Februar
09.00-09.20 Uhr
Elisabeth Décultot (Paris/Berlin)
Der Künstler als Held und Außenseiter. Zur historiographischen Bedeutung des Künstlerromans zwischen Fiktion und Geschichte
09.30-10.00 Uhr
Forumsdiskussion: Der Künstler als Institutionalisierung des Inkommensurablen? Moderation: Sabine Schmitz (Paderborn)
10.00-10.30 Uhr
Pause
4. Sektion – Dramatik der Inkommensurabilität
10.30-10.50 Uhr
Daniel Fulda (Halle)
„Wer poetische Ideen in die wirkliche Welt einführt, steht in Gefahr mit prosaischen die Poesie zu verfälschen.“ Grillparzers Kritik an der historistischen Ineinssetzung von Sein und Sinn
11.00-11.20 Uhr
Hans-Joachim Lope (Marburg)
« Romulus a tué son frère. La ville est fondée ». Bemerkungen zu den historischen Dramen Ernest Renans
11.30-12.00 Uhr
Forumsdiskussion: Das Geschichtsdrama als Form der Einhegung von Inkommensurabilität? Moderation: Stefan Schreckenberg (Paderborn)
12.00-12.30 Uhr
Schlußrunde
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