CfP: Mitwirkung an einem Lehrbuch "Balzacs Sarrasine. 12 Modellanalysen"
- Ort: Bremen
- Beginn: 29.04.09
- Ende: 30.06.09
- Disziplinen: Literaturwissenschaft
- Sprachen: Französisch
- Frist: 30.06.09
Aufruf an NachwuchswissenschaftlerInnen zur Mitwirkung an einem Lehr- und Arbeitsbuch
Konzeption: Natascha Ueckmann, Karen Struve, Elke Richter (Universität Bremen)
Konzept und Ziel des Bandes
Der Band will ein Spektrum an unterschiedlichen Möglichkeiten der Annäherung an Literatur aufzeigen, indem er auf anschauliche Weise zentrale Forschungsmethoden und literaturtheoretische Ansätze in Modellanalysen erprobt. Als Primärtext ausgewählt wurde dazu Honoré de Balzacs vielschichtige Erzählung Sarrasine (1830), an der sich die Vielfältigkeit von literarischen Interpretationen und ihrer Erkenntnispotenziale paradigmatisch vor Augen führen lässt. Literaturtheorien sollen konkret auf diesen Text angewandt und „ausprobiert“ werden. Insbesondere Studierenden der Frankoromanistik, aber auch literaturwissenschaftlich interessierten LeserInnen soll eine Übersicht und damit die Möglichkeit der Orientierung über verschiedene Methoden der Literatur- und Kulturwissenschaften geboten werden. Hierfür haben wir zentrale Theorieansätze ausgewählt, die von ausgewiesenen Wissenschaftler/innen präsentiert, reflektiert und erprobt werden. Die Besonderheit des Bandes besteht darin, dass die einzelnen Methoden nicht nur vorgestellt und in ihrer wissenschaftstheoretischen Bedeutung reflektiert werden, sondern dass sie alle am selben Untersuchungsgegenstand, eben an Balzacs Novelle Sarrasine, eine exemplarische Anwendung finden. Im Nebeneinander der verschiedenen Modellanalysen können die Potenziale, aber auch die Grenzen der verschiedenen Methoden besonders deutlich hervortreten.
Im Zentrum des Bandes steht die Vermittlung von spezifisch literaturwissenschaftlichem Know-How. Es ist ein Lehr- und Arbeitsbuch im besten Sinne, in dem den LiteraturwissenschaftlerInnen bei ihrem Handwerk über die Schulter geschaut werden kann. Es handelt sich damit nicht um einen Sammelband zu unterschiedlichen Literaturtheorien, sondern um deren Anwendung auf einen literarischen Bezugs-Text.
Ein weiteres, wichtiges Ziel des Bandes ist es, die Potenziale der verschiedenen literaturtheoretischen Interpretationsverfahren erstmals für die Frankoromanistik vorzuführen. Die Notwendigkeit ergibt sich dabei aus der Praxis: Unsere langjährige Lehrerfahrung an verschiedensten Universitäten führte uns immer wieder vor Augen, wie wichtig es ist, literaturtheoretisches Wissen modellhaft an Texten zu vermitteln und dabei die Besonderheit der Literaturwissenschaft, die eine Vielzahl von theoretischen Annäherungen an ihre Gegenstände bietet, zu betonen. In Anlehnung an die impulsgebenden Bände mit den acht Modellanalysen zu Kleists Erzählung „Das Erdbeben in Chili“ (Positionen der Literaturwissenschaft, hg. von David E. Wellbury, 1987, 5. Aufl. 2008) und die zehn Modellanalysen zu Kafkas „Urteil“ (Kafkas „Urteil“ und die Literaturheorie, hg. von Oliver Jahraus und Stefan Neuhaus, 2002, 2. Aufl. 2005) soll so ein Lehrbuch entstehen, mit dem Romanistikstudierende erstmalig mit einem Primärtext ihrer studierten Sprache arbeiten. Anhand der den Modellanalysen vorausgeschickten Einführungen in Literaturtheorie und -methodik erhalten die Studierenden einen praxisnahen und anwendungsbezogenen Einblick in die Literaturwissenschaft. Der Band bedient sich dafür in vielen Fällen theoretischer Perspektiven französischer Provenienz, die auch für andere Philologien maßgeblich wurden. Diese werden außerdem – im Gegensatz zu den erwähnten Bänden – erweitert um aktuelle und höchst produktive theoretische Felder, jene der Intermedialität und der postkolonialen Theorien.
Zur Auswahl des Textes. Warum diese Novelle?
Balzac ist einer der zentralen Autoren innerhalb der französischen Literatur, ohne dessen Kenntnis Literaturströmungen wie der Realismus und der damit verknüpfte Naturalismus nicht angemessen verstanden werden können. Neben literaturgeschichtlichem und kanonischem Wissen ermöglicht die Beschäftigung mit der Novelle Sarrasine – die eher zu den unbekannteren Werken der Comédie humaine zählt – aber auch eine Auseinandersetzung mit weiteren Aspekten. Sarrasine ist eine Novelle, die viele Geschichten in einer enthält: sie ist eine Liebesgeschichte, sie ist eine Künstlergeschichte, sie ist eine fantastische Erzählung, die letztlich rätselhaft und unabschließbar bleibt – wie die Literatur im Allgemeinen. Sie bewegt sich darüber hinaus unentwegt zwischen Realität und Fiktion, zwischen Rahmen- und Binnenerzählung, sie reflektiert über das Verhältnis von Kunst und Leben und verwirrt mit Blick auf Geschlechterrollen und -identitäten Die Novelle zeigt somit paradigmatisch das Potenzial von Literatur auf: Sie eröffnet aus sich heraus einen Spielraum an Interpretationen und entzieht sich eines abschließenden Verständnisses. Sie ist daher in besonderer Weise für unser Anliegen, nämlich die Vorführung pluraler wissenschaftlicher Ansätze geeignet.
Folgende Ansätze werden dabei berücksichtigt:
• Hermeneutik
• Literaturgeschichte
• Literatursoziologie
• Rezeptionsästhetik
• Diskursanalyse
• Strukturalismus/Poststrukturalismus
• Narratologie
• Psychoanalytische Theorien
• Intertextualität
• Gender Studies
• Intermedialität
• Postkoloniale Theorien/Imagologie
Zeitplan
Arbeitstreffen/Workshop zum Band: Anfang März 2010
Abgabe der Beiträge: Ende April 2010
Publikation: Herbst 2010, voraussichtlich bei Reclam
Handreichung für die AutorInnen
Dieser Sammelband stellt ein Lehr- und Arbeitsbuch für Studierende dar und hat einen in Theorie und Methodik einführenden Charakter. Die Beiträge sollen dies im Stil und im Aufbau widerspiegeln: Zunächst erfolgt eine didaktische Aufarbeitung des jeweiligen theoretischen Hintergrundes, der verständlich die theoretische Diskussion zusammenfasst und sich auf die zentrale Forschungsliteratur bezieht. Anschließend erfolgt die Textanalyse, bei der eine Zusammenfassung des Primärtextes nicht mehr notwendig ist, da dieser Teil des Sammelbandes sein wird. Anschließend sollen die Erkenntnispotenziale der vorgestellten und vorgeführten Theorien/Methoden kritisch reflektiert, ihre Grenzen, aber auch ihre Anschlussmöglichkeiten präsentiert werden.
Gesucht werden ausschließlich Beiträge für die folgenden, bislang noch nicht vergebenen theoretischen Ansätze, und zwar von romanistischen NachwuchswissenschaftlerInnen
• Hermeneutik
• Rezeptionsästhetik
• Strukturalismus/Poststrukturalismus
Wenn Sie sich vorstellen können, einen Beitrag zu verfassen, dann senden Sie uns bitte ein Abstract, in dem Sie die zentrale Idee Ihres Analyseansatzes skizzieren (max. eine halbe Seite). Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften, die Sie bis zum 30.6.2009 senden an:
Natascha Ueckmann: nueckmann@gmx.net
oder
Karen Struve: k_struve@gmx.de
oder
Elke Richter: richtere@uni-bremen.de
Publiziert von: Kai Nonnenmacher