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14.01.2008

Zum Tode des Kölner Romanisten Andreas Wesch

  • Disziplinen: Sprachwissenschaft
  • Sprachen: Französisch, Spanisch, Weitere romanische Sprachen

Andreas Wesch kam 1961 auf die Welt und ist in Umkreis von Darmstadt und

in Salzgitter aufgewachsen. Seine berufliche Karriere führte ihn durch die

besten Adressen der deutschen (und jenseits der deutschen) Romanistik:

Studium und Promotion an der Freien Universität Berlin, Assistentur und

Ha­bi­li­ta­tion in Freiburg im Breis­gau, Ver­tre­tun­gen in Straßburg

und Konstanz; seit 2001 war er Pro­fes­sor für Romanische

Sprachwissenschaft in Köln. Früh ge­hör­te er Arbeitskreisen an, die sich

später als wichtige "Nachwuchsschmieden" der Ro­ma­ni­stik/Linguistik

erwiesen: er war Mitinitiator des fä­cher­über­greifenden linguistischen

Kol­lo­qui­ums LiMo an der FU Berlin, er gehörte zu den ersten westlichen

Teilnehmern des "Nach­wuchs­kolloquiums der Romanistik", das, gegründet in

der DDR, nach dem Mauerfall Pio­nier­ar­beit für die Integration der

Romanistik im Osten und im Westen leistete (A. Wesch hatte schon lange

vorher enge Kontakte zu Kollegen und Nach­wuchs­leuten aus der DDR). In

Frei­burg war er höchst aktives Mitglied des Son­der­for­schungs­be­reichs

Mündlichkeit und Schrift­lichkeit.

An all seinen Wirkungsplätzen stand er vornehmlich im Gespräch mit

sprachtheoretisch-struk­­tur­­lin­gu­i­stisch orientierten Kol­le­gen, zu

deren Fragen er gerade auch in jüngerer Zeit Beiträge geleistet hat;

primär aber ver­kör­per­te er "die an­de­re" Sprach­wis­sen­schaft, man

könn­te auch sagen die "eigentliche": eine Sprach­wis­senschaft, die

Respekt hat vor ihrem Ge­gen­stand, den Spra­chen (im Plural), die die

Fak­ten, die Vielfalt und In­di­vi­du­a­li­tät ernst nimmt, die sich

in­te­res­siert für die jeweils da­hin­ter­ste­hende Kultur und somit für

die Hi­sto­ri­zi­tät der Spra­chen: in seiner Dissertation über die

Información de los Je­ró­nimos (eine kom­men­tierte Textausgabe des

Protokolls einer Un­ter­su­chung über die spanische Indio-Politik in Santo

Do­min­go aus dem frühen 16. Jh) ist er Philologe, Sprachhistoriker und

Dis­kurs­ana­ly­ti­ker. Vor allem aber war er ein ausgewiesener

So­zio­lin­gu­ist: seine noch un­pu­bli­zier­te Ha­bi­li­ta­tions­schrift

ver­gleicht in exem­plarischer Weise die Va­ri­e­tätensysteme des

Spa­ni­schen und des Fran­zö­si­schen. Ihr An­liegen ist ebenso ein

theo­re­ti­sches, nämlich die ein­zel­sprach-historische Di­men­sion des

Va­riegefüges oder Diasystems aufzuzeigen, wie ein de­skrip­tives: mit dem

Interesse an der ge­nauen sprachlichen Situation der beiden romanischen

Hauptsprachen in ihrer inneren dia­lek­talen und sozialen Vielfalt und

ihren verschiedenen Gebrauchsmodi steht die Ha­bi­li­ta­tions­schrift in

der Reihe früherer Ar­bei­ten, in denen A. Wesch sich mit der Aus­prä­gung

des Spa­ni­schen im Kontakt mit dem Ka­ta­la­ni­schen in Bar­ce­lo­na

beschäftigt hat.

Katalonien war ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit; er war ein

exzellenter Kenner und Sprecher des Katalanischen; von 2001 bis 2006 war

er Präsident des Deutschen Ka­ta­la­ni­stenverbandes. Das Katalanische

verkörperte in besonderer Weise A. Weschs In­te­res­se an

Minderheitensprachen und ihrer sprachpolitischen Situation (er war

Mitbegründer von De Lin­gulis, einer Schriftenreihe zu "lesser used

languages"); kaum weniger lagen ihm die an­de­ren Sprachen und Dialekte

der Iberischen Halbinsel am Herzen, die kleinen wie die großen, und die

Modalitäten ihrer weltweiten Verbreitung.

Diese Begeisterung für die Sprachenvielfalt machte weder an den Grenzen

der Iberischen Halb­insel oder der Romania halt, noch beschränkte sie sich

auf die rein linguistische Per­spek­ti­ve: A. Wesch war nicht nur ein

exzellenter Sprecher der jeweiligen Sprachen, sondern auch sehr guter

Kenner der jeweiligen Kulturen und Lebensformen; kaum jemand kannte sich

so gut aus in den verschiedenen Regionen und Me­tro­po­len der west­lichen

Romania und La­tein­ame­rikas, von Brüssel bis Mexiko-Stadt; kaum einer

hatte einen solch großen Freundeskreis im romanischen Ausland. Man kann

sagen, daß er die Ro­manistik wirklich "lebte". Dies war wohl auch das

Geheimnis seines extraordinären Erfolgs in der Lehre: wo immer er gelehrt

hat, sahen die Kollegen bald bewundernd bis neidisch auf den Zustrom in

seinen Lehr­ver­an­stal­tun­gen und das Feed-Back, das aus der

Studentenschaft kam. Sein Einführungsbuch Grund­kurs Sprachwissenschaft

Spanisch war ein großer Ver­kaufs­er­folg.

Wer Andreas Wesch persönlich kannte, kannte seinen grenzenlosen

Optimismus, seine Le­bens­freude und -kunst, den fröhlichen und

vorbehaltlos positiven Umgang mit allen Dingen und Personen. All dies

hinderte ihn nicht daran, im Zwei­fel Objektivität zu wahren, sich z.B.

als Wis­sen­schaft­ler nicht für sprach­po­li­ti­sche Fra­gen einspannen

zu lassen; aber ge­nau­so in persönlichen Konflikten Stellung zu beziehen

und sich auf die Seite der Schwä­che­ren zu schlagen. Als Kollege war er

nicht minder beliebt denn als Dozent.

Kurz nach dem Antritt seiner Kölner Professur war er zum ersten mal mit

seiner Krebs­er­kran­kung konfrontiert, war aber voller Hoffnung, trotz

erschreckender Parallelitäten dem Schick­sal seines früheren engen

Freundes Andreas Blank zu entgehen. Er hat in dieser Zeit kaum

nachgelassen in seinem Engagement für die Wissenschaft, die Lehre, das

Kölner In­sti­tut: er hat publiziert, Projekte entwickelt (etwa eine

internationale Kooperation zur Er­for­schung des Spanischen der Balearen),

hat vielfältig und maßgeblich die Aktivitäten des Zen­trums für

Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit der Philosophischen Fakultät belebt,

er hat gelehrt, geprüft (und auch gefeiert), hat alle Kraft eingesetzt, um

Kollegen und Stu­die­ren­den die Fol­gen seiner zunehmend schlimmere

Situation nicht spüren zu lassen. Für den im kom­men­den Herbst

stattfindenen Frankoromanistentag in Augsburg hat er noch eine Sektion

angekündigt. Am Ende war die Krank­heit stärker: Andreas Wesch ist am 11.

Januar 2008 in Köln ge­stor­ben. Wir trauern mit Petra, seiner Frau, und

Anne, seiner elfjährigen Tochter.

 

Die Trauerfeier für Andreas Wesch hat 17.1. stattgefunden.

 

 

Von:  Daniel Jacob

Publiziert von: jd