Amor sacro e profano. Modelle und Modellierungen der Liebe in Literatur und Malerei der italienischen Renaissance
- Ort: Iphofen
- Beginn: 15.10.09
- Ende: 17.10.09
- Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
- Sprachen: Italienisch
Amor sacro e profano: Modelle und Modellierungen der Liebe in Literatur und Malerei der italienischen Renaissance.
Internationales Kolloquium, Iphofen, 15.-17. Oktober 2009.
Organisation:
Valeska von Rosen / Jörn Steigerwald
Die Tagung wird dankenswerter Weise gefördert von der Gerda-Henkel-Stiftung
Abstract (kurz):
[Programm und ausführliches Abstract s. u.]
Ziel der Tagung ist die interdisziplinäre Erforschung der historischen Konfigurationen der Liebe in der italienischen Renaissance, die dadurch umfassend rekonstruiert werden soll, dass sie an die paradigmatische Denkfigur dieser Epoche, der himmlischen und irdischen Liebe, d.h. des ‚amor sacro e profano’ gebunden wird. Darauf aufbauend stehen zwei Gesichtspunkte im Zentrum: Einerseits stellt sich die Frage, in welchem systematischen Verhältnis die himmlische und die irdische Liebe zueinander stehen und darauf aufbauend, welche spezifischen, daraus resultierenden literarischen und bildnerischen Modellierungen der Liebe es in dieser Zeit gibt. Denn erst aus dieser systematischen Doppelperspektive heraus, so die leitende These, kann das Verhältnis von himmlischer und irdischer Liebe in der italienischen Renaissance umfassend erarbeitet werden. Dem entsprechend fokussiert das Kolloquium sowohl die Analyse paradigmatischer Modellierungen der Liebe in ausgewählten Werken der Literatur und Malerei als auch die Untersuchung von exemplarischen Verhandlungen der Liebe in ebensolchen Werken, die eine Ordnung der Liebeskonzeptionen durch deren Darstellung anstreben. Zudem soll die Frage nach den je eigenen medialen Bedingungen und Möglichkeiten der Modellierungen in Literatur und Malerei im Fokus stehen, um im Sinne einer historisch verfahrenden Kulturgeschichte sowohl die Pluralität der Liebesdarstellungen als auch die für die italienische Renaissance spezifische historische Eigensinnigkeit der künstlerischen Modellierungen adäquat herauszuarbeiten.
Programm:
Mittwoch 16.10.2009
Anreise
Donnerstag 17.10.2009
9.00 Jörn Steigerwald / Valeska von Rosen
Begrüßung und Einführung
1. Sektion: Paradigmen und Konfigurationen der Liebe im Cinquecento
9.30 Andreas Kablitz (Romanistik / Uni Köln)
Paradoxa der Liebe im epistemischen Kontext des Cinquecento
10.30 Maria-Christine Leitgeb (Altphilologie / Wien)
,Was heißt denken?‘ – Ficinos Metaphysik der Liebe.
11.30-12.00 Pause
12.00 Klaus Krüger (Kunstgeschichte / FU Berlin)
Der petrarkistische Diskurs im Medium des gemalten Idealbildes der Geliebten in der Renaissance
13.00-14.00 Mittagspause
14.00 Birgit Wagner (Romanistik / Uni Wien)
Höfische Liebe, oder: worum geht es in den rinascimentalen Gesprächsspielen?
2. Sektion: Modelle der himmlischen Liebe
15.00 Maria Moog-Grünewald (Romanistik / Uni Tübingen)
Eros und Erkenntnis: Zur Liebeskonzeption in Giordano Brunos Degl’heroici furori
16.00-16.30 Pause
16.30 Sabrina Ebbersmeyer (Philosophie / Uni München)
Liebe als mentaler Akt in den Dialoghi d’amore des Leone Ebreo
17.30 Gerhard Regn (Romanistik / Uni München)
Tassos Armida: Die Sakralisierung des Weltlichen im Gerusalemme liberata
18.30 Elisabeth Oy-Marra (Kunstgeschichte / Uni Mainz)
Spiegelbilder / Liebesblicke: Annibale Carraccis Rinaldo und Armida und seine Schlafende Venus als Gegenbilder
Freitag 18.10.2009
9.00 Hans Körner (Kunstgeschichte / Uni Düsseldorf)
„La bella Simonetta“ und der Liebesdiskurs im Werk Sandro Botticellis
3. Sektion: Modelle der irdischen Liebe
10.00 Ulrich Rehm (Kunstgeschichte / Uni Bochum)
Abgründe der Herrschaft Amors in Gemälden Sandro Botticellis
11.00-11.30 Pause
11.30 Kirsten Dickhaut (Romanistik / Uni Gießen)
Über die gegenseitige Liebe oder Anteros als Liebesprinzip in der Hypnerotomachia Poliphili
12.30-14.00 Mittagspause
14.00 Barbara Kuhn (Romanistik / Uni Eichstätt)
„favellar d’Amore“: Bilder der Liebe im Dialog. I Ragionamenti von Agnolo Firenzuola
15.00 Jörn Steigerwald (Romanistik / Uni Bochum)
Zauberbilder der Liebe: Zu Ludovico Ariostos Orlando furioso
16.00-16.30 Pause
16.30 David Nelting (Romanistik / Uni Bochum)
Amor und Autor. Weltliche Liebe als Dispositiv auktorialer Selbstformung bei Pietro Aretino
17.30 Michael Thimann (Kunsthistorisches Institut / Florenz)
„fatto con amore“: Ein kunsttheoretischer Topos und die Produktionsästhetik der Renaissancemalerei
18.30 Valeska von Rosen (Kunstgeschichte / Uni Bochum)
Amor: Forcierungen einer Figur bei Caravaggio und den Caravaggisten
Samstag 19.10.2009
4. Sektion: Weibliche Modelle und Modellierungen der Liebe
9.00 Ulrike Schneider (Romanistik / FU Berlin)
Liebe als Fiktion. Genrespezifische Modellierungen und Subjektkonstitution bei Gaspara Stampa
10.00 Viktoria von Flemming (Kunstgeschichte / HBK Braunschweig) Ehebruch oder: Wenn das Heilige profan wird. Bilder des Cinque- und Seicento zu einem heiklen Thema
11.00-11.30 Pause
11.30 Iris Wenderholm (Kunstgeschichte / Hamburg)
Flammen der Liebe, in Stein gebannt. Zur Sublimierung von Leidenschaften bei Künstlerinnen der Frühen Neuzeit
12.30 Abschlussdiskussion
Abstract (lang):
Die Liebe gehört in der italienischen Renaissance zu den am häufigsten diskutierten und dargestellten Affekten, da sie als grundlegend für die menschliche Existenz angesehen wird: Literaten allegorisieren und inszenieren die Liebe und ihre Wirkungen genauso wie Maler und Bildhauer, ohne dass es dabei indes zu einer einvernehmlichen Klärung der Frage nach dem Wesen der Liebe kommt. Vielmehr verdeutlicht die in den Verhandlungen der Liebe zum Vorschein kommende Vielzahl an Liebesmodellen, wie die für die italienische Renaissance namhaft gemachte Pluralität der Diskurse konkret zu fassen ist, da diese allererst die Voraussetzung dafür bietet, dass eine große Anzahl von tendenziell gegenläufigen Modellen der Liebe zur Darstellung gebracht wird, um so ein Wissen über diesen Affekt als ein Pluraletantum zu begründen. Innerhalb dieses Feldes der rinascimentalen Liebessemantik lassen sich jedoch zwei historisch dominante Bereiche festmachen, die auf je eigene Weise den Affekt der Liebe modellieren und somit konzeptionell binden. Zum einen die Ausrichtung auf ein Modell der ‚himmlischen’, d.h. auf Gott ausgerichteten Liebe, die etwa den Petrarkismus sowie den Neuplatonismus prägt und zum anderen die Orientierung an einem Modell der ‚irdischen’ Liebe, das den Menschen als begehrendes Wesen begreift.
Allerdings bieten die beiden genannten Modelle nur nominell eine Klärung der Frage nach dem Wesen der Liebe, da sie die weitergehende Frage nach der Ordnung der Liebeskonzeptionen unbeantwortet lässt, insofern zum einen offen bleibt, ob zwischen der himmlischen und der irdischen Liebe kategoriale oder graduelle Differenzen anzusetzen sind, die möglicherweise auch Übergängigkeiten erlauben, und zum anderen präziser zu fragen ist, welche Formen der Liebe in den jeweiligen Bereichen zu verorten sind. Dies betrifft beispielsweise die Formen der Freundschaftsliebe oder der erotischen Liebe, die einerseits den Beginn einer auf Gott zielenden Liebeserkenntnis bilden können, andererseits aber auch den Sündefall des Menschen auf vielfältige Weise markieren können. Darüber hinaus resultieren daraus weitere Konsequenzen für die Beschreibungen der Liebe in den theologischen, philosophischen und medizinischen Diskursen der Zeit und vor allem für die Modellierungen der Liebe in der Literatur und Malerei der Renaissance. Denn hier zeigt sich besonders deutlich, dass nur in wenigen Fällen von einer klar konturierten Modellierung eines Liebeskonzepts gesprochen werden kann. Zahlreich sind hingegen diejenigen literarischen und bildlichen Darstellungen der Liebe, die mehrere Modellierungen der Liebe zueinander in Beziehung setzen, um je eigene Konfigurationen der Liebe in Szene zu setzen.
An diesem Punkt will das Kolloquium ansetzen und versuchen, die Konfigurationen der Liebe in der italienischen Renaissance umfassend dadurch zu rekonstruieren, dass sie an eine historische Denkfigur dieser Zeit angebunden werden, die für die genannte Pluralität paradigmatisch einsteht: Die Denkfigur der himmlischen und irdischen Liebe, d.h. des ‚amor sacro e profano’, die zwischen Bembos Asolani und Tizians gleichnamigem Gemälde das Paradigma der Diskussionen über die Liebe abgibt. Dabei wird der in der historischen Forschung heraus-gearbeitete Befund zugrunde gelegt, dass im Cinquecento von der Hegemonie einer ‚anthropologia christiana’ (Dieter Groh) ausgegangen werden kann, die ihrerseits in zwei grundlegende, zueinander in Opposition stehende Konzepte geteilt ist, das Modell der ‚natura lapsa’ einerseits und das der ‚oeconomia naturae’ andererseits. Beide zusammen bilden die Grundlage für die spezifische und eben tendenziell auch gegenläufige Ausprägung der rinascimentalen Pluralität der Menschenbilder und damit einhergehend der Liebeskonzeptionen in den Diskursen und Künsten der Zeit.
Darauf aufbauend wird vorgeschlagen, das Modell der ‚himmlischen und irdischen Liebe’ als historische sowie systematische Denkfigur, die zwar mit dem gleichnamigen Sujet konvergieren kann, aber eben nicht muss, zu fassen und für die Analyse der je eigenen Modellierungen der Liebe in Literatur und Malerei fruchtbar zu machen. Dies erlaubt wiederum, so der leitende Gedanke, erstens, die vertikale und horizontale Gliederung der Liebesmodelle adäquat vor dem Hintergrund dieser christlichen Anthropologie zu beschreiben und dabei sowohl die Ausrichtung hin auf eine transzendente, gottgegebene wie göttliche Liebe als auch die Unterscheidungen verschiedener Formen zwischenmenschlicher Liebe zu analysieren, die von der Freundschaft über die heterosexuelle Liebe bis hin zur rein sexuellen Lust reichen können. Hierbei ist insbesondere zu bedenken, dass die himmlische und die irdische Liebe zwar zunächst auf der vertikalen Achse voneinander geschieden werden können, es indes notwendig ist, sowohl die je eigene horizontale Gliederung beider Formen der Liebe zu betrachten als auch die hierdurch mögliche Annäherung von irdischer und himmlischer Liebe, die insbesondere in der petrarkischen Lyrik aber auch in den Dialogen Bembos, Castigliones oder Aretinos sowie in den Gemälden Botticellis, Tizians und Caravaggios auf je spezifische Weise Gestalt gewinnt. Zweitens lenkt diese Denkfigur den Blick auf ein Moment, das in den bisherigen Untersuchungen zur Liebe in der italienischen Renaissance weitgehend außer Acht gelassen wurde, nämlich die Verhandlungen der differenten Liebesmodelle, die gerade in der Literatur und Malerei der Epoche zentral geleistet werden, um über die Repräsentationen der Liebe bzw. die Inszenierungen der Liebesgeschichten der Protagonisten ein Wissen über den Affekt zur Darstellung zu bringen. Denn dieses Wissen von der Liebe, so deren ‚Theoretiker’ zwischen Ficino und Aretino, lässt sich weder eindeutig sistieren, noch permanent fixieren und kann nur durch die jeweiligen Reflexionen und Inszenierungen zur Anschauung gebracht werden. Dies zeigt sich insbesondere in den Epen Ariosts und Tassos aber auch in der pastoralen Dichtung bei Sannazzaro oder auf je spezifische Weise in der Malerei bei Tintoretto, Bordone und Correggio.
Das Kolloquium will daher zwei Gesichtpunkten besonders nachgehen: Einerseits stellt sich die Frage: In welchem systematisch beschreibbaren Verhältnis stehen die himmlische und die irdische Liebe zueinander in der italienischen Renaissance? Und darauf aufbauend: Welche spezifischen, daraus resultierenden literarischen und bildnerischen Modellierungen der Liebe gibt es in dieser Zeit? Beide Fragen eint das Interesse, die dahinter stehenden historischen Verhandlungen der Liebe, die allererst die Ordnungen sowie die Modellierungen hervortreiben, zu beschreiben. Erst aus dieser systematischen Doppelperspektive heraus, so der Grundgedanke des Ansatzes, kann das Verhältnis von himmlischer und irdischer Liebe in der italienischen Renaissance umfassend erarbeitet werden. Dem entsprechend fokussiert das Kolloquium sowohl die Analyse paradigmatischer Modellierungen der Liebe in ausgewählten Werken der Literatur und Malerei als auch die Untersuchung von exemplarischen Verhandlungen der Liebe in ebensolchen Werken, die eine Ordnung der Liebeskonzeptionen durch deren Darstellung anstreben. Zudem soll die Frage nach den je eigenen medialen Bedingungen und Möglichkeiten der Modellierungen in Literatur und Malerei im Fokus stehen, um im Sinne einer historisch verfahrenden Kulturgeschichte sowohl die Pluralität der Liebesdarstellungen als auch die für die italienische Renaissance spezifisch historische Eigensinnigkeit der künstlerischen Modellierungen adäquat herauszuarbeiten.
Publiziert von: Kai Nonnenmacher