CfP: Medialisierungsformen des (Auto-)Biographischen und ihre Kommunikationskontexte
- Ort: Hamburg
- Beginn: 02.12.11
- Ende: 04.12.11
- Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft, Weitere Teilbereiche
- Sprachen: Sprachenübergreifend
- Frist: 15.07.11
Sektion Biographieforschung in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
02.12.2011-04.12.2011, Hamburg, Universität Hamburg, Fachbereich
Sozialökonomie
Deadline: 15.07.2011
(Auto-)Biographische Selbst- und Fremdreflexionen bedienen sich der
unterschiedlichsten medialen Vermittlungsformen. Die Spannbreite reicht
von klassischen Verschriftlichungen in Tagebüchern, Briefen,
Autobiographien, Erinnerungen, Romanen und Poesie über visuelle
künstlerische Darstellungen in Bild, Fotografie und Film bis hin zu
theatralen Bühnenaufführungen oder digitalen Inszenierungen in den neuen
Medien. Hieraus ergeben sich zentrale Fragen nach der medialen
Modulation und Transformation lebensgeschichtlicher
Erfahrungszusammenhänge. Erst durch den Einsatz von Schrift-, Bild- und
Filmmedien sowie der Nutzung entsprechender Kommunikations-räume
erhalten (auto-)biographische Selbst- und Fremddarstellungen ihre
spezifische Gestalt. Die differenzierten (auto-)biographischen
Ausdrucksformen sind eine zentrale Form der gesellschaftlichen Wissens-
und Informationsvermittlung und des interaktiven Erfahrungsaustauschs
und übernehmen so wichtige kommunikative Funktionen. Diesen
beobachtbaren Praktiken der öffentlichen Kommunikation, in denen
(Auto-)Biographisches zum Ausdruck kommt, widmet sich die geplante,
interdisziplinär ausgerichtete Tagung "Medialisierungsformen des
(Auto-)Biographischen und ihre Kommunikationskontexte" und zwar sowohl
in theoretischer, methodologischer als auch in empirischer Hinsicht.
Die praktische Ausdifferenzierung medialisierter (auto-)biographischer
Kommunikationsformen stellen wissenschaftliche Disziplinen vor neue
Herausforderungen. Im Zeichen der turn-Terminologien (linguistic turn,
performative turn, medial turn, iconic/visual/pictorial turn,
biographical turn) ergeben sich für die Sozial- und
Geisteswissenschaften neue Forschungsperspektiven und Themenfelder. Die
kulturalistische Selbstbefragung sämtlicher Disziplinen dauert seit
einiger Zeit an und hat zu einer Entessentialisierung sozialer und
kultureller Ontologien zugunsten performativer und medialer
Betrachtungen geführt. Der Begriff des cultural turn motiviert
zahlreiche soziologische Diskurse über Kulturpraktiken als Gestaltungs-
und Triebfeder des Sozialen. Als Folge gerät die Konstruktion des
Sozialen auch in (auto-)biographietheoretischer Perspektive neu in den
Blick: Auf die Darstellung des Selbst bezogen, beschreibt etwa der
Begriff "Automedialität" die performativen Wechselwirkungen zwischen
Selbstthematisierungen und Medienrahmungen und lenkt so die
Aufmerksamkeit auf die epistemologischen Differenzen zwischen Schrift,
Bild, Film und neuen (digitalen) Medien. Mündlichkeit, Schriftlichkeit,
Auditivität, Visualität oder Audiovisualität als unterscheidbare
Medialisierungsformen, in denen (Auto-)Biographisches durch Verwendung
verschiedener Gestaltungstechniken hervorgebracht wird, geraten in den
Fokus des biographiewissenschaftlichen Interesses. Zusätzlich erscheint
in einem erweiterten Medienverständnis der Körper nicht nur als Objekt
der medialen Darstellung, sondern wird selbst zum subjektiven Träger und
performativen Vermittler (auto-)biographischer Inszenierungen, so dass
als medialisierte Kommunikationsform des (Auto-)Biographischen
zusätzlich die Bühnendramaturgie (Theater), das Musiktheater (Tanz/Oper)
oder aber auch popmusikalische Performances an empirischer Relevanz
gewinnen.
Damit einhergehend finden die historisch und kulturell variierenden
Rezeptionskontexte (auto-)biographischer Kommunikationen verstärkt
Eingang in die wissenschaftliche Analyse: Der/die LeserIn, ZuhörerIn
oder ZuschauerIn wird als AdressatIn mit eigenen Erfahrungen und
(auto-)biographischem Vorwissen ebenso problematisiert, wie die äußeren
institutionellen Bedingungen der automedialen Vermittlung.
(Auto-)Biographische Selbst- und Fremddarstellungen sind eingebettet in
einen komplexen Wahrnehmungskontext, das "Dispositiv", das sich
zeitlich und situativ immer wieder neu herstellt. Ob im Privaten, in
wissenschaftlichen oder öffentlichen Institutionen, in Erinnerungskulturen, in Museen oder auf Bühnen, überall entscheiden die kommunikativen Rahmenbedingungen über die Selbstinszenierung und deren Rezeption sowie die Einbeziehung des Leser, Hörers oder Zuschauers.
Im Zuge der genannten turn-Terminologien wird auch in der
Biographieforschung mit dieser Begrifflichkeit argumentiert und ein
"biographical turn" reklamiert. Ein derartiger Ansatz fragt etwa nach
Art und Weise und dem Zusammenspiel sozialer und medialer Praktiken der
lebensgeschichtlichen Kommunikation. Während die Biographieforschung
bislang vor allem das narrative Interview zur wissenschaftlichen
Generierung von Lebensgeschichten als Erhebungsinstrument einsetzt,
sind andere (auto-)biographische Kommunikationsformate zwar immer wieder
Gegenstand zahlreicher empirischer Untersuchungen geworden, eine
systematische Betrachtung sowie die theoretische wie methodologische
Differenzierung verschiedener (auto-)biographischer Medien ist jedoch
bis heute noch sehr rar. Auch die qualitativen Methodologien zur
Auswertung und Interpretation (auto-)biographischer
Kommunikationsformate stehen angesichts der beschriebenen
Medialisierungen vor neuen Herausforderungen, müssen sich entweder noch
bewähren oder bedürfen einer Reformulierung.
Die geplante Jahrestagung der Sektion Biographieforschung trägt diesen
interdisziplinären Entwicklungen Rechnung. Dabei wird einerseits nach
dem theoretischen und methodologischen Verhältnis von Medialität und
(auto-)biographischer Kommunikation gefragt. Anderseits stehen die
empirischen Forschungsfelder (auto-)biographischer Selbstdarstellungen
und Kommunikationsformen im Fokus. Diese beiden Schwerpunktsetzungen
lassen sich in folgenden Themenkomplexen/Panels bündeln, zu denen
Beiträge willkommen sind:
1) (Auto-)Biographisches in medialen Präsentationen:
- mündliche, schriftliche, visuelle und audiovisuelle Perspektive
(Gespräche, Interaktionen, erzählte Lebensgeschichten, verschriftlichte
Autobiographien, Tagebücher, Briefe, Fotos, Filme, Musik, Theater, Tanz,
Talk-Shows und andere Fernseh- bzw. digitale Formate etc.)
- Wechselwirkungen und Intermedialitäten unterschiedlicher
(auto-)biographischer Kommunikationsformate
- Praktiken medialisierter (auto-)biographischer Kommunikation
2) Institutionen (auto-)biographischer Kommunikationen und ihre Medien:
- Wissenschaft, Öffentlichkeit, Kulturbereich, Medienkultur, Privatheit
3) Rezeptions- und Kommunikationskontexte (auto-)biographischer
Medienformate:
- Situativ, historisch, soziokulturell
4) Erhebungs- und Auswertungsmethoden verschiedener (auto-)biographischer Kommunikations- und Medienformate:
- Forschungsdesigns für Schrift, Bild, Film, Bühne und neue (digitale)
Medien
Neben wissenschaftlichen Vorträgen können auch andere performative
Formen gewählt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, noch
nicht abgeschlossene Arbeiten in Form kleiner
Arbeitsgruppen/Workshops/Forschungswerkstätten zu diskutieren. Bei
Interesse an dieser material-orientierten Arbeitsform bitten wir, dies
extra zu vermerken.
Carsten Heinze (Hamburg), Jana Ballenthien (Hamburg), Hanna Haag
(Hamburg), Monika Müller (Schwerin) , Martina Schiebel (Bremen) und
Elisabeth Tuider (Hildesheim)
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Carsten Heinze
Universität Hamburg, Fachbereich Sozialökonomie, Fachgebiet Soziologie,
Welckerstr. 8, 20354 Hamburg
0172 7640537
carsten.heinze@wiso.uni-hamburg.de
Publiziert von: Barbara Ventarola