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25.06.2012

CfP: Ökologie in Mittelalter und Früher Neuzeit

  • Ort: Hamburg
  • Beginn: 23.11.12
  • Ende: 24.11.12
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft, Weitere Teilbereiche
  • Sprachen: Sprachenübergreifend
  • Frist: 25.07.12

In Zeiten der Klimagipfel und des Kampfes gegen die Erderwärmung, der manifesten Störung des empfindlichen Gleichgewichts zwischen dem Menschen und seiner Umwelt scheint der moderne Begriff Ökologie für jede vorindustrielle Epoche, insbesondere aber für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit auf den ersten Blick nicht angemessen. Ein genauerer Blick – wie der der jungen historischen Ökologie (vgl. Chew 2000) – zeigt jedoch, dass das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt und deren natürlichen Ressourcen schon immer ein konfliktuelles war, das seit der Antike in Reden und in kulturellen Praktiken, in öffentlichen und wissenschaftlichen Diskursen verhandelt wird, vom Kahlschlag der Wälder der Antike über Rodungen, Auslaugung der Böden und Rauchbelästigung im Mittelalter bis zur nüchternen Feststellung Buffons im 18. Jahrhundert, dass die Erde dort kahl sei, wo der Mensch schon lange siedele.

 

Das brisante Spannungsverhältnis zwischen Kultur und Natur, das diesen Diskurs offenbar schon immer bestimmt, soll auf der Tagung in diachroner Richtung und in Konzentration auf den Raum der Romania untersucht werden. Dabei sind Beiträge aus allen Bereichen willkommen, also zu sprach-, literatur- und kulturwissenschaftlichen Themen ebenso wie historische und naturwissenschaftliche Beiträge.

 

Gemeinsam sollen zum einen verschiedene Fragmente des Diskurses freigelegt werden, die einen Blick auf Prozesse der Aneignung und Abgrenzung, der Definition und Verklärung gestatten. Ein zweites Feld stellen die Grenzen der Diskurse und Diskursüberschneidungen dar, wie etwa die mit dem theologischen Diskurs. Denkbar ist zudem, die Ökologie im übertragenen Sinne in den Blick zu nehmen und sich den gesellschaftlichen Verhältnissen zu widmen.

 

Folgende Untersuchungsfelder bieten sich an (diese Liste ist als Anregung und keineswegs erschöpfend gemeint):

 

I. Theoretische Konzepte der Natur / Naturbilder:

Als theoretische Grundlage wäre zu denken an die Beschäftigung mit Ontologien und Abhandlungen über die Frage nach der Relation zwischen Natur und Transzendenz (Albertus Magnus, Friedrich II, Thomas v. Aquin…), außerdem an die Unterscheidung in natura naturata und natura naturans sowie die Bestimmungen des Verhältnisses zwischen Schöpfer, Mensch und Welt (Augustinus, Boethius, Paracelsus, Giordano Bruno …). In diesen Bereich fielen auch Untersuchungen zu mehrsprachigen Gesellschaften im Spannungsfeld zwischen Konkurrenz und Koexistenz von Spracharten.

 

II. Aneignung und Nutzung der Natur:

Hier ist insbesondere der Ackerbau interessant (z.B. die Frage des Übergangs von der Subsistenz- zur Überflusswirtschaft), aber auch die Eingriffe des Menschen in die Natur durch Bewässerungssysteme, Trockenlegung von Sümpfen, Rodung, aber auch durch Import von Pflanzen und Tieren.

 

III. Ausbeutung der Natur und ökologische Krisen:

In diesen Bereich fallen Beschäftigungen mit den natürlichen, insbesondere aber mit den anthropogenen ökologischen Krisen wie der des 14. Jahrhunderts (vgl. Bowlus, 1988); dabei könnten Phänomene wie die Entwaldung, die Verkarstung, die Auslaugung der Böden und Hungersnöte im Zusammenhang mit der Kultur (insbesondere der Urbanisierung) und dem Phänomen der Mehrproduktion betrachtet werden.

 

IV. Diskursivierung der Natur:

Hierzu zählen Wahrnehmung und Beschreibung der Natur, zumeist nur als „Diskursfetzen“ in Erzählungen, Viten und Reisebeschreibungen (vgl. Mölder 2009). Zu denken wäre auch an Berichte über ferne Welten (von den Kreuzzugsberichten bis zu den ersten Reiseberichten aus der Neuen Welt). Es stellt sich auch die Frage, ob von sprachpolitischen Maßnahmen und Sprachplanung im Sinne des Artenschutzes die Rede sein kann. Des Weiteren ist auch das Verhältnis von biologischer Artenvielfalt zur sprachlichen Erfassung der Welt zu untersuchen, sind onomasiologische Studien zu Umweltbegriffen denkbar, können Wortfamilien wie natura, oikos- (wie in économie ,Haushalt, harmonische Einteilung'), etc. behandelt werden: Welche Wort- und Begriffssysteme bilden sich für den Umgang des Menschen mit der Natur und seinen Grundlagen heraus, bzw. für den nachhaltigen Umgang des Menschen mit seiner (auch sozialen) Umwelt/Mitwelt?

 

V. Idealisierung, Ent- und Remythologisierung der Natur:

Ein möglicher Bereich ist derjenige der Vorstellungen des Paradieses und des locus amoenus, also entrückter Gegenwelten; aber auch Gegenvorstellungen von der Natur wie Franziskus‘ von Assisi „Cantico di frate sole“. Des weiteren sind Beiträge vorstellbar, die sich mit der Entzauberung der nach heidnischer Vorstellung als beseelt vorgestellten Natur beschäftigen bzw. mit Werken, die deren Remythologisierung betreiben.

 

VI. Beherrschung der Natur / Natur und Stadt:

In diesen Bereich fallen die Konzeptionen von Gärten im Mittelalter, insbesondere aber der große Bereich der Garten- und Stadtkultur in der Renaissance.

 

In diesem Zusammenhang ist außerdem denkbar, Sprache und Schrift als die Natur widerspiegelnde Systeme, die Ökologie als Haushalt der Sprachen zu untersuchen. In welchem (als natürlich angesehenen) Ordnungszusammenhang stehen die Sprachen und ihre Bewertungen? Welche Vorgaben zum Sprachgebrauch sind überliefert, z.B. in mehrsprachigen Interaktionen? Gibt es Hinweise für »Sprachbiotope«?

 

 

Wir bitten um Zusendung eines Abstracts (bis 200 Wörter) bis zum 25.7.2012 per Mail an:

 

PD Dr. Solveig Kristina Malatrait

Institut für Romanistik

Universität Hamburg

solveig.malatrait@uni-hamburg.de

 

 

Von:  Solveig Kristina Malatrait

Publiziert von: Barbara Ventarola