ErzählMacht – Narrative Politiken des Imaginären
- Ort: Beilngrieß (Schloss Hirschberg)
- Beginn: 14.01.11
- Ende: 15.01.11
- Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
- Sprachen: Französisch, Italienisch, Spanisch, Sprachenübergreifend
Bistumshaus Schloss Hirschberg
Hirschberg 70 / 92339 Beilngries
Das prekäre Verhältnis von verbaler Äußerung und Machtmanifestation kann als eines der zentralen Forschungsfelder jüngerer Kulturwissenschaften gelten. Erst sie haben sich der Einsicht gestellt, dass der sprachliche Code analog zu seinen Benutzern instrumentalisierbar ist und dass selbst die vermeintlich autonomen Sprachen der Kunst mit den Instanzen der Herrschaft paktieren. Vor diesem Hintergrund regt die Veranstaltung eine Auseinandersetzung mit der literarischen Zeichenpraxis an, eignet deren Wirk„mächtigkeit“ doch eine besondere Ambivalenz. Diese ernst zu nehmen, heißt einerseits, das Verdikt ästhetischer Interesselosigkeit auf den Prüfstand zu bringen. Andererseits wäre bereits am Grund fiktionaler Texte ein Kräftepotential anzunehmen, das je nach Aktualisierung zur Repräsentation autoritärer Strukturen gerinnen kann. Es stellt sich mithin die Frage nach dem politischen Imaginären, das die Tagung unter Fokussierung narrativer Modellierungen problematisiert. Sie sucht die Zusammenhänge auszuloten, die sich zwischen Darstellungs- und Erzählverfahren, den daraus resultierenden Vorstellungswelten und deren machtstrategischen Implikationen ergeben. Methodisch initiieren die Beiträge einen doppelten Zugriff, der sowohl den politischen Semantiken der Geschichtsebene nachgeht als auch der Performanz Rechnung trägt, welche dem Akt der Narration selbst innewohnt.
Inwiefern die „erzählte Macht“ und die „Macht des Erzählens“, das „politische Imaginäre“ und die „Politiken der Imagination“ interagieren, belegt insbesondere die Literatur der beiden vergangenen Jahrhunderte. Die diesbezügliche Sensibilität findet eine mögliche Ursache im epistemischen Klima, das mit dem modernen Anthropozentrismus Einzug hält und sämtliche Lebensbereiche einer sprachlichen Disziplinierung unterwirft. Das Netzwerk der Diskurse wird aber nicht nur engmaschiger, es gewinnt auch an Komplexität, was Lücken für Äußerungsformen schafft, deren Teilhabe am epistemischen Apriori ebenso unleugbar wie instabil und vieldeutig ist. Das ist der Raum, in dem sich viele Erzähltexte seit 1800 ansiedeln, in dem sie zugleich als diskursiver Effekt wie konterdiskursive Praxis agieren und in dem sie die undurchdringlichen Strukturen der Macht eingedenk der Kehrseite völliger Entmächtigung ausimaginieren.
Programm:
FREITAG, 14. JANUAR 2011
ca. 14.00 Ankunft / Begrüßung
I. IMAGINÄRE UND NARRATIVE PERFORMANZEN – THEORIEENTWÜRFE UND TRADITIONEN
14.30-15.00 Daniel Jacob (Freiburg):
Von der Kognition zur Konstruktion: die Imagination, das Imaginäre, und was sie kontrolliert
15.15-15.45 Andreas Mahler (Graz):
Akte der Selbstermächtigung. Über transitive und intransitive Erzählmacht
16.15-16.45 Judith Frömmer (München):
Machiavellistisches Erzählen
17.00-17.30 Martin Stingelin (Dortmund):
Anekdoten der Macht – Macht der Anekdoten: Zum Kynismus
17.45-18.15 Norbert Christian Wolf (Salzburg):
Zeit und Macht in Kafkas Romanen
ca. 19.30 Gemeinsames Abendessen
SAMSTAG, 15. JANUAR 2011
II. ERZÄHLTE MACHT – NARRATIVE DES POLITISCHEN
9.00-9.30 Patricia Viallet (St. Etienne):
Vom Mikroskop zum Karfunkel über das Zauberglas: E. T. A. Hoffmanns letztes Märchen „Meister Floh“ im Spiegel der Macht
9.45-10.15 Stephan Leopold (Mainz):
Balzac und die Volkssouveränität
10.45-11.15 Christian von Tschilschke (Siegen):
Narrative Modellierungen des spanischen Afrikadiskurses. Der Erste Marokkanische Krieg (1859/60) bei Pedro Antonio de Alarcón und Benito Pérez Galdós
11.30-12.00 Christian Wehr (Eichstätt):
Asynchrone Machtgefüge im spätkolonialen Reisebericht. Der „Lazarillo de ciegos caminantes“ (1773) und die Genese des lateinamerikanischen Romans
12.30-14.00 Mittagspause
III. MACHT DES ERZÄHLENS – POLITIKEN DER NARRATION
14.00-14.30 Kurt Hahn (Eichstätt):
Transkulturelle (Im-)Potenz – Dekadente Ohnmachtsphantasmen und narrative Selbstermächtigung in J. A. Silvas „De sobremesa“
14.45-15.15 Matei Chihaia (Köln):
Narrative und politische Metalepsen: Fiktion und Macht in den Erzählungen Julio Cortázars
15.30-16.00 Matthias Hausmann (Eichstätt):
Perfide Manipulation schriftlicher Aufzeichnungen: Die Macht des
Rahmenerzählers bei Adolfo Bioy Casares
16.30-17.00 Victor Andrés Ferretti (Kiel):
J. J. Saers „Glosa“ und eine Noëmatik des Erzählens
17.15-17.45 André Otto (München):
Das trunkene Erzählen des Fotoalbums – Die Konstitution der Erinnerung in Juan Goytisolos „Señas de identidad“
18.00-18.30 Robert Folger (Utrecht):
Die Ohnmacht des Erzählens bei Ricardo Piglia
18.30-18.45 Schlussdiskussion
ca. 19.30 Gemeinsames Abendessen
Zuhörer und Diskutanten sind herzlich willkommen.
Veranstalter: Romanische Literaturwissenschaft der Katholischen Universität Eichstätt (Dr. Kurt Hahn, Dr. Matthias Hausmann, Prof. Dr. Christian Wehr).
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
matthias.hausmann@ku-eichstaett.de, kurt.hahn@ku-eichstaett.de
Publiziert von: Christof Schöch