Figuren des Globalen: Weltbezug und Welterzeugung in Literatur, Kunst und Medien
- Ort: Bonn
- Beginn: 15.06.11
- Ende: 18.06.11
- Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft, Weitere Teilbereiche
- Sprachen: Sprachenübergreifend
Figuren des Globalen: Weltbezug und Welterzeugung in Literatur, Kunst und Medien
XV. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (DGAVL)
Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität Bonn, 15.-18. Juni 2011
In jüngster Zeit mehren sich die Stimmen, die der Literatur einen verstärkten Weltbezug und eine gesteigerte „Welthaltigkeit“ (A. Honold) attestieren. Dieser neuen Welthaltigkeit wird ein konstruktiver und performativer Charakter zugeschrieben: Literatur setzt sich demnach nicht bloß mit einer gegebenen Welt auseinander, sie ist darüber hinaus an der Herstellung von Welt(en) beteiligt. Insofern der Begriff der Welt auf eine geographische, kulturelle, politische und ökonomische Totalität verweist, die aufgrund ihrer gesteigerten Komplexität der Anschaulichkeit entbehrt, ist er auf die Darstellungs- und Konstruktionsarbeit der Literatur (und anderer künstlerischer Medien) angewiesen, um überhaupt vorstellbar zu sein. Indem die Literatur fiktive Welten entwirft, wirkt sie maßgeblich an der Konzeption von Globalität in den verschiedensten diskursiven Bereichen mit.
Das Ziel der Tagung besteht darin, die verschiedenen Modi der Weltdarstellung und Weltherstellung in ihrer historischen Bandbreite zu untersuchen. Spezifisch literarische Formen des Weltbezugs sollen dabei mit der Konstruktion globaler Zusammenhänge in anderen künstlerischen Medien (Film, Photographie, bildende Kunst) korreliert werden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Wechselwirkungen, die zwischen literarisch-künstlerischen Weltkonstruktionen und den sozialen, ökonomischen und politischen Globalisierungsprozessen existieren. Inwieweit arbeiten fiktionale Narrative für oder gegen hegemoniale Semantiken und binäre Rhetoriken wie die des "Kampfes der Kulturen"? Wie werden dominante politische Narrative neu- bzw. umgeschrieben?
Auf einer höheren Abstraktionsebene gilt es schließlich, die Analyse des Weltbezugs von Literatur und Kunst für eine Grundlagenreflexion der Disziplin Komparatistik fruchtbar zu machen. Inwiefern beeinträchtigt die gesteigerte Welthaltigkeit der Kunst den Status und das Selbstverständnis eines Fachs, das sich seit seinen Anfängen eine globale Perspektive zu eigen gemacht hat? Wie sollte sich die Komparatistik im Zeitalter der Globalisierung positionieren? Welche theoretischen und methodischen Konsequenzen sind daraus zu ziehen?
Die Auseinandersetzung mit der Welthaltigkeit von Literatur und mit literarischen Techniken der Weltherstellung kann schließlich dazu beitragen, ein vertieftes Verständnis des Konzepts der Weltliteratur (bzw. Weltkultur) zu entwickeln. Inwiefern bedarf dieser Begriff unter den Bedingungen der Globalisierung einer Revision? Anläufe zu einer Rekonzeptualisierung des Weltliteraturbegriffs wurden in den vergangenen Jahren vor allem in den USA und Frankreich unternommen, während die Debatte im deutschsprachigen Raum bislang noch nicht richtig in Gang gekommen ist. Die Tagung will die Impulse aus den USA und Frankreich aufnehmen und die deutschsprachige Komparatistik dazu anregen, eine Standortbestimmung vorzunehmen. Nicht zuletzt geht es darum, Auswege aus einer paradoxen Situation zu finden: Während der Weltbezug der Literatur immer deutlicher in Erscheinung tritt und die Notwendigkeit eines komparatistischen Zugriffs somit immer unabweisbarer wird, ist die Komparatistik als ‚kleines Fach’ gerade im Zuge von Internationalisierungsbestrebungen wie etwa denjenigen des Bologna-Prozesses zunehmend in ihrer Existenz bedroht.
Die Tagung steht allen Interessierten offen; eine Teilnahmegebühr wird nicht erhoben.
Trotzdem bitten wir Sie darum, sich unter komparatistik@uni-bonn.de anzumelden.
P R O G R A M M
Mittwoch, 15. Juni 2011, 18 Uhr, Festsaal der Universität Bonn
- Grußworte des Rektors der Universität Bonn, Prof. Dr. Jürgen Fohrmann, des Dekans der Philosophischen Fakultät, Prof. Dr. Günther Schulz, und des Präsidenten der International Comparative Literature Association, Prof. Dr. Steven P. Sondrup (Brigham Young University)
- Begrüßung und Einführung: Prof. Dr. Christian Moser (Bonn) / Prof. Dr. Linda Simonis (Bochum)
- Eröffnungsvortrag 1: Prof. Dr. David Damrosch (Harvard University): Geopoetics: World Literature and World Music in the Global Mediascape
- Eröffnungsvortrag 2: Prof. Dr. Erhard Schüttpelz (Siegen): World Literature from the Perspective of longue durée
- Anschließend: Empfang im Senatssaal
Donnerstag, 16. Juni 2011
Plenarsitzung, 9:15-12:00 Uhr
Plenum: Sektion 1 „(Re-)Konzeptualisierungen von Weltliteratur“, Festsaal
9:15-10:00: Prof. Dr. Dieter Lamping (Mainz): Die Welt der Weltliteratur. Denotationen und Konnotationen eines suggestiven Begriffs (Keynote)
10:00-10:30: Prof. Dr. Christine Ivanovic (Tokio): Weltliteratur und Weltgeschichte: Hannah Arendts „Welt“-Konzept im Kontext ihrer literarischen Analysen
10:30-11:00: Kaffeepause
11:00-11:30: Prof. Dr. Gerald Gillespie (Stanford) / Prof. Dr. Dorothy Figueira (Georgia): Der vermeintlich „neue“ Weltliteraturbegriff als Restaurierung kultureller Beschränktheit
11:30-12:00: Prof. Dr. Sebastian Donat (Innsbruck): „Wiederholte Spiegelungen“: Goethes Weltliteraturkonzeption im Lichte der world literature-Diskussion in der nordamerikanischen comparative literature
12.00-14.00: Mittagspause
Parallelsektionen, 14:00-18:30 Uhr
Sektion 2 „Weltgenres“, Festsaal
14:00-14:30: Prof. Dr. Karl Maurer (Bochum): Die "Divina Comedia" als Weltgedicht
14:30-15:00: Kristina Mendicino (Yale): Epische Fragmente
15:00-15:30: Dr. Martin Götze (Bamberg): Das Gedicht als ästhetische Rede. Zum Problem der Welthaltigkeit von Lyrik
15:30-16:00: Kaffeepause
16:00-16:30: Dr. Alexander Nebrig (Berlin): Die Welt als Lied. Der globale Anspruch von Herders "Stimmen der Völker in Liedern" (1778/79)
16:30-17:00: Frederike Felcht (Mannheim): DingWeltLiteratur. Hans Christian Andersens globale Poesie
17:00-17:30: Kaffeepause
17:30-18:00: Dr. Alice Stašková (Berlin): Zum Textraum und Weltbezug im modernen Roman (H. Broch, G. Perec, M. Ajvaz)
18:00-18:30: Dr. Evi Zemanek (Freiburg): Die generativen vier Elemente: Zu einer Grundfigur der Welt- und Text-Schöpfung
Sektion 3 „Weltwissen, Weltdiskurse“, Hörsaal V
14:00-14:30: Ulrike Kruse (Göttingen): Das Haus als Welt. Die geordnete Welt in der frühneuzeitlichen Ökonomikliteratur. Wolf Helmhardt Freiherr von Hohbergs Georgica curiosa
14:30-15:00: Nicole Pöppel (Siegen): Weltausstellungen als Schreibstätten des Globalen?
15:00-15:30: Simone Sauer-Kretschmer (Bochum): Die Weltausstellung als Produzent literarischen Wissens
15:30-16:00: Kaffeepause
16:00-16:30: Dr. Kirsten Kramer (Heidelberg): Natur - Kosmos - Globalität. Zum Verhältnis von 'mundaner' und 'mundialer' Welt in Theorie und Fiktion der romanischen Gegenwartskultur(en)
16:30-17:00: Prof. Dr. Anne-Rose Meyer (Hamburg): Der Schriftsteller als Zeuge und Zuschauer. Das Beispiel Hans Christoph Buch
17:00-17:30: Kaffeepause
17:30-18:00: Dr. Bernd Blaschke (Berlin): Globalisierung und „Mondialisation“ zwischen Angst und Euphorie. Literaturwissenschaftliche und literaturbetriebliche Verhandlungen der Globalisierung in Deutschland und Frankreich
18:00-18:30: Dr. Barbara Ventarola (Würzburg): Zwischen situationaler Repräsentation und Multiadressierung – Marcel Proust und Jorge Luis Borges als Paradigmen der Weltliterarizität
18:30-20:15: Gelegenheit zum Abendessen
20:15 Uhr: Abendprogramm in Kooperation mit dem Literaturhaus Bonn (Festsaal):
Globalität in Literatur, Kunst und Film
(Podiumsdiskussion mit Filmvorführung)
Angela Melitopoulos (Filmemacherin, Berlin) und Stefan Weidner (Schriftsteller und Übersetzer, Köln)
Freitag, 17. Juni 2011
Plenum: Sektion 4 „Grands récits – Narrative der Totalisierung“, Festsaal
09:00-09:45: Prof. Dr. Achim Hölter (Wien): Totalität (Keynote)
09:45-10:30: Prof. Dr. Maria Moog-Grünewald (Tübingen): Unendlichkeit (Keynote)
10:30-11:00: Kaffeepause
11:00-11:30: Prof. Dr. Karina Kellermann (Bonn): Apokalypse, Sternenlauf und die Wiederkehr des Königs. Konstruktionen einer besseren Welt in prognostischen Schriften um 1500
11:30-12:00: Prof. Dr. Markus Winkler (Genf): Die Konstruktion von Globalität in Heines Romanzero-Historie "Vitzliputzli"
12:00-12:30: Dominik Schreiber (Mannheim): Der Klimawandel – Siegeszug eines globalen Narrativs?
12.30-14.00: Mittagspause
Parallelsektionen, 14:00-17:30 Uhr
Sektion 5 „Globale Zirkulation: Literarische Modelle von Welthandel, Weltverkehr und Migration“, Festsaal
14:00-14:30: Antonia Rahofer (Innsbruck/Wien): Zwischen den Welten? Migration als Störungsprinzip einer Literatur am Rande Europas
14:30-15:00: Dr. Andreas Beck (Bochum): Welthandelswege im Märchenwald – Johann Carl August Musäus’ "Stumme Liebe"
15.00-15.30: Dr. Peter Goßens (Bochum): „Eisenbahnen und Dampfschiffe“. Überlegungen zur Rolle der technischen Fortbewegung im transnationalen Literaturdiskurs des 19. Jahrhunderts
15:30-16:00: Kaffeepause
16:00-16:30: Dr. Uwe Lindemann (Bochum): Waren/Welt/Literatur
16:30-17:00: Arndt Niebisch (Greensboro): Medienzusammenbrüche und geopolitisches Erzählen in Jules Vernes "Kurier des Zaren"
17:00-17:30: Prof. Dr. Kerstin Stüssel (Bonn): Der Welt abhanden kommen. Globale Erzählungen von den Lücken des Weltverkehrs
Sektion 6 „Geographie – Geopolitik – Geopoetik“, Hörsaal V
14:00-14:30: Prof. Dr. Joseph D. O’Neil (Kentucky): Nomos oder Medium der Erde? Die Geopoetik der Weltliteratur
14:30-15:00: Dr. Angela Oster (München): Globalität und Globus. Technikfaszinationen von „Weltmaschinen“
15:00-15:30: Michael Auer (Bonn/Florenz): Präfigurationen des Planetarischen
15.30-16.00: Kaffeepause
16:00-16:30: Joachim Harst (Bonn): Welttheater und Weltmacht: Christlicher Universalismus bei Gryphius und Caldéron
16:30-17:00: Dr. Stephan Milich (Göttingen): Geopoetische Schreibweisen in der modernen arabischen Lyrik: Zwischen politischer Semantisierung von Landschaften und der Erschaffung privater Ersatzgeographien
17:00-17:30: Dana Bönisch (Bonn): Andere Geographien. Mapping als Kunstpraxis
17:45-19:30: Mitgliederversammlung der DGAVL, Festsaal
anschließend: gemeinsames Abendessen
Samstag, 18. Juni 2011
Parallelsektionen, 9:00-12:30 Uhr
Sektion 7 „Literarische Strategien der Weltdarstellung und
Weltherstellung“, Festsaal
9:00-9:30: Prof. Dr. Dolf Oehler (Bonn): Schreiben als Sammeln von Orten
9:30-10:00: Dr. Claudia Schmitt (Saarbrücken): Die Welt – ein Mosaik? Episodenhaftes Erzählen in Literatur und Film der Gegenwart
10:00-10:30: PD Dr. Kirsten von Hagen (Bonn): Jeder ist überall, niemand irgendwo – Global stories in aktuellen Romanen von Daniel Kehlmann ("Ruhm", 2009) und Gilles Mimouni ("Fake", 2009)
10:30-11:00: Kaffeepause
11:00-11:30: Prof. Dr. Christian Sinn (Konstanz/St. Gallen): Bilokation. Literarische und mathematische Verfahren der Welterzeugung in Thomas Pynchons "Against the day"
11:30-12:00: Christian Luckscheiter (Berlin): Topographien Peter Handkes zwischen Lokalität und Globalität
12:00-12:30: Nina Peter (Berlin): „The Right Places at the Right Times” – David Mitchells "Ghostwritten" als globaler Roman
Sektion 8 „Global Icons – Strategien der Visualisierung globaler
Zusammenhänge“, Hörsaal V
9:00-9:30: Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans (Bochum): Sprachen der Bilder. Kontrastierung und Hybridisierung kulturell differenter bildkünstlerischer Stile im Spiegel literarischer Beschreibung
9:30-10:00: Prof. Dr. Sabine Mainberger (Bonn): Weltliteratur zwischen Schrift und Bild?
10:00-10:30: Prof. Dr. Ursula von Keitz (Bonn): Visualisierungsmuster des Globalen im aktuellen politischen Dokumentarfilm
10:30-11:00: Kaffeepause
11:00-11:30: Dr. Frauke Bolln (Bonn):Welt und Provinz in Text und Bild bei Dorothee Elmiger und Stefan Ettlinger
11:30-12:00: Keyvan Sarkhosh (Wien): Die Welt als Archiv – Stanley Kubricks Napoleon-Projekt
12:00-12:30: Dr. Simon Harvey (London): Twisted Logics: The Topological Turn in Counter-Cartography
12:30-14:00: Mittagspause
Parallelsektionen 14:00-17:00 Uhr
Sektion 9 „Sprachen des Globalen: Universalsprache – Mehrsprachigkeit - Übersetzung“, Festsaal
14:00-14:45: Prof. Dr. Robert Stockhammer (München): Keine Globalisierung ohne Philologie. Von Eratosthenes zu Daoud Hari (Keynote)
14:45-15:15: Brigitte Rath (Innsbruck): Einsprachig mehrsprachig: Pseudoübersetzungen
15:15-15:30: Kaffeepause
15:30-16:00: Prof. Dr. Ulrich Ernst (Wuppertal): Eugen Gomringer und das Konzept einer globalen Poesie. Zum Konkretismus als einer internationalen Bewegung
16:00-16:30: Dr. Beatrice Nickel (Stuttgart): Konkrete Poesie und der Versuch der Etablierung einer Sprache poetischer Universalität
16:30-17:00: Elisabetta Terigi (Florenz/Bonn): Die Einheit der Welt und die Pluralität der Sprachen in der Kunst Yvan Golls (1891-1950): zwei Lösungsversuche
Sektion 10 „Verhandlungen kultureller Differenz im Spannungsfeld von
Lokalität und Globalität“, Hörsaal V
14:00-14:45: Prof. Dr. Marc Maufort (Brüssel): Canadian and Australasian Performances of Indigeneity in an Age of Globalization (Keynote)
14:45-15:15: Prof. Dr. Elke Brüggen (Bonn): Belacane, Feirefiz und die anderen. Zur Narrativierung von Kulturkontakten im Parzival Wolframs von Eschenbach
15:15-15:30: Kaffeepause
15:30-16:00: Prof. Dr. Michael Bernsen (Bonn): Gérard de Nervals Begegnung mit dem Orient, ein Globalisierungsschub in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts
16:00-16:30: Dr. Pascale Rabault (Paris): Orient und Okzident. Theodor Benfey als Theoretiker literarischer Zirkulationen
16:30-17:00: Prof. Dr. Christiane Solte-Gresser (Saarbrücken): Weltverlust und Lebensdichte. (Post-)moderne Formen der Welterzeugung in der Literatur
17:00-17:30: Plenum: Resümee und Verabschiedung
Organisation der Tagung:
Prof. Dr. Christian Moser (Bonn) / Prof. Dr. Linda Simonis (Bochum)
Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft
Universität Bonn
Am Hof 1
D 53113 Bonn
komparatistik@uni-bonn.de
Publiziert von: Barbara Ventarola