Internationale Tagung des Balkanromanistenverbandes: »Culinaria balcanica« Ess- und Trinkkultur bei den Balkanromanen
- Ort: Bad Kissingen
- Beginn: 17.05.12
- Ende: 19.05.12
- Disziplinen: Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Weitere Teilbereiche
- Sprachen: Weitere romanische Sprachen
Während jedem Betrachter einer Landkarte Südosteuropas die Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit der Landschaften auffällt, bemerkt jeder Betrachter der Speisekarten Südosteuropas die verbindenden Elemente und redet schnell von einer gemeinsamen Balkanküche. Doch so heterogen die physiogeographische und ethnische Struktur der Halbinsel gestaltet ist, so unterschiedlich ist auch ihre Küche, denn die vermeintlichen Ähnlichkeiten entpuppen sich schnell als sprachliche Gemeinsamkeiten, die vor allem durch die vom Türkischen beeinflusste Terminologie zu erklären sind. Die „rumänische Küche“ hat sich heute als Landesküche Rumäniens etabliert, während die romanischen Minderheiten außerhalb des Landes an den Nationalküchen Albaniens, Griechenlands, Serbiens etc. teilhaben. Doch welche Gerichte machen die rumänische Küche aus und welche Geschichte verbindet sich hinter den einzelnen kulinarischen Elementen? Was ist an ihnen noch romanisch? Wie wirken sich fremde Einflüsse auf die Identität der romanischen Gruppen Südosteuropas aus? Wie wurden die Balkanromanen im Laufe der Geschichte im Hinblick auf ihre Culinaria beschrieben und wie sahen sie sich selbst? Um einen gemeinsamen und vergleichbaren Ansatz für dieses sonst sehr weite Thema zu erhalten, beschränkt sich die Tagung auf die folgenden Themenbereiche.
1. Essen und Trinken in der Geschichte
Nahrungsaufnahme stellt nicht nur einen biologisch notwendigen Prozess dar, sondern entwickelte sich zum identitäts- und gemeinschaftsstiftenden Element. Historische Quellen, welche Auskünfte über Speiseverhalten und Identität geben, sind zumeist Memoiren, Reiseberichte und Aufzeichnungen von interessierten Privatpersonen. Ethnologische Forschungen setzen erst erheblich später ein. In diesem Themenblock soll erarbeitet werden, wie fern Speiseverhalten und Speisevorschriften selten nur von materiellen, sondern vielmehr auch von religiösen, gesellschaftlichen oder diätischen Faktoren abhängig waren.
- Religiöse Faktoren (Unterschiede der Tischsitten bei Orthodoxen, Katholiken, Muslimen etc.)
- Gesellschaftliche Faktoren (z.B. Speiserituale vor dem Hintergrund der familiären Hierarchie, Speise bei Arm und Reich, Totenschmaus etc.)
- Diätisch-therapeutische Faktoren (z.B. Aufzeichnungen aus Klöstern, Praktiken von Pilgern, humoralpathologische Speiseempfehlungen, Herstellung von Aphrodisiaka, apotropäische Nutzung von Speisen).
2. Rumänisch versus romanisch, rumänisch versus balkanisch
Übereinstimmungen in den balkanischen Küchenkulturen werden häufig durch die vom Türkischen beeinflusste Terminologie suggeriert. Wenngleich viele Gerichte während der osmanischen Herrschaft eingeführt und weiterentwickelt wurden, so verhielten sich die nationalen Küchen Südosteuropas nicht statisch, sondern entwickelten lokale und nationale Eigenheiten. Was und wie aßen und tranken die Romanen Südosteuropas vor dem Eintreffen der Osmanen? Welche Spezialitäten haben sich ausschließlich unter Rumänen und anderen romanischen Gruppen Südosteuropas entwickelt? Gibt es eine rumänische Nationalküche und was macht sie aus? Was ist gemeinbalkanisch, was aromunisch, istrorumänisch, meglenorumänisch?
3. Versorgung, Identität und Marken in der heutigen Zeit
Welche kulinarischen Konzepte entwickelt das Marketing heute? Besonders erfolgreich scheint es beispielsweise zu sein, Nahrungsmittel in Verbindung mit einer Region (z.B. salata dobrogeană, salam de Sibiu, sărmăluțe ardelenești, răchie bănățeană etc) zu vermarkten oder sie mit der Zuschreibung als „traditionell“ oder „hausgemacht“ (z.B. ca la mama acasă, ciorba țărănească, cartofi nature) aufzuwerten. Handelt es sich bei den Marken um konstruierte Verbindungen, die auf ein kulturelles Gedächtnis zurückzuführen sind? Welche anderen Methoden werden verwendet?
Veranstalter:
- Universität Zürich, Romanisches Seminar, Zürich
- Balkanromanistenverband e.V., Bamberg – Trier – Wien – Jena
- Friedrich-Schiller-Universität Jena, Südosteuropastudien, Institut für Romanistik
Programm
Donnerstag, 17.05.2012
Anreise bis 17 Uhr
17:30 Prof. Dr. Thede Kahl, Präsident des BRV: Ghini vinit
17:45 Prof. Dr. Christina Vogel, Sv. Präsidentin des BRV: Inhalte und Zielsetzungen der Tagung Culinaria balcanica
18:00 Prof. Dr. Wolfgang Dahmen, Schriftführer des BRV, Dr. Victoria Popovici: Essen und Trinken in Rumänien – Von den ältesten schriftlichen Belegen bis zu den Speisekarten der Gegenwart
19:15 Kleiner Empfang
Freitag, 18.05.2012
09:00 Dr. Elton Prifti: Italoalbanische “Sprachfrittata” in italoamerikanischen Kochrezepten
09:45 Dr. Peter Mario Kreuter, 2. Sv. Präsident des BRV: Zuckerwerk und zehn Bouteillen Wein. Der k.k. Agent Franz Baron von Metzburg und seine Informationen über das kulinarische Leben in Bukarest und Iași
10:30 Kathrin Krauße: Ciorba de perişoare auf dem Teller - Streifzüge durch rumänische Restaurants in Deutschland
11:15 Dr. Luminița Fassel: Haben die Rumänen eine eigene "nationale Küche"? Eine diachronische und nicht zuletzt moldauische Perspektive
12:00 Prof. Dr. Anton Sterbling: Die karge Banater Küche? Historische Entwicklungen zwischen rumänischen, ungarischen, serbischen, jüdischen, schwäbischen kulinarischen Wegen
Pause
14:00 Dr. Anke Pfeifer: Nahrungsaufnahme als Element ethnischer und sozialer Identitätskonstruktionen in der rumänischen Literatur
14:45 Dr. Ioana Scherf: Die Sprache bittet zu Tisch! Ausdrücke und Redewendungen mit Lebensmittelnamen im Rumänischen
15:30 Prof. Dr. Jürgen Kristophson: Warum können Kebap und seine Ableitungen keine romanischen Erfindungen sein?
Pause
16:30 Prof. Dr. Julia Kuhn und Dr. Holger Wochele: McPuisor und placinta mere. Sprachliche Aspekte des Angebots von Schnellrestaurants in Rumänien zwischen Lokaltradition und Globalisierung
17:15 Prof. Dr. Johannes Kramer: Erfolgsschlager Pizza und ihre balkanromanischen Bezüge
18:00 PD Dr. Petrea Lindenbauer: Cydonia oblonga – Zur Geschichte eines kaukasischen Gastes in den Küchen Südosteuropas
19:15 Diskussion und Abendessen
Samstag, 19.05.2012
09:30 Prof. Dr. Gabriella Schubert: Wem gehört der/die/das Paprika?
10:15 Prof. Dr. Christina Vogel: Die ideale Nahrung: Das Verschlingen der Literatur in Texten von Urmuz et al.
11:00 Prof. Dr. Thede Kahl: Maya, Mais und Mămăligă. Zur Kulturgeschichte des Kukuruz
11:45 Prof. Dr. Wolfgang Schweickard: «Vrʼo capama, vrʼo paclava, vrʼo ciulama». Sprachliche Reflexe der osmanischen Küche in Europa
12:30 Prof. Dr. Thede Kahl und Prof. Dr. Christina Vogel: Abschließende Bemerkungen und Hinweise zur geplanten Veröffentlichung
Abreise zwischen 14 und 15 Uhr
Publiziert von: cs