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17.02.2009

Nachruf: Zum Tode des Romanisten Prof. Dr. René Andrianne (1928-2009)

  • Ort: Mainz
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft
  • Sprachen: Französisch

Das Romanische Seminar der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz trauert um René Andrianne, der am 23. Januar 2009 in seiner Heimat in Belgien nach kurzer Krankheit verstorben ist. Er war im Mai 1974, von der Universität Constantine in Algerien kommend, auf einen Lehrstuhl für Romanische Philologie mit Schwerpunkt Französische Literaturgeschichte an die hiesige Universität berufen worden.

 

René Andriannes Lebensweg hat viele Stationen gekannt: Er hat zunächst Philosophie an seiner Heimatuniversität Louvain studiert, der er sein Leben lang treu blieb, um später das Studium der Philosophie in Paris fortzusetzen, wo er die Seminare von Jacques Lacan besuchte. Nach Abschluss seines Philosophiestudiums im Jahr 1956 arbeitete er in Afrika, zunächst in Kongo, dann bis 1967 an der Universität Bujimbara (Burundi), und bis 1969 an der Universität Lovanium (in Zaïre). Parallel betreibt er das Studium der Literatur, denn zu seinem Interesse für die Philosophie gesellt sich eine besondere Leidenschaft für die Literatur, die ihn sein Leben lang begleiten wird.

 

Im Jahre 1967 erfolgte seine Habilitation für das Fach Romanische Philologie an der katholischen Universität Louvain auf der Grundlage einer Arbeit über Camus´ La jeunesse littéraire d’Albert Camus, essai de biographie intérieure, die eine wichtige Studie in der Camus-Forschung darstellte, zumal in der damaligen Forschung die Arbeiten über Leben und Werk Camus sich ausschließlich den Jahren nach 1940 widmeten, während Kindheit und Jugend des Schriftstellers in Algerien nur am Rande behandelt wurden. Die Arbeit von René Andrianne verfolgt die innere Entwicklung Camus‘ zwischen dem Jahr 1932, dem Erscheinungsdatum seiner ersten kürzeren Publikation, und dem Augenblick, als Camus im Jahre 1940 endgültig Algerien verließ. Insofern hatte René Andrianne lange vor der Publikation des posthumen Werks Camus´ Le premier homme auf die engen Verbindungen des Schriftstellers mit seiner eigentlichen Heimat, le pays-mère, Algerien hingewiesen.

 

Im Jahre 1969 wird René Andrianne an die ‚Universitaire Faculteiten Sanct Ignatius’ in Antwerpen berufen und arbeitet dort am Romanischen Seminar, 1973-1974 übernimmt er eine Gastprofessur an der Université de Constantine in Algerien. Die letzte Station seines wissenschaftlichen Wirkens sollte dann das Romanische Seminar der Universität Mainz werden. Zu den profunden philosophischen Kenntnissen René Andriannes tritt ein besonderes persönliches Interesse für die Beziehungen zwischen Psychoanalyse und Literatur, das sich in dem Vortrag widerspiegelt, den er auf Einladung der Berufungskommission in Mainz im Jahr 1973 gehalten hat: Essai d’explication du silence de Rimbaud. Seine Antrittsvorlesung ist ebenfalls ein weiterer Beweis für dieses besondere Interesse: Literatur und Psychoanalyse.

 

René Andrianne hat sein Wirken als Professor für französische Literaturgeschichte in klassischer Weise verstanden: Er wollte den Studenten seine profunden Kenntnisse der französischen Literatur vermitteln. So hat er jedes Semester eine Vorlesung zur Literaturgeschichte angeboten und zwei Hauptseminare zu verschiedenen Autoren der französischen Literatur gehalten, wobei seine Vorliebe sowohl für Camus und die Existentialisten als auch für die ‚katholischen‘ Autoren wie Julien Green, Paul Claudel usw. zum Ausdruck kam. Ein neues Interessenfeld entwickelte sich im Laufe seiner Tätigkeit am Romanischen Seminar: die Literatur Belgiens und ganz besonders die Entstehungsgeschichte dieser Literatur. Dies fand seinen Niederschlag in dem vielbeachteten Band Écrire en Belgique (1983) und führte zu einer intensiven Beschäftigung mit der Frankophonie im allgemeinen und den frankophonen Literaturen insbesondere und zwar zu einem Zeitpunkt, als die frankophonen Literaturen noch keine besondere Beachtung in Deutschland erhalten hatten. In den letzten Jahren seiner Tätigkeit am Romanischen Seminar arbeitete er mit großem Eifer an verschiedenen Studien zu Georges Simenon, für welchen er immer ein ‚Faible‘ hatte, als dieser noch nicht in die Bibliothek de la Pléïade aufgenommen worden war.

 

René Andrianne verstand sich immer als Mittler: Er lud viele Kollegen aus Belgien, ganz besonders von der Universität Louvain, zu Gastvorträgen, wie Jacques Dubois und Jean-Marie Klinkenberg, die oft Gäste des Romanischen Seminars der hiesigen Universität waren. Er war auch ein guter Beobachter und stets freundlicher Zuhörer sowie ein leidenschaftlicher Debattierer: alles konnte zum Gegenstand langer Debatten gemacht werden, die Politik in Frankreich, die Probleme Afrikas, das Verhältnis Belgien/Frankreich oder Belgien/Deutschland. Und er hatte immer eine Antwort auf eine literaturwissenschaftliche Frage. Das Motto seines Engagements lautete: „Je donne mon esprit et mes connaissances à mes étudiants!“

Nach seiner Emeritierung im Juli 1993 verlegte er seinen Wohnsitz in seine belgische Heimat in Brüssel und konnte sich dort in seinen letzten Lebensjahren seinen Vorlieben widmen: Lesen und Schreiben. Er arbeitete bis zuletzt für die Zeitschrift Revue Nouvelle und war Miglied des ‚Comité de direction de la Société Simenon‘.

 

Une messe sera célébrée en sa mémoire le vendredi 20 février à 14h30 à l’église de Meise, Steinweg 7, Belgique.

 

Dr. Danielle Dumontet, Romanisches Seminar der Johannes Gutenberg-Universität

 

Von:  Danielle Dumontet, via Katrin Melzer-Voigt

Publiziert von: jd