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13.12.2011

Zwei Doktorandenstipendien (Romanistik; Kunstgeschichte)

  • Ort: Eichstätt
  • Arbeitszeit: Sonstige
  • Bezahlung/Besoldungsklasse: k.A.
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Französisch

Im Internationalen Promotionskolleg der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt werden im Rahmen eines koordinierten, literaturwissenschaftlich-romanistischen und kunsthistorischen Projekts ab sofort zwei Doktorandenstipendien (Romanistik; Kunstgeschichte; Laufzeit 36 Monate, monatl. Stipendienrate 1050,- €) ausgeschrieben zum Thema:

 

Adoleszenz in Literatur und bildender Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts.

 

Die Dissertationsprojekte sollen auf hohem Niveau zur historischen Adoleszenzforschung beitragen und der Frage nachgehen, in welchen sozialen und institutionellen Situationen heutige Vorstellungen, Praktiken und Einschätzungen der Jugend als prolongierter Übergang ihren Ursprung hatten. Während die Jugend in vorindustrieller Zeit vor allem in dörflichen Altersgruppen und im Rahmen von Handwerksbünden ihr Brauchtum entfalteten, organisierte sie sich seit der französischen Revolution in studentischen Verbindungen und politischen Bünden. Eine wichtige Grundlage für die Herausbildung der Jugendkultur war auch die Bohème, in der sich ein Überschuss an hoch qualifizierten Schulabgängern mit anderen sozial benachteiligten Schichten mischte. Zugleich wurde die Jugend durch das staatlich kontrollierte oder geförderte Bildungswesen als zeitlich und räumlich abgesonderter Lebensabschnitt zunehmend institutionalisiert. In Gesellschaften, in denen mit steigendem Heiratsalter in den Bildungsschichten die soziale Geschlechtsreife gegenüber der biologischen verschoben wurde, wandelte sich das Bild der Jugend. Mit dem sozialen Wandel ging die psycho-soziale Erforschung der Adoleszenz einher. Jugend erscheint zunehmend als Existenzkrise, als labile Phase in der biologisch-kulturellen Entwicklung.

 

Die Geschichte der Adoleszenz soll in der bildenden Kunst und in Literatur und Film in zwei Phasen exemplarisch beleuchtet werden. Das halbe Jahrhundert vor der Entstehung des „Jugendstils“ erfährt auch in der bildenden Kunst die eigentliche Entdeckung der Jugend. Vom Naturalismus bis zum Symbolismus wurden Jugendliche am Übergang von der Kindheit zum Erwachsenalter vermehrt zum Thema von Malerei und Skulptur, Illustration und Plakat. Eine visuelle Poetologie der Adoleszenz während dieser Zeit soll in den Kontexten 1. der medizinischen und psychologischen Forschung, 2. der literarischen Entwicklung und schließlich 3. der sozial- und diskursgeschichtlichen Verhältnisse rekonstruiert werden. Fragil gewordene Jugendliche, oft mit überlängten Körpern und unsicheren Identitäten, machen die Adoleszenz als Übergangsphase erlebbar, die immer mehr als riskant gewertet wird. Die Institutionalisierung der Ausbildung, die steigende Alphabetisierung und die Entstehung von Medien für die neue Zielgruppe sind der Hintergrund für die vermehrten Darstellungen der Adoleszenz. Zugleich wird die Kunst – wie die symbolistische Literatur – selbst jugendlich: in Produktion und Rezeption treten Evokationen und aufkeimende Bedeutung an die Stelle des Erfassens ausgereifter Gestalten; Selbstfindung vollzieht sich auch im Sehen als Prozess.

 

 

Inszenierungen von Adoleszenz und Bildung in den Filmen der Nouvelle Vague.

 

Die französische Nouvelle Vague revolutionierte zwischen 1959 und 1975 die kinematographische Sprache wie kaum eine andere Epoche des europäischen Filmes. Im thematischen Fokus stehen seit Truffauts wegweisendem Debut Les quatre cents coups (Sie küssten und sie schlugen ihn, 1959) vielschichtige Auseinandersetzungen mit dem Zusammenhang von Adoleszenz und Bildung. In der umfangreichen Forschung wurde dieser inhaltliche Schwerpunkt trotz seiner auffälligen Rekurrenz bislang kaum systematisch untersucht – zu sehr standen die formalen und filmtechnischen Innovationen der Nouvelle Vague im Vordergrund des Interesses. Um diese Lücke zu schließen, sollen die Interpretationen von Adoleszenz, Bildung und Persönlichkeitsentwicklung bei François Truffaut, Louis Malle, Eric Rohmer und anderen exemplarisch analysiert werden. Das Spektrum der filmischen Sujets umfasst dabei Jugendschicksale in den Familien- und Bildungsstrukturen zu Beginn der fünften Republik, pädagogische und psychologische Konflikte in Schulen, Internaten und Besserungsanstalten, filmische Parabeln von sexueller Initiation, Adoleszenzdramen unter den historischen Bedingungen des Exils, der Besatzung und des Widerstandes, nicht zuletzt die Neudeutung des Wolfsjungen-Stoffes als visuelles und narratives Bildungsexperiment. Auch in dieser Studie soll der Dialektik von psychologischer Authentizität und innovativer Filmästhetik besondere Aufmerksamkeit gelten.

 

Die StipendiatInnen erwartet ein anregendes Umfeld im Rahmen des Promotionskollegs der Katholischen Universität. Bewerbungen zu den genannten – oder zu verwandten – Themen im Problemfeld einer Geschichte der Adoleszenz – werden erbeten an: Prof. Dr. Christian Wehr (christian.wehr@ku-eichstaett.de) und Prof. Dr. Michael F. Zimmermann (michael.zimmermann@ku-eichstatt.de) an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die üblichen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugnisse, gegebenenfalls Schriftenverzeichnis) sollten durch eine Probeschrift, die der Bewerber oder die Bewerberin unter den Arbeiten des bisherigen Curriculums selbst auswählt, und durch ein Motivationsschreiben von nicht mehr als zwei Seiten Länge ergänzt werden. Die Projektleiter erteilen auf Anfrage auch vorab Auskunft; ebenso Frau Dr. Vanessa Morlock (Geschäftsführerin des Internationalen Promotionskollegs Eichstätt-Ingolstadt, Tel. 08421 / 93-1065). Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt strebt eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Forschung und Lehre an. Qualifizierte Interessentinnen werden nachdrücklich zur Bewerbung aufgefordert. Bewerbungen von Schwerbehinderten werden bei gleicher Eignung vorrangig berücksichtigt.

Von:  Lars Schneider

Publiziert von: LS