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12.06.2010

CfP: Deutsch-französische Sommerschule: Musik, Einwanderung, kulturelle Diversität. Weltmusik als Ideal in einer pluralistischen Gesellschaft

  • Ort: Centre Marc Bloch
  • Beginn: 06.09.10
  • Ende: 10.09.10
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft, Weitere Teilbereiche
  • Sprachen: Französisch, Sprachenübergreifend
  • Frist: 10.07.10

CfP: Deutsch-französische Sommerschule: Musik, Einwanderung, kulturelle Diversität. Weltmusik als Ideal in einer pluralistischen Gesellschaft

 

Centre Marc Bloch, Berlin

06.09.2010-10.09.2010, Centre Marc Bloch, Friedrichstr. 191, 10117

Berlin, Deutschland

Deadline: 10.07.2010

 

Deutsch-französische Sommerschule der DFH 2010

 

Centre Marc Bloch, Berlin

5. - 10. September 2010

 

 

Musik, Einwanderung, kulturelle Diversität:

Weltmusik als Ideal in einer pluralistischen Gesellschaft.

Methodische Fragestellungen

 

Prof. Dr. Denis Laborde (CNRS, Berlin) und

Prof. Dr. Raimund Vogels (Hochschule für Theater und Musik, Hannover)

 

1. ZIELE

Die Sommerschule soll während einer Woche Ort der Reflektion und des

Austausches sein. Wir möchten Doktoranden und Nachwuchswissenschafter

aus den Geistes- und Sozialwissenschaften ansprechen, welche sich mit

der Thematik der Globalisierung im Bereich der Musik befassen. Ziel ist

es, ein Wissensprojekt zu schaffen. Unsere Sommerschule beschränkt sich

bewusst nicht auf ein Fachgebiet, sondern verfolgt einen interdisziplinären Ansatz. Wir möchten deshalb ausdrücklich Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler verschiedener Disziplinen zur Teilnahme an

der Sommerschule ermutigen; auch solche, für die Fragen der Globalisierung im Bereich der Musik nicht die Hauptforschungstätigkeit darstellt.

Im Rahmen der Sommerschule stehen die wissenschaftliche Erfassung sowie

die Rahmenbedingungen der Beobachtung von musikalischer Praxis im

Mittelpunkt unserer Fragestellungen: Wie kann Weltmusik definiert werden? Wie können musikalischer Ausdruck und musikalische Handlungen sinnvoll kategorisiert werden? Kann Weltmusik auf die einfache Formel

"traditionelle Musik + elektrische Verstärkung" reduziert werden? Welche Positionen können bzw. müssen wir als Forscherinnen und Forscher einnehmen, um Musik und musikalische Praxis überhaupt beobachten zu

können? Kann sich die World Music von ihrer Geschichte lossagen, die sie

auf eine Marketingkategorie reduziert hat (eine Tendenz, die auch von

der UNESCO bekämpft wurde)?

 

Die Sommerschule thematisiert damit die epistemologischen Grundfragen

unserer Herangehensweise sowie methodische Fragen der teilnehmenden

Beobachtung in der Anthropologie. Die Sommerschule soll dabei nicht nur

Ort der wissenschaftlichen Reflexion sein, wir organisieren auch Treffen

mit Musikerinnen und Musikern der Berliner World Music-Szene.

 

2. INHALT

Fünf verschiedene Fragenkomplexe stehen im Mittelpunkt der

Sommerschule:

 

2. 1. Methodische Fragen (Tag 1)

Jede musikalische Aussage basiert auf den Handlungen von Menschen. Wer

eine musikalische Aussage beschreiben oder erklären will, muss sich die

damit verbundenen Handlungen als Ganzes vergegenwärtigen, unabhängig ob sie hier oder dort, gestern oder heute geschehen. Ebenso schaffen diese

Handlungen einen in unseren westlichen Gesellschaften als "Weltmusik"

bezeichneten Gegenstand. Diese Handlungen umfassen das menschliche

Handeln selbst, aber auch was die Menschen über ihre Handlungen sagen.

Sie konstituieren damit die Musik als Objekt. Aus diesem Grund werden

wir die Handlungen in den Mittelpunkt unserer Reflexion stellen. Dieser

Ansatz ist auch deshalb interessant, weil er für andere Themenbereiche

benutzt werden kann. Damit verbindet sich das Ziel, die Forschung über

Musik aus ihrer relativ isolierten Position im Feld der institutionalisierten Disziplinen herauszuholen.

 

Der aufschlussreiche Text von Timothy Rice über die Sängerin und

Improvisatorin Todora Varimezova wird unser Ausgangspunkt sein (Rice:

May it Fill Your Soul. Experiencing Bulgarian Music, 1994). Rice versucht in seiner Arbeit, die Entstehung der scheinbar mühelos improvisierten achtsilbigen Verse zu entschlüsseln, indem er mit Varimezova singt. Seine Erkenntnis ist, dass Varimezova "mit dem Herzen" und nicht nach den vorgegebenen Formen und Regeln der achtsilbigen Verse singt. Nach letzteren gefragt, antwortet Varimezova, dass dies wohl eine Frage für Musikethnologen sei. Ihr Gesang ist also das Ergebnis einer ontologisch schöpferischen Handlung.

 

Unsere Herangehensweise steht damit im Gegensatz zu Arbeiten, die von

bestehenden theoretischen Kategorien ausgehen und untersuchen, wie sich

diese in der Wirklichkeit wiederfinden. Wir bevorzugen es, den Einfluss der institutionalisierten Kategorien auf die Weltmusik zu untersuchen (siehe als Beispiel Hans Joas, La Créativité de l'Agir, 1999).

 

Dieses Thema wird im Laufe der Sommerschule von Prof. Dr. Denis Laborde

(Anthropologe, CNRS, Paris - Berlin) und Prof. Dr. Wolfgang Bender

(Musikwissenschaftler, Direktor des Center for Worldmusic in Hildesheim)

behandelt.

 

2. 2. Ontologische Fragen (Tag 2)

Durch diese anthropologische Perspektive verlassen wir die normativen

Modelle und rücken die Beobachtung der Praxis in den Vordergrund. Wir

interessieren uns insbesondere dafür, was Musik entstehen lässt. Die

Weltmusik lässt sich nicht immer einfach fassen und begrenzen, sie ist

keine gegebene Tatsache, die nur beschrieben werden muss. Eine solche

Sichtweise, die mehr auf den Herstellungsprozess und weniger auf ihre

Essenz abzielt, braucht eine ontologische Perspektive. Die Antworten auf

unsere Fragen sind nicht nur im Bereich der Philosophie, sondern auch in

den Geisteswissenschaften allgemein sowie in den Sozialwissenschaften zu

suchen.

 

In dieser Arbeitsphase werden wir sieben ontologische Modelle

diskutieren. Das musikalische Werk...

1) als reine/ ideale Struktur, deren Aufführungen als Instantiierung zu

deuten sind (siehe dazu musikalischer Platonismus); 2) als Struktur, die

im Kontext ihrer Aufführungsbedingungen zu sehen ist (siehe dazu Levinson); 3) als Erscheinung eines gewissen Typus (siehe dazu Zemnach);

4) als Symbol in einem allographischen System (siehe dazu Goodman);

5) als künstliche Substanz, deren Essenz von ihrer ästhetischen Funktionsweise bestimmt wird (siehe dazu Pouivet); 6) als historisches

Individuum (siehe dazu Rohrbaugh); 7) als Ereignis (siehe dazu Currie

und D. Davis).

 

Abgesehen vom allgemeinen Interesse an diesen Modellen im Rahmen einer

Ontologie der Kunst kann man sich fragen, welche am besten für das

Verständnis der Phänomene der "Weltmusik" geeignet sind. Das ontologische Verfahren ist nämlich entweder reformerisch, wenn sie aus

einer ontologischen Theorie hervorgeht oder deskriptiv, wenn sie von der

Untersuchung der Werke ausgeht und sich darum bemüht, anpassende

Ontologien zu kreieren. Wie ist es im Bereich der Weltmusik? Dieser Aspekt wird vom Philosophen Roger Pouivet (Direktor der Archives Poincaré, Universität Nancy 2) und vom Soziologen Volker Kalisch (Universität Düsseldorf) ausgeführt.

 

2. 3. Weltmusikfestivals (Tag 3)

In dieser Arbeitsphase werden verschiedenen Fallstudien vorgestellt. Wir

beziehen uns dabei auf die Ergebnisse eines deutsch-französischen

Workshops, der zwei Festivals untersucht hat (Creole, Weltmusik aus

Deutschland in Berlin und Villes des musiques du monde in Seine-Saint-Denis). Ausgangspunkt unserer Arbeit sind zwei Ansätze: die deskriptiven Kategorien von Elisabeth Anscombe und die "Beschreibungen unter X" von Vincent Descombe. Wir werden uns auf diese Weise eine Vorstellung von der Vielfalt der möglichen Beschreibungen machen. Daraus ist ein hermeneutisches Verfahren abzuleiten, das seine Aufmerksamkeit

vor allem auf die Interaktionen richtet (Paul Ricoeur, Clifford Geertz,

James Clifford).

 

Dieser Arbeitstag wird von Jean-Louis Fabiani (Soziologe, Forschungsdirektor an der EHESS, Paris - Marseille) und Philip Bohlman (Musikethnologe, Universität Chicago) geleitet.

 

2. 4. Musik und Politik (Tag 4)

Das Syntagma "Weltmusik" steht für eine ganze Reihe von möglichen

Bedeutungsinhalten. Diese Unbestimmtheit ist jedoch der Grund für den

Erfolg des Syntagmas. Unter dem Namen "Weltmusik" und dem von vornherein überzeugenden Charakter der künstlerischen Produktion, die zu diesem Bereich der musikalischen Praxis gehören, werden Vorstellungen von

Offenheit, Toleranz, kulturelle Vielfalt, Integration, Pluralismus, usw.

transportiert. Es sind Vorstellungen einer pluralistischen Welt, die im

Gegensatz stehen zu den geschlossenen Gesellschaften, die sich selbst

als homogen begreifen. Deswegen spielt die Weltmusik auch im politischen

Diskurs eine Rolle und findet häufig in Integrationsprogrammen Verwendung, die die öffentliche Hand in den Problembezirken organisiert.

Folgende Frage steht an diesem Arbeitstag im Mittelpunkt: Wie wird das

Syntagma "Weltmusik" in politischen Diskursen verwendet, während in der

Welt der Anthropologie das Engagement für die Erniedrigten und

Unterdrückten öfters als epistemologisches Prinzip fungiert?

 

Der Arbeitstag wird geleitet von Monica Sazbrun (CRIA, EHESS) und

Raimund Vogels (Musikethnologe, Direktor des Fachbereichs

Musikethnologie der Hochschule für Musik und Theater in Hannover).

 

2. 5. Bildung (Tag 5)

Am letzten Tag der Sommerschule wird den Fragen rund um das Unterrichten

von Weltmusik nachgegangen. Martin Greve, Verantwortlicher für interkulturelle Musikprojekte an der Philharmonie Berlin, wird sein

außerordentlich interessantes Experiment am Konservatorium in Rotterdam

darstellen. Dort hat er die ersten Kurse für "Weltmusik" geschaffen.

Dieses Experiment wird mit denen der Hochschule für Musik und Theater in

Hannover und denen des Musikethnologen Gille Delebarre in der Cité de la

Musique in Paris verglichen. Letzteres ist zu einem der größten Zentren

für die Pädagogik der Weltmusik geworden. Dort kann sowohl Derbuka und

Harmonika als auch das Gamelan aus Bali und das Rubab aus Afghanistan

studiert werden. In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen:

Inwieweit kann Musik außerhalb ihres Kontextes analysiert werden, der

ihr Bedeutung verleiht? Kann man ein Repertoire lehren, ohne das ganze

kulturelle System, in dem es entstanden ist, mit zu lehren? Anders

gefragt: Wie produzieren diese Institutionen selbst die "vielfältige

Welt"?

 

3. ABLAUF

Unsere Sommerschule ist für 22 Personen konzipiert. Alle Kandidatinnen

und Kandidaten sollen mit ihrer Bewerbung ein Projekt einreichen (3 Seiten), welches einem der fünf Themenschwerpunkte zugeordnet ist. Aus diesen Projekten werden wiederum 11 ausgesucht die von den Autoren (Gruppe A), zu einem Artikel von etwa 15 Seiten ausgearbeitet werden sollen. Die Artikel werden auf der Homepage des Centre Marc Bloch allen Teilnehmern zugänglich gemacht und im Rahmen der Seminare von den anderen Teilnehmern (Gruppe B) diskutiert und kommentiert.

 

Der Schwerpunkt der Arbeit wird auf der interdisziplinären Gruppenarbeit

liegen. Die vorgeschlagenen Vortragsthemen müssen für möglichst viele

Fachgebiete zugänglich sein (Geschichte, Geografie, Musik, Sozialwissenschaften, Kunstgeschichte, Wirtschaft, Recht, Philosophie,

Anthropologie, Psychologie usw.).

 

Für die vertiefende Gruppenarbeit, in welcher die Nachwuchsforscher mit

erfahrenen Wissenschaftlern offen gebliebene Fragen klären können, sind

vier Stunden (d.h. eine Stunde pro Tag) vorgesehen. Diese Arbeitsform

erlaubt es den Doktoranden weiter, methodische Fragen zu klären, welche

sie im Rahmen ihres Promotionsprojektes beschäftigen. Methodische Fragen

werden über die ganze Woche hinaus gesammelt und auf der Homepage des

Centre Marc Bloch online gestellt. Auf diese Weise können interessierte

Personen über die Sommerschule hinaus methodische Fragen diskutieren.

 

4. BEWERBUNG Das Bewerbungsdossier muss folgende Dokumente enthalten: 1) einen Lebenslauf; 2) die Präsentation des Dissertationsprojektes bzw. des aktuellen Forschungsprojektes (max. zwei Seiten); 3) ein ausgearbeiteter Vorschlag für eine Präsentation (max. eine Seite), die sich thematisch in einen der fünf Tage eingliedert (Methodische Fragen, ontologische Fragen, Weltmusikfestivals, Musik und Politik, Bildungswesen).

 

Die Bewerbungsdossiers sollen nur elektronisch eingereicht werden. Bitte

senden Sie Ihre Bewerbung an: denis.laborde@cmb.hu-berlin.de

Format der Dokumente: .doc oder .rtf.

Die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wird anhand der

eingereichten Bewerbungsdossiers vorgenommen.

 

 

5. ZUSAMMENFASSUNG

Daten: Die Sommerschule findet statt vom 6. bis 10. Juli 2010 (Montag

bis Freitag). Ankunft ist der Sonntag Abend 5. Juli 2010, Abfahrt

entweder Freitag Nachmittag, 10. Juli oder Samstag Morgen, 11. Juli

2010. Die jeweiligen Halbtage starten mit dem Vortrag eines Spezialisten

und werden fortgesetzt mit der Präsentation der Teilnehmerpräsentationen.

 

Adressaten: Die Sommerschule ist offen für 22 junge Doktoranden oder

Post-Doktoranden aus den Geistes- und Sozialwissenschaften. Es ist nicht

zwingend notwendig, bereits zum Thema Musik bzw. in Deutschland und

Frankreich geforscht zu haben. Die Staatszugehörigkeit spielt keine

Rolle.

 

Arbeitssprachen: Französisch und Deutsch, Englisch falls nötig. Alle

werden in der Sprache ihrer Wahl vortragen können, müssen jedoch in der

Lage sein, die andere(n) Sprache(n) zu verstehen.

 

Veranstaltungsort: Centre Marc Bloch, Friedrichstr. 191, 10117 Berlin,

Deutschland.

 

Bewerbung: in elektronischer Version an denis.laborde@cmb.hu-berlin.de

Anmeldeschluss: 10. Juli 2010

 

Bekanntgabe der Teilnehmerliste: 15. Juli 2010

 

Kosten: Die Kosten für die Übernachtung, die Verpflegung und die Reise

(Bahn 2. Klasse oder Flugticket zu moderatem Preis) werden übernommen. Weitere Informationen: denis.laborde@cmb.hu-berlin.de oder

raimund.vogels@hmt-hannover.de

 

Denis Laborde

Friedrichstr. 191, 10117 Berlin

denis.laborde@cmb.hu-berlin.de

Von:  Denis Laborde

Publiziert von: Barbara Ventarola