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15.01.2014

CfP: "Spielräume und Raumspiele in der Literatur", Tagung für PromovendInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen

  • Ort: Berlin
  • Beginn: 04.07.14
  • Ende: 05.07.14
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft
  • Sprachen: Sprachenübergreifend
  • Frist: 15.03.14

„Jedes Spiel bewegt sich innerhalb seines Spielraums, seines Spielplatzes, der materiell oder nur ideell, absichtlich oder wie selbstverständlich im Voraus abgesteckt worden ist. […] Die Arena, der Spieltisch, der Zauberkreis, der Tempel, die Bühne, die Filmleinwand, der Gerichtshof, sie sind allesamt der Form nach Spielplätze, d.h. geweihter Boden, abgesondertes, umzäuntes, geheiligtes Gebiet, in dem besondere Regeln gelten.“ (Huizinga: Homo Ludens)

 

„[L]e discours qui fait croire est celui qui prive de ce qu'il enjoint [...] Il fait place à du vide. Par là, il ouvre des jours; il ‚permet‘ du jeu dans un système de lieux définis. Il ‚autorise‘ la production d'un espace de jeu (Spielraum) dans un damier analytique et classificateur d'identités. Il rend habitable. À ce titre, je le désigne comme une ‚autorité locale‘.“

(de Certeau: Arts de faire)

 

Spiel im Raum – Raum im Spiel: Gibt es Spiele nur durch räumliche Begrenzung? Und lassen sich Räume insbesondere durch spielerische Praktiken erschließen? Bereits Huizinga führt in seinem kanonischen Werk „Homo Ludens“ den Raum als entscheidende Voraussetzung ludischer Tätigkeit an. In umgekehrter Perspektive beschreibt etwa de Certeau das Erzählen als spielerische Raumpraktik, die maßgeblich einen Spielraum eröffnet. Zentral ist dabei die Dynamik zwischen öffnenden und schließenden Verfahren, zwischen Freiraum und Regelhaftigkeit, ‚contrainte‘ und Imagination, Alltag und magischem Ausnahmezustand, Zufall und Notwendigkeit: Die regelhafte Begrenzung eines Spielraums eröffnet erst einen potenziell unendlichen Möglichkeits-, Innovations- und Imaginationsraum.

 

Die Verbindung von Spiel und Raum weist auf eine grundlegende Interdependenz zweier kulturtheoretischer Schlüsselbegriffe hin, die gerade durch ihre ambivalente Aufladung virulent werden. Ihre systematische Verschränkung steht in der Forschung jedoch bislang aus. Die Nachwuchstagung „Spielräume und Raumspiele in der Literatur“ möchte vor diesem Hintergrund zwei aktuelle Forschungsachsen verbinden und zuspitzen. Denn einerseits hält das Interesse am Raum als Analysekategorie seit dem ‚spatial turn‘ noch immer an, wird ihr Potenzial kontinuierlich weiter diskutiert und differenziert. Zum anderen geben das konstante Interesse von Autoren (u.a. Schiller, Freud, Caillois, Huizinga) und LiteraturwissenschaftlerInnen (u.a. Anz, Matuschek, Motte, Poier-Bernhard) am Begriff ‚Spiel‘ sowie der jüngst ausgerufene ‚ludic turn‘ das Spiel ebenfalls als kulturanthropologisch wie textuell wirkmächtige Kategorie zu erkennen. Während der Fokus etwa der „game studies“ dabei auf einer multimedialen Perspektive liegt, möchten wir nach den spezifischen Charakteristika literarischer Spielräume und Raumspiele fragen.

 

Ziel der geplanten Nachwuchs-Tagung ist es, Spielräume und Raumspiele in der Literatur auf motivischer wie formalästhetischer Ebene in ihrem Wechselverhältnis herauszuarbeiten und so theoretisch wie werkanalytisch fruchtbar zu machen. Welche Formen von Spielräumen und Raumspielen tauchen in der Literatur, in fiktionalen aber auch faktualen Texten auf, und welche Funktionen erfüllen sie? Inwiefern werden sie sowohl innerhalb der Diegese, aber auch zwischen Leser und Erzähler sowie in der räumlichen Materialität des Buches (u.a. Seite, Schrift, Paratexte) relevant? Über welche den Raum strukturierenden Kräfte verfügt das Spiel?

 

 

Mögliche Untersuchungsgegenstände und -perspektiven sind dabei insbesondere (aber nicht ausschließlich):

 

1. Spielräume und Raumspiele als Motiv und Untersuchungsobjekt

- der Zusammenhang zwischen Raum und Spiel sowie zwischen Formen und Funktionen von Spielräumen und Raumspielen, z.B. Versteckspiel, Schach, Puzzle, Spielkarte, Arena, Rummelplatz, Bühne oder Labyrinth

- Raumspiele und Spielräume im Werk einzelner Autoren, z.B. Benjamin, Borges, Butor, Caillois, Calvino, Cortázar, Danielewski, Foer, Kafka, Ollier, Perec, Proust, Rabelais, Sterne

- In welcher Beziehung stehen Spielräume zu anderen Raumkategorien, z.B. zum sakralen Raum, dem Raum des Rituals oder panoptischen Räumen, etwa bei Durkheim, Foucault, Mauss, Girard, Bataille u.a.? Welche Rolle spielen räumlich gefasste Transgressionen dabei?

- Inwiefern eignen sich Zwischenräume, Schwellen und Passagen besonders als Spielräume?

- Wie werden Spiel-Raum-Konfigurationen kulturanthropologisch, poetologisch und/oder epistemologisch wirksam, z.B. bei Bachelard, Caillois, de Certeau, Foucault, Huizinga, Schiller, Turner?

- Wie gelingt das Betreten und Verlassen von Spielräumen? Wie wird demnach das Öffnen bzw. das Schließen dieser Räume in Texten inszeniert und auf der Verfahrensebene umgesetzt? Wie lassen sich diese Verfahren mit literaturtheoretischen Konzepten verbinden (z.B. von Barthes, Derrida, Eco)?

- Welchen ontologischen Status kann man dem Spiel zuweisen? Wo lässt sich das Spiel jeweils zwischen „heiligem Ernst“ (Huizinga) oder Spielen um des Spielens willen verorten?

- Wie werden bestimmte Anverwandlungen an den Raum und Raumdynamiken in Texten inszeniert oder vom Text selbst umgesetzt? Welche Funktion erfüllen dabei spielerische Elemente (u.a. Bachelard, Benjamin, Caillois, Proust)?

 

2. Spiele mit dem Textraum

- Fiktion, Dichtung oder Mimesis als Spiel(raum) (Freud, Huizinga, Caillois, Walton, Iser)

- Inwiefern kann der Text selbst zum Spielraum werden? Wie wird die Materialität des Buches, der Schrift oder der Erzählebenen, des diegetischen und grammatikalischen Raums sowie von Paratexten dabei spielerisch genutzt (u.a. Butor, Danielewski, Foer, Haas, Ollier, Perec)?

- der Leser als Mitspieler: Poetologische und rezeptionsästhetische Konsequenzen, z.B. bei Calvino, Cortázar, Iser

- In welcher Verbindung stehen regelhafte ‚contraintes‘ mit spielerischer Kreativität und wie ist die Verbindung von Spielraum, Textspiel und Imagination fassbar? (Iser)

- intertextuelle, intermediale und zitathafte Verfahren als spielerische Verbindung verschiedener medialer/künstlerischer Räume, z.B. bei Caillois, Simon, Robbe-Grillet

 

Ort

Freie Universität Berlin, Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft

 

Organisatorisches:

Die Tagung wird vom 4. bis 5. Juli 2014 an der Freien Universität Berlin stattfinden und möchte PromovendInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen ein Forum für die Präsentation (ca. 25 min) und Diskussion ihrer Forschungsprojekte bieten. International und komparatistisch ausgerichtet steht sie allen Philologien sowie philosophischen und kulturwissenschaftlichen Zugängen offen. Als Keynote-Speaker konnten Prof. em. Dr. Gerhard Neumann (Berlin), Prof.’in Dr. Astrid Poier-Bernhard (Graz) und Dr. Regine Strätling (Berlin) gewonnen werden.

Den TeilnehmerInnen werden die Reise- und Übernachtungskosten erstattet, sofern diese nicht von ihrer Heimatinstitution übernommen werden können. Eine Veröffentlichung im Anschluss an die Tagung wird angestrebt.

Bitte senden Sie Ihre Beitragsvorschläge im Umfang von max. 250 Wörtern bis zum 15. März 2014 per E-Mail an raum.spiel@web.de. Neben Fragestellung und vorläufigem Titel des geplanten Vortrags sollten Ihre institutionelle Anbindung, Forschungsinteressen, gegebenenfalls Publikationen sowie Name, Email-Adresse und Anschrift enthalten sein.

 

Bei Rückfragen können Sie sich auch gern direkt an die Veranstalterinnen wenden:

Julia Dettke: julia.dettke@fu-berlin.de

Elisabeth Heyne: elisabeth.heyne@uni-muenster.de

 

Von:  Julia Dettke

Publiziert von: RZ