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23.02.2011

CfP: Vergessene Texte des Mittelalters

  • Ort: Göttingen, Historische Sternwarte
  • Beginn: 02.12.11
  • Ende: 04.12.11
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft
  • Sprachen: Französisch, Sprachenübergreifend
  • Frist: 04.04.11

Vergessene Texte des Mittelalters – man kennt sie und kennt sie doch nicht. Ihre Titel sind oft noch bekannt, gelesen werden sie selten. Wer abseitige Literatur sucht, findet sie in allen Sprachen und Gattungen: selten intonierte Minnesänger (Bernger von Horheim, Graf Kraft von Toggenburg), von ihren Zeitgenossen noch vielgelesene geistliche Autoren des Spätmittelalters (Otto von Passau, Marquard von Lindau) oder Anleitungen zum Turnier-und Ritterwesen (Geoffroi de Charny) genauso wie unbeachtete Erzähltexte in Deutsch (die Minneromane Bertholds von Holle, der Artusroman ‚Wigamur’, der ‚Malagis‘ aus der späten chanson de geste, die enfance-Geschichte ‚Johann aus dem Baumgarten’ oder die ‚Weberschlacht’), Latein (Hugos von Mâcon ‚gesta militum’, Stephans von Rouen historisches Epos ‚Draco Normannicus’ oder die ‚Historia Alexandri Magni’ des Quilichinus von Spoleto), Französisch (Geoffrois de Nés Heiligenviten) oder Englisch/Schottisch (John Lydgates Antikenromane, Gavin Douglas‘ Traumallegorie ‚Palis of Honoure’). Einige von ihnen sind schon bald nach ihrer Entstehung wieder in Vergessenheit geraten, andere wurden weit rezipert, und sind doch heute weitgehend unbekannt.

 

Vor nicht allzu langer Zeit war es in der Forschung verpöhnt, sich mit solchen Texten zu beschäftigen. Schnell konnte es das Todesurteil einer wissenschaftlichen Karriere bedeuten, wenn sich jemand allzu genau für sie interessierte. Sie dienten und dienen vielleicht gerne noch als Dokumente für Zeitgeschichte oder wurden als Steinbruch für realienkundliche oder mentalitätshistorische Fragen (Hofzucht, Waffengattungen, Kleidung etc.) ausgewertet, in der Literaturgeschichtsschreibung dagegen wurden sie teils aus ästhetischen Gründen abqualifiziert, teils aus ethischen Gründen als ‚unanständig‘ zurückgewiesen.

 

Glücklicherweise hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein Wandel vollzogen. Die Anzahl der Forschungsarbeiten zu ‚Randtexten‘ hat zugenommen und einige der früher weniger beachteten Werke sind mittlerweile fest in der Forschung etabliert. Dieser Wandel darf nicht über die Masse von Texten, die in Forschungspublikationen nur geringe Beachtung finden, hinwegtäuschen. Trotz des Aufbrechens früherer Wertungen hat sich gerade in der Durchsetzung neuer Studiengänge in der universitären Lehre ein Kanon von Klassikern festgesetzt, der gegenüber früheren Vorlieben nur geringfügig verändert ist und abermals Autoren an den Rand drängt – nun aber vordergründig nicht mehr aus ästhetischen, sondern aus Gründen des Zeitmanagements.

 

Mit der Tagung wollen wir solchen von der Forschung vergessenen Texten ein Forum bieten. Unser Interesse ist vorrangig ein literarhistorisches. Wir fragen danach, wie eine intensive Beschäftigung mit ihnen die Literaturgeschichte differenzieren und ergänzen kann. Dabei verzichten wir bewusst auf theoretische Zwänge, um die Relektüre dieser Werke als Chance für neue Perspektiven zu begreifen. Gesucht werden Beiträge zu einzelnen Texten, die vor dem Hintergrund ihrer Tradition in ihrer Eigenart gewürdigt werden sollen und zu denen nur wenig Forschungsliteratur existiert. Vorschläge (max. 1 Seite) für 30-minütige Vorträge, gerne auch von Nachwuchswissenschaftlern, bitte bis zum 4.4.2011 an:

 

VergesseneTexte@gmx.de

 

Nathanael Busch (Marburg)

Björn Reich (Göttingen)

 

Von:  Björn Reich

Publiziert von: Christof Schöch