Interdisziplinäre Tagung: Die Krise: Versuch der Profilierung eines begrifflichen Passepartouts
- Ort: Dresden
- Beginn: 23.01.09
- Ende: 24.01.09
- Disziplinen: Medien-/Kulturwissenschaft
- Sprachen: Sprachenübergreifend
- Frist: 31.08.08
Europäisches Graduiertenkolleg 625
Institutionelle Ordnungen, Schrift und Symbole der TU Dresden
Call for Papers
Interdisziplinäre Tagung: Die Krise: Versuch der Profilierung eines
begrifflichen Passepartouts
Dresden, 23.-24. Januar 2009
Konzeption: Viola Belghaus, Janice Biebas, Nicol Speer, Clemens Tangerding
Die Krise scheint zurzeit allgegenwärtig. Kein Tag vergeht, an dem die
Medien keine aktuellen Krisenszenarien beschwören oder zu deren Einordnung
historische Vorbilder zitieren, etwa wenn angesichts der Benzinteuerung an
die Ölkrise der 1970er Jahre erinnert wird. Dieser plakative Gebrauch des
Begriffs hat mittlerweile auch seine Parallele in der wissenschaftlichen
Diskussion. Trotz der fruchtbaren Ergebnisse der historischen
Krisenforschung der vergangenen 30 Jahre scheint sich ein analytisch
gerechtfertigter Krisenbegriff nicht durchsetzen zu wollen. Krise ist nach
wie vor häufig Legitimation und Hypothese einer Studie, nicht Ergebnis der
Untersuchung. Die Tagung möchte daher erneut nach dem Begriff der Krise
fragen und seinen mannigfaltigen Verwendungen auf den Grund gehen: als
Hypothese, als Empfindung, als Forschungskategorie, als These.
Dabei reflektiert die mediale Präsenz der Krisendiagnosen bereits einen
entscheidenden Faktor des Phänomens: Die Krise ist kein Geschehen an sich,
sondern ein beobachtetes, narrativ bzw. medial vermitteltes
Deutungsmuster, mit dem politische, soziale und kulturelle
Wandlungsprozesse beschrieben werden. Die Krisenerzählung stiftet demnach
normative Sinnzusammenhänge für ursprünglich instabile Situationen, die in
der Offenheit ihres Ausgangs alternative Möglichkeiten der Entscheidung
beinhalten. Ziel der Tagung ist es, in exemplarischen Fallstudien
Krisengeschehen und Krisendiskurs in Beziehung zu setzen, das heißt
Erklärungszusammenhänge zwischen der Krise als objektivierbarem
Transformationsprozess einerseits und dem Krisendiskurs als Ergebnis einer
kommunikativ vermittelten Erfahrungsrealität andererseits herzustellen.
Dafür sollen drei Themenkomplexe im Mittelpunkt stehen, die nach
Möglichkeit in den einzelnen Tagungsbeiträgen aufgegriffen werden sollen:
1. Über Krisen schreiben: Formen des Krisendiskurses
Hier stehen die - in der Regel schriftlich vermittelten - Zeugnisse des
Krisenbewusstseins im Mittelpunkt, die einerseits als Quellengattung auf
ihre kommunikativen Strategien und rhetorischen Konventionen beschrieben,
anderseits auf ihre Funktionsweisen, etwa als Krisendiagnose und
Krisenbewältigung im politischen Diskurs befragt werden können.
2. Akteure in der Krise: Kommunikations- und Handlungsformen in der Krise
Dieser Punkt zielt auf die spezifisch ausgebildeten Interaktionsformen
während der Krise, die auch symbolische Formen der Kommunikation
beinhalten können. Um den Zusammenhang von Krise und Krisendiskurs auch
auf der Ebene der Akteure zu schärfen, wäre zudem nach den Implikationen
von historiographisch vermittelten Krisenbeschreibungen auf politische
Entscheidungen und gesellschaftliche Reformbestrebungen zu fragen. Zudem
können zu den Handlungsmustern auch neue Formen der Legitimation und der
Repräsentationssysteme gehören, die von den in Krisenzeiten besonders
unter Druck stehenden politischen Obrigkeiten und Funktionsträgern
ausgebildet werden.
3. Die Krise erinnern: Repräsentationsformen der Krise
Aus der Perspektive der überwundenen Krise soll in diesem letzten Punkt
danach gefragt werden, wie Krisenerfahrungen im kollektiven Gedächtnis
verankert werden. Mit welchen Inszenierungs- und Repräsentationsformen
reagieren Gemeinwesen auf die überwundene Krise und welche Aspekte der
Identitätsstiftung und Stabilitätsbehauptung werden thematisiert? Darüber
hinaus ist nach der Implementierung von Krisenerfahrungen in literarische
und historiographische Gattungen zu fragen, vor allem im Hinblick auf die
Deutungsangebote, die als Reaktionen auf Krisen entwickelt werden. Und
schließlich kann, um die Krise nicht allein als Niedergangsnarrativ
aufzufassen, auch nach der Bewertung von Chancen gefragt werden, die sich
als produktive Zerstörung aus der Krise ergeben haben.
Erbeten sind Beiträge aus den Geschichtswissenschaften, der
Kunstgeschichte, den Kultur- und Medienwissenschaften sowie der
Soziologie. Eine Publikation der Tagungsbeiträge ist geplant. Auf Anfrage
steht ein Konzeptpapier als Diskussionsgrundlage zur Verfügung. Vorschläge
(mit einer ca. einseitigen Erläuterung) für Beiträge mit einer
Vortragsdauer von 25 Minuten erbitten wir bis zum 31. August 2008 per
Email oder Post an die folgende Adresse.
Kontakt:
Dr. Viola Belghaus
Europäisches Graduiertenkolleg 625, TU Dresden
Institutionelle Ordnungen, Schrift und Symbole
D-01062 Dresden
viola.belghaus@freenet.de
Publiziert von: Kai Nonnenmacher