Proust und der Körper
- Ort: Köln
- Beginn: 26.09.08
- Ende: 27.09.08
- Disziplinen: Literaturwissenschaft
- Sprachen: Französisch
- Frist: 31.03.08
Das Kolloquium richtet sich an Nachwuchswissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen und fragt nach Konzeptionen und Theorien, mit denen sich die in Prousts Œuvre zum Ausdruck kommenden Körperentwürfe erfassen lassen. Im Sinne ästhetisch-philosophischer, kulturwissenschaftlicher, letztlich anthropologischer Fragestellungen kann der Körper verstanden werden als Modell der Artikulation, mit dem sowohl traditionelle Leib- und Körperdiskurse als auch gendertheoretisch relevante Konzepte zusammengeführt werden können
Im Zuge einer Suche nach neuen Kategorien zur Analyse der Form und Formauflösung des Körpers ließe sich auf dieser Grundlage an prägnante Szenen der Recherche anschließen, bei denen Wahrnehmungsmuster der Dynamisierung, der Unschärfe sowie der Fragmentierung ins Auge fallen: Ob es sich dabei um die Schar junger Mädchen handelt, deren Körper scheinbar konturlos ineinander fließen, um den nicht mehr erkennbaren Körper des fliehenden Saint-Loup oder aber den berühmten Hals von Albertine. Angesichts solcher ästhetischer Verfahren wäre zu fragen, inwiefern die sukzessive Dekomposition des Körpers zugunsten einer offenen Darstellung an Verfahren avantgardistischer Praxis wie Kubismus, Futurismus und Surrealismus anknüpft.
Vor dem Hintergrund philosophischer Konzeptionen sind es die Faszinationsmuster von Raum und Zeit, die emblematisch sind für einen modernen Zugang zum menschlichen Körper und auf theoretische Überlegungen Henri Bergsons bezogen werden können. Auch wenn Bergson in der Proustforschung ohnehin immer wieder als Kronzeuge herangezogen wird, so doch meistens nur im Zusammenhang mit den in Mémoire et Matière entwickelten Erinnerungsmodellen. Was die Bewegung des Körpers in Zeit und Raum angeht bzw. die Raum-Zeitlichkeit schlechthin, die Bergson in seinen Werken theoretisiert, kann darin ein weiterer Schlüssel gesehen werden, mit dem Prousts dekompositorische Verfahrensweisen analysiert werden können.
Ausweiten ließe sich die korporale Ästhetik der Formauflösung freilich auch auf den Text-Körper der Recherche, hat doch Prousts „Schreiben ohne Ende“ ein Werk hervorgebracht, dessen Formen unter textkritischen Aspekten alles andere als deutlich markiert sind. Bis zu seinem Tod wuchert das Corpus von innen heraus durch die unzähligen Ergänzungen, die Proust an die Textränder seines Lebenswerks anfügt.
Die vorgestellten Begriffe Form und Formauflösung sowie Unbestimmtheit und Flüchtigkeit verstanden als konzeptuelle Figuren der Ver-Körperung begründen nicht zuletzt Prousts Modernität, weshalb eine Suche nach dem corps perdu im Netz der Diskurse stellvertretend geltend gemacht werden kann für das gesamte ästhetische Faszinationspotential der Recherche.
Das Nachwuchskolloquium wird in Kooperation mit der Marcel-Proust-Gesellschaft von Dr. Gregor Schuhen (Universität Siegen) und Andrea Stahl M.A. (Universität Siegen) veranstaltet und findet am 6. und 7. September 2008 im Kölnischen Kunstverein statt.
KONTAKT: schuhen@fk615.uni-siegen.de
stahl@romanistik.uni-siegen.de
Publiziert von: Kai Nonnenmacher