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29.06.2009

Tagungsbericht: "Blickpunkt Lateinamerika"

  • Ort: Mannheim
  • Beginn: 22.06.09
  • Ende: 23.06.09
  • Disziplinen: Literaturwissenschaft, Medien-/Kulturwissenschaft
  • Sprachen: Spanisch

Blickpunkt Lateinamerika.

Aktuelle Ansätze medien-, kultur- und literaturwissenschaftlicher Forschung

 

Bericht über das Kolloquium vom 22./23. Juni 2009 an der Universität Mannheim

 

Am 22. und 23. Juni 2009 fand an der Universität Mannheim das Kolloquium „Blickpunkt Lateinamerika“ statt. Eingeladen hatte die neu berufene Lehrstuhlinhaberin der Abteilung für Literatur- und Medienwissenschaft des Romanischen Seminars, Prof. Dr. Claudia Gronemann. Der Veranstalterin ist es gelungen, mit Prof. Dr. Vittoria Borsò (Universität Düsseldorf), Prof. Dr. Janett Reinstädler (Universität Saarbrücken) und Prof. Dr. Alfonso de Toro (Ibero-Amerikanisches Forschungsseminar, Universität Leipzig) ausgewiesene Expertinnen und Experten der Lateinamerika-Forschung, mit denen langjährige Kooperationen bestehen, nach Mannheim zu holen. Von der Fachkompetenz der auswärtigen Vortragenden konnten insbesondere die Mannheimer Hispanistik-Studierenden profitieren, die sich die Teilnahme an der Veranstaltung verbunden mit einer Klausur anrechnen lassen konnten. Ein Signal für die Kontinuität von Forschung und Lehre in Mannheim ging auch von der Teilnahme des ehemaligen Lehrstuhlinhabers, Prof. Dr. Rolf Kloepfer, aus, der von 1971 bis 2008 im Amt war und die medienwissenschaftliche Ausrichtung der hiesigen Romanistik geprägt hat.

 

Das breit angelegte Programm des Kolloquiums, das Vorträge sowohl in deutscher als auch spanischer Sprache enthielt, reichte thematisch von der „Entdeckung der Neuen Welt“ im Zuge der portugiesischen Expansion nach Brasilien (Dr. Cornelia Sieber, Universität Leipzig) über das koloniale Theater im mexikanischen Barock (Dr. Tanja Schwan, Universität Mannheim) und auf den Antillen des 19. Jahrhunderts (Reinstädler) bis hin zur Literatur, Malerei und zu den Leitmedien des 20. und 21. Jahrhunderts, mit Ausblicken auf die Debatte um Unbestimmtheitsrelationen in den Künsten wie in den Neurowissenschaften (Borsò). Produktive Diskussionen und Synergieeffekte ergaben sich insbesondere hinsichtlich der methodischen Zugänge, die mehrheitlich von postkolonialer Theorie und Hybriditätsforschung sowie von Ansätzen zu einer Kultur des Materiellen und der Performanz geprägt waren. Einen Schwerpunkt des wissenschaftlichen Austauschs bildete das Werk der mexikanischen Malerin Frida Kahlo, mit dem sich gleich drei Vorträge befassten: Jenseits nach wie vor gängiger biographischer Annäherungen ging es dabei um eine Erschließung der Gemälde und deren problematische Relektüre in Julie Taymors Biopic Frida (Dr. Beatrice Schuchhardt, Universität Siegen), um Photographien und deren Theorie (de Toro) und um das traditionelle Gattungsgrenzen sprengende „Tagebuch“ der Frida Kahlo (Gronemann) aus der Perspektive einer inter- bzw. transmedialen Ästhetik. Neben ästhetische traten jedoch auch ethische Fragestellungen, die am Beispiel medialer Interventionen – in diesem Kontext ungewöhnlich als Telenovela – bei der Suche nach den Opfern der argentinischen Diktatur (Dr. Liliana Ruth Feierstein, Universität Bayreuth) und des widerständigen Wirkungspotenzials von Miguel Angel Asturias’ Weekend en Guatemala (Kloepfer) aufgeworfen wurden.

 

Besonderer Dank gebührt Frau Birgit Olk und den Hilfskräften der Abteilung, die sich mit Einsatzfreude der Organisation der Tagung gewidmet und eigens hergestellte kulinarische Genüsse beigesteuert haben. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch die öffentliche Vorführung des aktuellen Dokumentarfilms El Sistema (Paul Smaczny/Maria Stodtmeier, 2009) der zahlreiche vor allem studentische Gäste anlockte. Der Film schildert eindrucksvoll das 1975 in Venezuela gegründete Netzwerk von Kinder- und Jugendorchestern, das sich einer Initiative des Musikers und Ökonomen José Antonio Abreu verdankt und in dem inzwischen über 300.000 Kinder nicht nur ein Instrument spielen, sondern auch Wertorientierung lernen. So dient dieses einzigartige Modell der Musikerziehung nicht zuletzt dazu, den Kreislauf von Armut und Gewalt in den Barrios von Caracas und anderen Städten zu durchbrechen. Doch im Unterschied zu anderen Projekten spricht hier die künstlerische Qualität der Absolventen für sich und neben Gustavo Dudamel, dem jungen Stardirigenten, der zusammen mit dem Simón Bolívar Orchestra und den Berliner Philharmonikern in Deutschland zu erleben war, wird der eine oder andere der kleinen Protagonisten noch auf der internationalen Musikbühne Karriere machen. Nach dem Film bestand die Gelegenheit, mit der Regisseurin Maria Stodtmeier ins Gespräch zu kommen, die Insider-Informationen zu Entstehungsgeschichte und Drehbedingungen im politisch brisanten Venezuela lieferte.

 

Von:  Tanja Schwan

Publiziert von: Kai Nonnenmacher